Chemie: Risse im Periodensystem
Vor vier Jahren berichteten Jurij Oganessian und seine Mitarbeiter am Vereinigten Institut für Kernforschung in Dubna nahe Moskau über die Synthese der ersten Atomkerne von Element 117. Vorläufig mit lateinischen Zahlen als Ununseptium (Uus) bezeichnet, hat es noch keinen richtigen Namen; denn vor der Taufe eines neuen Elements muss es nach altem Brauch zunächst unabhängig bestätigt werden. Das gelang für Uus vor wenigen Monaten am Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung (GSI) in Darmstadt. Damit ist demnächst mit der offiziellen Anerkennung und Namensgebung zu rechnen. Vor 2010 waren schon alle Elemente bis einschließlich 116 sowie die Nummer 118 entdeckt worden. Das Periodensystem ist nun also erstmals in seiner Geschichte vollständig in dem Sinn, dass alle Reihen lückenlos bis zum letzten Platz gefüllt sind. Das gilt zumindest so lange, bis Kernphysiker eventuell noch schwerere Elemente synthetisieren und damit eine weitere Reihe eröffnen.
Als Dmitrij Iwanowitsch Mendelejew – ebenfalls ein Russe – und andere die Tabelle in den 1860er Jahren schufen, bildete sie das erste große Schema, in dem sich alle damals bekannten Elemente geordnet nach Masse und chemischen Eigenschaften unterbringen ließen. Allerdings mussten einige Positionen leer bleiben, und Mendelejew prophezeite kühn, dass eines Tages neue Elemente entdeckt würden, die genau dort hineinpassten. Tatsächlich wurden mit der Zeit immer mehr Lücken geschlossen. Später erzeugten Kernphysiker außerdem künstliche Elemente jenseits des Urans und ergänzten so die unterste Reihe – in der Element 117 schließlich den letzten noch freien Platz besetzte.
Mendelejew hätte sicher seine Freude an dem geschlossenen Erscheinungsbild, das seine Tabelle nun bietet. Etwas trübt allerdings seinen Triumph. Es ist ein Makel, der sich bei den letzten Einträgen immer deutlicher gezeigt hat. Fatalerweise droht er das Konstruktionsprinzip selbst, welches dem Schema zu Grunde liegt, in Frage zu stellen – betrifft er doch jene elementare Eigenschaft, der es seinen Namen verdankt: die sich periodisch wiederholenden Muster. Mendelejew sagte ja nicht nur die Existenz von bis dahin unbekannten Elementen voraus, sondern machte, basierend auf der Regelmäßigkeit seines Schemas, auch korrekte Aussagen zu ihren chemischen Eigenschaften.
Doch die zuletzt erzeugten superschweren Elemente mit den höchsten Ordnungszahlen – sie entspricht der Anzahl der Protonen im Kern – verhalten sich teils nicht mehr so, wie das auf Grund ihrer Stellung im Periodensystem zu erwarten wäre: Ihre chemischen Wechselwirkungen und speziell die Verbindungen, die sie mit anderen Atomen bilden, weichen von denen der anderen Elemente in derselben Spalte der Tabelle ab. Der Grund liegt darin, dass einige der Elektronen, welche die schwersten Kerne umkreisen, Geschwindigkeiten erreichen, die gegenüber der Lichtgeschwindigkeit nicht mehr zu vernachlässigen sind. Sie werden "relativistisch", wie die Physiker sagen; denn sie lassen sich nur noch mit Einsteins spezieller Relativitätstheorie korrekt beschreiben. Dadurch entsprechen auch die chemischen Eigenschaften der betreffenden Atome, die ja von den Elektronen abhängen, nicht mehr der Stellung im Periodensystem. Und so scheint es, dass Mendelejews Werk ausgerechnet im Moment seiner (vorläufigen) Vollendung einen Teil seiner Erklärungs- und Voraussagekraft eingebüßt hat.
Das chemische Verhalten wiederholt sich
Obwohl schon mehr als 1000 Versionen des Periodensystems publiziert wurden – mit vielerlei Variationen in der Anordnung und Anzahl der Einträge – haben sie doch ein entscheidendes Merkmal gemeinsam. Reiht man die Elemente nach steigender Ordnungszahl auf (anfangs wurde stattdessen das Atomgewicht verwendet), so wiederholt sich, leicht modifiziert, in regelmäßigen Abständen das chemische Verhalten. Wenn wir zum Beispiel mit Lithium beginnen und uns um acht Plätze vorwärtsbewegen, erreichen wir Natrium, das ganz ähnliche Eigenschaften aufweist. Beispielsweise sind beide Elemente Metalle und so weich, dass man sie mit einem Messer schneiden kann. Außerdem reagieren sie heftig mit Wasser. Rücken wir wiederum acht Plätze weiter, kommen wir zum Kalium, das ein genauso weiches Metall ist und noch stärker mit Wasser reagiert.
