News: Neue Isolierung aus Stammzellen
Sein Kollege David I. Gottlieb entdeckte, dass man embryonale Stammzellen, die sich zu allen Zelltypen des Körpers entwickeln können, durch Zugabe von Retinsäure beeinflussen kann. Durch diese Behandlung werden die noch undifferenzierten Zellen zu Vorläufern von Nervenzellen: Neuronen, Astrocyten und Oligodendrocyten. McDonald und seine Kollegen konnten zeigen, dass die Oligodendrocyten aus diesem Gemisch die Axone beschädigter Neuronen mit einer neuen Myelinschicht umghüllen (Proceedings of the National Academy of Sciences vom 23 Mai. 2000, Abstract).
Sie pflanzten die aus embryonalen Stammzellen einer Maus hergestellten Mischkulturen in eine Ratte ein, deren Rückenmark zuvor mit einer entmyelinisierenden Substanz behandelt worden war. Um sie nachher von den Rattenzellen unterscheiden zu können, markierten die Forscher die Mäusezellen mit verschiedenen Methoden. Bereits eine Woche nach der Injektion entdeckten sie Mäusezellen in der beschädigten Region. Die meisten Zellen hatten sich zu funktionsfähigen Oligodendrocyten – den Gliascheidenzellen des Zentralen Nervensystems (ZNS) – entwickelt, vermutlich auf Grund der Signale des beschädigten Rückenmarks. "Wir beobachteten eine sehr schnelle Myelinisierung", sagt McDonald. "Schon eine Woche nach der Transplantation fanden wir dicht umhüllte Axone."
Die Wissenschaftler konnten aber auch reine Kulturen der Gliascheidenzellen herstellen. Dafür überführten sie die Mischkulturen aus einem normalen Medium in eine Nährlösung, die den bevorzugten Wachstumsfaktor der Oligodendrocyten enthielt. Danach gaben sie die Zellen in ein Medium, in dem sich zuvor die Vorläufer noch unreifer Oligodendrocyten befanden und das somit Substanzen enthielt, die diese Zellen abgegeben hatten. 90 Prozent der so behandelten Zellen entwickelten sich zu Oligodendrocyten.
Die nahezu reine Kultur testeten die Wissenschaftler an einem Mausmodell, das eine wichtige Komponente des Myelins nicht herstellen kann und dessen Axone auf Grund dieses Gendefekts nur ungenügend isoliert sind. Neun Tage nach der Transplantation hatten sich die Mäuse-Oligodendrocyten bereits einige Millimeter von der Operationsstelle entfernt. Innerhalb eines Monats waren einige der Axone von einer dichten, zum Teil bis zu 15 Schichten dicken Myelinscheide umgeben.
"Das ist der erste Beweis, dass aus embryonalen Stammzellen hergestellte Oligodendrocyten beschädigte Stellen im ZNS eines erwachsenen Tieres wieder mit einer Myelinhülle versehen können", sagt McDonald. Die Transplantation von Myelin-synthetisierenden Zellen stellt daher einen sinnvollen Ansatz dar, Patienten mit Rückenmarksschäden zu helfen. "Außerdem steht uns durch unsere Methode ein unerschöpflicher Vorrat an Zellen zur Verfügung."
Siehe auch
- Spektrum Ticker vom 3.8.1999
"Ein neuer Mantel für die Nerven" - Spektrum Ticker vom 25.1.1999
"Umschulung für Stammzellen" - Spektrum Ticker vom 1.9.1999
"Neue Aussichten für die Behandlung von Nervenschäden"
(nur für Ticker-Abonnenten zugänglich) - Spektrum der Wissenschaft 6/99, Seite 32
"Neue Nervenzellen im erwachsenen Gehirn"
(nur für Heft-Abonnenten online zugänglich)
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