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Quantenphysik: Quanten sind Sensibelchen

Atome, Elektronen, Photonen - in der Welt des Kleinsten sind sie gemäß der Quantenphysik nicht zu greifen. Wie Wellen befinden sie sich überall und nirgends zugleich. Es sei denn, sie werden gemessen. Denn die Wechselwirkung mit ihrer Umgebung lässt ihre verschmierte Komplexität zu einem klassischen Teilchen kollabieren. Und dafür reicht manchmal der Einfluss eines einzelnen Elektrons.
Versuchsaufbau
Die Natur mag es im Grunde gerne unentschieden. Dieser Eindruck drängt sich beim Blick in den Quantenkosmos der Atome und Elementarteilchen geradezu auf. Besonders am traditionellen Beispiel des Doppelspalt-Experiments wird das deutlich. Das Prinzip kennt jeder aus dem Physikunterricht in der Schule: Möglichst gleichförmiges Licht, wie es beispielsweise ein Laser aussendet, fällt auf eine Wand mit zwei Spalten, die sich unabhängig voneinander öffnen und schließen lassen. Hinter der Wand befindet sich ein Schirm.

Sind beide Spalte geschlossen, liegt dieser natürlich im Dunkeln. Ist ein Spalt offen, bemerken wir einen breiten Streifen Helligkeit. Der Aha-Effekt tritt jedoch erst dann auf, wenn das Licht durch beide Spalte dringen kann. Auf dem Schirm zeigt sich ein Muster heller und dunkler Linien, die entstehen, weil sich die Lichtwellen aus den beiden Spalten überlagern und teilweise scheinbar gegenseitig auslöschen. Der Beweis, dass Licht eine Welle ist. Denn Teilchen können zwar zusammenstoßen und voneinander abprallen – Interferenzen und die daraus hervorgehenden Muster liegen jedoch jenseits ihrer Fähigkeiten.

Die forschende Quantenphysik führt den Doppelspalt-Versuch im Labor noch weiter. Bis dahin, wo kein Lehrer mit seinen Schulaufbauten gelangen kann. Sie reduziert die Lichtintensität so weit, dass die Photonen nur noch einzeln durch die Spalte fliegen. Eigentlich sollte sich so kein Partner mehr für eine Überlagerung finden lassen. Dennoch bildet sich auf dem Schirm ein Interferenzmuster aus. Nach der gängigen Deutung der Quantenphysik haben die einzelnen Photonen schlichtweg keine Entscheidung für einen der Wege getroffen. Stattdessen sind sie jedes für sich einfach durch beide Spalte geflogen und haben dahinter jeweils mit sich selbst interferiert.

Durch zwei Türen zugleich gehen? In der klassischen Welt absolut unmöglich. Im Quantenkosmos hingegen kein Problem. Selbst wohlbekannte Teilchen wie Elektronen und gar ganze Atome beherrschen diesen Trick. Denn auch Materie kann als Welle auftreten. Solange niemand hinsieht! Schon ein einziger Detektor an einem der Spalte, der registriert, ob etwas an ihm vorbeifliegt, lässt das Muster auf dem Schirm verschwinden. Die Messung hat die unentschiedene Wellennatur des Quantensystems zum Kollabieren gebracht und nur ein klassisches Teilchen übrig gelassen. Ein Phänomen, das Physiker als Dekohärenz bezeichnen und das Konstrukteuren von Quantencomputern schlaflose Nächte bereitet.

Atomarer Quasi-Doppelspalt | Ein einzelnes Photon (rosa Streifen) trifft auf ein Wasserstoff-Atom (blaue Hantel). Dessen Kerne senden Photoelektronenwellen aus (weiße Pfeile), die miteinander wechselwirken können (gelbe Wellenlinie) und dadurch zu Teilchen (weiße Kugeln) werden. Im Prinzip geschieht das Gleiche wie beim Doppelspalt-Experiment. Als Spalte fungieren die Kerne, und die Elektronen "messen" sich gegenseitig.
Quantensysteme sind folglich ultraempfindliche Sensibelchen. Nur, wie empfindlich sie genau sind, das war wegen der großen experimentellen Schwierigkeiten lange Zeit unbekannt. Mit den kleinsten Doppelspalt-Versuch der Welt hat nun ein Team internationaler Wissenschaftler um Reinhard Dörner vom Institut für Kernphysik der Universität Frankfurt die Empfindlichkeit der Quanten getestet. Das Herzstück des Experiments ist dabei so klein, das es selbst ein Quantenobjekt ist: ein Wasserstoffmolekül, das Elektronen aussendet.

Der Aufbau des Moleküls ist recht beschaulich: Zwei Protonen halten einander durch ihre gleichnamigen elektrischen Ladungen auf Abstand, werden aber von den beiden Elektronen, die sie umgeben, zusammengeschmiedet. Bis in dem Versuch ein einzelnes Photon auf das Molekül trifft und die Elektronen mit so viel Energie versorgt, dass sie der Anziehungskraft der Protonen entkommen können. Zumindest würde so die Beschreibung im Teilchenmodell lauten. Betrachten wir die Elektronen als Wellen, geht angeregt durch das Licht von jedem Proton eine Elektronenwelle aus – somit zwei Wellen, die sich überlagern können. Da zwischen den Protonen ein winziger Abstand ist, entsprechen diese Interferenzen genau dem, was hinter einem Doppelspalt zu beobachten wäre.

Gespeicherte Interferenz | Das Muster der Elektronen (weißes Blatt im Hintergrund) weist kein Anzeichen für Interferenz mehr auf. In ihren Wellenfunktionen (bunte Landschaft im Vordergrund) sind die Muster aber noch enthalten.
Tatsächlich erhielten die Forscher mit ihren Detektoren für die Richtung der Elektronen Verteilungsmuster, wie sie nach theoretischen Berechnungen für interferierende Wellen zu erwarten sind. Allerdings nur, solange eines der beiden Elektronen deutlich schneller war als das andere. War ihre Energie nahezu gleich, fand hingegen eine starke Wechselwirkung zwischen den beiden statt, bei der die Elektronen sich gewissermaßen gegenseitig beobachteten. Jedes wirkte für das andere wie eine Art Messinstrument und als Folge verschwand das Interferenzmuster. Die Anwesenheit eines zusätzlichen Elektrons reichte folglich aus, um das andere Elektron vom exotischen Quantensystem in ein klassisches Teilchen zu überführen.

Oder wenigstens beinahe klassisch. Durch die Wechselwirkung bei ihrem Ausbruch erfahren die Elektronen nämlich so viel voneinander, dass sie zu einem verschränkten Paar werden – einem anderen quantenphysikalischen abstrusen Zustand, in welchem Teilchen enger miteinander verbunden sind als eineiige Zwillinge. Und analysiert man die Eigenschaften eines solchen Paares, ergeben sich auf beinahe magische Weise wieder die verschwunden geglaubten Interferenzmuster. Es geht offenbar nichts verloren in der Natur, es wird nur geteilt mit jedem, der eine Messung macht. Und das ist immerhin auch eine Art von Entscheidung.

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