Narkose: Warum wachen manche Menschen mitten in der OP auf?
In ein bis zwei Fällen pro 1000 Narkosen wacht der betäubte Patient während der OP plötzlich auf. Obwohl die Anästhesie seit über 150 Jahren in der Medizin eingesetzt wird, weiß man wenig darüber, wie das zu Stande kommt. Forscherinnen und Forschern des Trinity College in Dublin gelang es nun, anhand der Gehirnstruktur und -aktivität zu erklären, warum Menschen unterschiedlich stark auf eine Betäubung reagieren. Die Erkenntnisse könnten dabei helfen, intraoperative Wachzustände zu vermeiden.
Das Team um Feng Deng versetzte 17 gesunde Probanden mittels Propofol in den Zustand einer moderaten Sedierung. Um eine klinisch gleichwertige Betäubung aller Versuchspersonen zu gewährleisten, passten die Wissenschaftler die Dosis individuell an. Anschließend sollten die Teilnehmenden auf einen sich wiederholenden Piepton reagieren. Während sich die meisten Probanden im Vergleich zum Wachzustand deutlich verlangsamten, blieben 30 Prozent gleich schnell. Auch wenn also alle Versuchspersonen klinisch gesehen gleich stark sediert worden waren, verfügten sie offenbar über unterschiedliche kognitive Kapazitäten. Das zeigte sich auch im Hirnscanner, in den die Probanden einmal anästhesiert und einmal vollständig wach geschoben wurden. Beide Male lauschten sie dort einer spannenden Geschichte und lagen eine Weile still da. Vor allem beim Zuhören arbeiteten bestimmte Hirnnetzwerke von jenen Probanden intensiver zusammen, die in dem Versuch zuvor trotz Sedierung weiterhin schnell reagieren konnten. Im frontalen Kortex, wo sich einige wichtige Knotenpunkte dieser Netzwerke befinden, verzeichnete die Forschungsgruppe bei ihnen außerdem eine dickere Hirnrinde.
Die mit den Hirnregionen assoziierten Netzwerke steuern unter anderem Aufmerksamkeits- und Entscheidungsprozesse. Durch die dickere Hirnrinde und die stärkere Vernetzung lassen sich diese von den Betäubungsmitteln möglicherweise schwerer herunterregeln, was die schnelleren Reaktionszeiten erklären könnte. Patienten, auf die das zutrifft, bräuchten dementsprechend eine höhere Dosis, vermuten die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen. Das muss nun in klinischen Studien genauer untersucht werden.
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