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News: Neue Detailaufnahmen von Ribosomen

Emsig arbeiten zehntausende von Ribosomen in jeder Zelle, um am laufenden Band Proteine zu produzieren. Dass die kleinen kugeligen Arbeitsmaschinen aus zwei Untereinheiten aufgebaut sind, in denen sich verschiedene RNA-Moleküle und über 50 Proteine die Arbeit teilen, wissen Biologen schon seit Jahrzehnten. Doch einen genauen Blick konnten sie erstmals im Jahr 1999 riskieren. Nun verstärken neue detaillierte Bilder eine ketzerische Hypothese: Nicht Proteine, sondern RNA-Moleküle sind die aktiven Komponenten in dieser Maschinerie.
Gäbe es keine Vermittler zwischen der Erbinformation, die in der Sprache der Basen-Abfolgen gespeichert wird, und den beweglichen Proteinen aus Aminosäuren, hätte die Zelle ein Problem. Doch eine fleißige Schar von Ribosomen übersetzt die Information in atemberaubenden Tempo und mit höchster Präzision. Da die auch gerne als Proteinfabriken bezeichneten Strukturen für die Zellen überlebenswichtig sind, gibt es innerhalb der verschiedenen Lebensformen auf der Erde nur sehr geringe Abweichungen. So sind prokaryotische Ribosomen zwar etwas kleiner als ihre Vertreter in eukaryotischen Zellen, und auch RNA-Moleküle und Proteine differieren ein wenig, aber die Arbeitsweise ist identisch. Und so lohnt sich ein genauer Blick auf die Struktur bakterieller Ribosomen.

Bekannt war bislang, dass die Erbinformation in Form einer beweglichen Kopie zu den Ribosomen transportiert wird. Hier bindet die so genannte Boten-RNA (mRNA) passgenau an ein RNA-Molekül im Inneren der Ribosomen (rRNA). Eine dritte Form von RNA-Molekülen, die kleinen Träger-RNAs (tRNA), wiederum transportieren selektiv Aminosäuren zur mRNA, erkennen hier spezifische Sequenzen des genetischen Codes und reihen die Bausteine präzise aneinander. Das Ribosom katalysiert dann die Bildung chemischer Brücken zwischen den einzelnen Aminosäuren, bis eine lange Kette entsteht: das Protein. Doch wer übernimmt diese Aufgabe? Proteine, die für solche Aufgaben prädisponiert sind, oder starre RNA-Moleküle?

Nach Meinung von Harry Noller von der University of California in Santa Cruz sind RNA-Moleküle der aktive Part. Bestärkt wird diese Hypothese durch neue Bilder. Klein sind die knubbeligen Ribosomen, gerade mal 20 Nanometer im Durchmesser. Und doch konnten die Wissenschaftler sie bei der Arbeit beobachten. Möglich wird dies durch eine Methode – die Röntgenkristallographie – die eine räumliche Strukturanalyse ermöglicht. Zuerst werden die zu untersuchenden Objekte kristallisiert, um sie dann einer Röntgenstrukturanalyse zu unterziehen. Mit Röntgenstrahlen beschießen die Forscher die Kristallen und errechnen aus der Ablenkung der Strahlung die dreidimensionale Atomkoordinaten. Am Computer entsteht dann ein anschauliches Bild.

Die Bilder des Forschungsteams zeigen nicht nur Ribosomen an sich, sondern auch auf ihren Positionen sitzende mRNA- und tRNA-Moleküle während der Proteinsynthese. Die meiste Aktion scheint zu diesem Zeitpunkt im Spalt zwischen den beiden Ribosomen-Untereinheiten stattzufinden. Zwölf chemische Brücken konnte das Team als Verbindung zwischen den Einheiten ausmachen. Beteiligt hieran waren hauptsächlich RNA-Moleküle. Diese Ergebnisse ermöglichen es ihnen, den Mechanismus, in dem Bewegung in die Proteinsynthese tritt, mit speziellen Komponenten der Ribosomen in Verbindung zu setzen – und zwar den RNA-Molekülen, die hiermit eine für sie ganz neue Aufgabe übernehmen. "Das Ribosom ist eine molekulare Maschine, und es braucht bewegliche Teile, um seine Funktion zustande zu bringen. Wir sind nun in einer Position, die strukturellen Neuordnungen des Ribosoms während der Proteinsynthese zu verstehen", erklärt Noller.

Die Ergebnisse könnten sogar praktischen Nutzen haben. Denn die Arbeitsweise vieler Antibiotika besteht darin, an bakterielle Ribosomen zu binden und sie zu spalten. Die steigende Zahl von Antibiotikaresistenzen zwingt Ärzte und Forscher aber zu neuen Ufern. Und so könnte das tiefe Verständnis der Ribosomenstruktur in Zukunft zu neuen und effektiveren Wirkstoffen gegen Bakterien führen.

  • Quellen
University of California, Santa Cruz
Sciencexpress 10.1126/science.1060089 (29. März 2001)

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