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Traumafolgen: Wann der Schmerz bleibt

Die Hirnaktivität wenige Tage nach einem Autounfall sagt vorher, wer ein Jahr später noch immer unter Nackenschmerzen leiden wird. Dieses Wissen könnte helfen, Risikopatienten rechtzeitig zu erkennen.
Junge Frau sitzt auf einem blauen Sofa und hält sich den Nacken mit beiden Händen.
Warum werden manche Menschen ihre Schmerzen nach einem Unfall nicht mehr los?

Umstrukturierungen im Gehirn tragen dazu bei, dass Schmerzen chronisch werden. Bisher war aber wenig darüber bekannt, wie diese neuronalen Prozesse beginnen. Einem Team um den Psychologen Paulo Branco von der Northwestern University Feinberg School of Medicine in Chicago ist es gelungen, frühe verdächtige Veränderungen aufzuspüren.

Die Forscher untersuchten für die Studie 110 Personen, die bei einem Autounfall ein Schleudertrauma erlitten hatten. Sie maßen deren Hirnaktivität in den ersten drei Tagen nach dem Unfall mit Hilfe der funktionellen Magnetresonanztomografie (fMRT). Bei einigen zeigten sich bereits da auffällige Muster in bestimmten Hirnarealen. Genau diese Patienten trugen ein höheres Risiko, ein Jahr später immer noch an Kopf- und Nackenschmerzen zu leiden.

Entsprechend konnten die Fachleute anhand der Hirnaktivität in der Akutphase prognostizieren, welche der Verletzten chronische Schmerzen entwickeln würden. Die Vorhersage basierte vor allem auf der Aktivität des Hippocampus, der mithilft, neue Erinnerungen ins Langzeitgedächtnis zu überführen. Je reger einzelne Regionen des Hippocampus miteinander kommunizierten und je stärker dessen hinterer Teil mit der Amygdala – dem Gefühlszentrum des Gehirns – in Kontakt stand, desto eher verfestigte sich der Schmerz.

Vermutlich spielten dabei Emotionen eine Rolle: Je verängstigter Patienten kurz nach dem Unfall waren, desto klarer der Zusammenhang zwischen der Hirnaktivität und der Hartnäckigkeit des Schmerzes. Für sich genommen war Angst allerdings noch kein Risikofaktor für einen ungünstigen Schmerzverlauf. Erst in Kombination mit dem Erregungsmuster im MRT ergab sich ein klares Bild. Offenbar müssen mehrere Faktoren zusammenkommen, damit Schmerzen chronisch werden.

Branco und sein Team glauben, dass sich bei den Betroffenen früh eine starke, gefühlsbeladene Assoziation zwischen bestimmten Bewegungen und unangenehmen Empfindungen bildet. In dieser kritischen Phase könnten in Zukunft Präventivmaßnahmen ansetzen. Und die werden dringend gebraucht. Denn sind Schmerzen erst einmal chronisch geworden, lassen sie sich bislang nur schwer behandeln.

  • Quellen
Nature Mental Health 10.1038/s44220–024–00329–8, 2024

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