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News: Prähistorische Grüne Revolution

Nur wenige Genveränderungen verwandelten ein unscheinbares Gras in eine der Hauptnahrungsquellen der Menschheit - und das schon vor mehr als 4000 Jahren.
Mais
Petra Wernicke hat es eilig. Bereits im Frühjahr 2004 soll auf den Feldern Sachsen-Anhalts genetisch veränderter Mais wachsen, fordert die Agrarministerin des Bundeslandes. Heftiger Streit ist damit vorprogrammiert, beim Wort "Gen-Mais" scheiden sich bekanntermaßen die Geister.

Szenenwechsel: Südmexiko, im Tal des Flusses Balsas, irgendwann vor 9000 Jahren. Die hier lebenden Menschen – von späteren Europäern als Indianer bezeichnet – beginnen, ein unscheinbares Gras zu kultivieren. Der Anfang eines Siegeszuges, der die ganze Welt erobern sollte.

Mais, von Botanikern Zea mays genannt, kann auf eine jahrtausendelange Tradition zurückblicken. Die ältesten, von Archäologen geborgenen Maiskolben wuchsen vor mehr als 6200 Jahren auf mexikanischen Feldern. Danach verliert sich der Ursprung im Dunkeln, wird jedoch im besagten Balsas-Tal vermutet. Sicher scheint zumindest, dass die heutige Kulturform Zea mays mays von dem Gras Teosinte (Zea mays parviglumis, auch Zea mays mexicana genannt) abstammt.

Die Unterschiede zwischen dem Wildgras und dem Gewächs heutiger Hochleistungsfelder sind beträchtlich: Während die Teosinte-Kölbchen leicht zerfallen und nur kleine Körner bergen, die jeweils auch noch von lästigen Spelzen umgeben sind, zeigt sich ein heutiger Maiskolben als schweres, festes Gebilde mit großen, dauerhaft verbundenen Körnern – aus der Sicht der Maispflanze eine eher unpraktische Eigenschaft, verhindert sie doch die natürliche Verbreitung der Samen.

Welche Veränderungen waren nötig, um aus dem Gras eine Kulturpflanze zu züchten? Nicht viele, wie genetische Untersuchungen der letzten Jahre ergaben. Insbesondere drei Gene spielen hier eine Rolle: Das Gen teosinte branched 1 (tb1) sorgt beim Wildgras für die Verzweigungen der Pflanze, während der Kulturmais durch eine Variation dieses Erbfaktors als gerader unverzweigter Stamm wächst. Das zweite Gen sugary 1 (su1) verändert die Stärkezusammensetzung der Körner – und ermöglicht damit die in Südamerika beliebten Tortillas –, und Gen Nummer 3 namens pbf (prolamin box binding factor) beeinflusst den Proteinspeicher der Samenkörner.

Viviane Jaenicke-Després, die bei Svante Pääbo am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig forscht, hat nun ein weiteres Puzzlestück der Maisgeschichte zugefügt. Zusammen mit ihren Kollegen sammelte sie historische und prähistorische Maiskolben, die auf ein Alter von 650 bis zu 4400 Jahre zurückblicken können. Hieraus extrahierten die Forscher die DNA, fischten – mit etwas Glück – die Gene tb1, su1 und pbf heraus und verglichen diese mit denen aus verschiedenen Sorten des weltweit angebauten Kulturmais sowie aus Teosinte.

Und das Ergebnis: Während bei Teosinte verschiedene Allele, also Variationen der Gene nachweisbar waren, zeigten sich selbst die ältesten Maiskolben als genetisch monoton. Die gleichen Allele, die den heutigen Kulturmais auszeichnen, gab es bereits vor 4400 Jahren.

Das bedeutet nichts anderes, als dass die Kultivierung des Mais bereits vor mehr als 4000 Jahren so gut wie abgeschlossen war. Vermutlich selektionierten die Menschen der Jungsteinzeit Mittelamerikas aus einer nur sehr kleinen Gründerpopulation nach wenigen Generationen die gewünschten Eigenschaften heraus.

Die damaligen Bauern waren demnach "viel weiter entwickelt, als wir gedacht haben", meint auch die Botanikerin Nina Fedoroff von der Pennsylvania State University. Die sorgfältige Auslese der Mais-Varietäten muss so etwas wie eine "prähistorische Grüne Revolution" ausgelöst haben, die den Vergleich mit der modernen Grünen Revolution der sechziger und siebziger Jahren nicht zu scheuen bräuchte.
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