In den frühesten Periodensystemen wie dem von Mendelejew betrug die Länge einer Periode oder Reihe immer acht – mit Ausnahme der ersten, die nur zwei Einträge hatte. Bald wurde jedoch klar, dass sich bei der vierten und fünften Periode die Eigenschaften nicht nach acht, sondern erst nach 18 Elementen wiederholen. Die entsprechenden Reihen sind also breiter als die vorhergehenden; denn sie enthalten einen zusätzlichen Elementblock: die Übergangsmetalle, die in der üblichen Darstellung des Periodensystems in der Mitte sitzen. Die sechste Periode erwies sich dann als noch länger: Sie enthält 32 Elemente, da beginnend mit Lanthan 14 so genannte Lanthanide (heute Lanthanoide) hinzukommen.
Im Jahr 1937 begannen Kernphysiker, neue Elemente zu synthetisieren. Das erste war Technetium. Es füllte eine der vier Lücken in dem damals bekannten System, das von 1 (Wasserstoff) bis 92 (Uran) reichte. Die anderen drei fehlenden Elemente folgten bald; zwei davon wurden künstlich erzeugt (Astat und Promethium) und das dritte (Francium) in der Natur gefunden. Aber noch bevor diese Lücken geschlossen waren, kamen neue Elemente jenseits von Uran hinzu, und damit entstanden weitere Leerstellen. Der amerikanische Chemiker Glenn T. Seaborg (1912 – 1999) erkannte, dass Actinium, Thorium und Protactinium zusammen mit Uran sowie den folgenden zehn Elementen einen weiteren Block bilden, der wie die Lanthanoide 14 Elemente enthält; sie werden als Actinide (Actinoide) bezeichnet. Weil die beiden Blöcke mit ihren 14 zusätzlichen Einträgen die betreffenden Reihen noch breiter machen würden, verzeichnet man sie in Standard-Periodensystemen gesondert am unteren Rand.
Wie sich in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts herausstellte, fußt die Periodizität der Elemente auf der Quantenphysik. Die Elektronen der Atome bewegen sich demnach auf Schalen um den Kern, wobei mit jeder neuen Periode eine zusätzliche, weiter außen gelegene Schale hinzukommt. Darin gibt es jeweils eine bestimmte Zahl von Aufenthaltsräumen, die auf Grund des von Wolfgang Pauli (1900 – 1958) entdeckten Ausschlussprinzips nur bis zu zwei Elektronen aufnehmen können.
Diese so genannten Orbitale zeichnen sich jeweils durch eine charakteristische Form und Größe aus. Elemente der ersten Periode verfügen über nur einen mit s bezeichneten Typ. Dieses Orbital ist kugelsymmetrisch und kann, wie gesagt, maximal zwei Elektronen aufnehmen – eines beim Wasserstoff, zwei beim Helium. In der zweiten und dritten Schale existiert jeweils ein weiteres, größeres Orbital vom s-Typ. Außerdem kommen drei Orbitale einer neuen, hantelförmigen Sorte namens p hinzu. Wiederum kann jedes davon mit ein oder zwei Elektronen besetzt sein, was maximal sechs ergibt. Insgesamt bieten die zweite und dritte Schale also Platz für jeweils acht Elektronen. Darin liegt der Grund für die Periodizität von acht in den Originalversionen des Periodensystems. Die Elemente der vierten und fünften Periode enthalten zusätzlich zu den s- und p- noch jeweils fünf d -Orbitale, was zehn weitere Plätze für Elektronen schafft und die Periode auf 18 streckt. Schließlich kommen in den letzten beiden Reihen noch jeweils sieben Orbitale vom f-Typ hinzu, so dass die Länge auf 32 (18 + 14) Elemente anwächst.
Der enge Zusammenhang zwischen dem Aufbau des Periodensystems und der Elektronenstruktur der Atome bedeutet, dass die Vervollständigung der Tabelle nicht nur eine Sache der Ästhetik und der Darstellungsweise auf Papier ist. Vielmehr sind nun für alle sieben Perioden sämtliche Besetzungsmöglichkeiten aller s-, p-, d- und f-Orbitale realisiert. Falls je weitere Elemente synthetisiert werden sollten, stünden sie in einer neuen Reihe des Systems. Dementsprechend käme beim Element 119 eine weitere Elektronenschale hinzu, in der sich nun das äußerste Elektron aufhielte – und zwar wiederum in dem einfachsten Orbitaltyp, dem s-Orbital. Nachdem dieses beim folgenden Element 120 ein weiteres Elektron aufgenommen hätte, begänne mit der Nummer 121, zumindest prinzipiell, ein völlig neuer Block mit noch nie dagewesenen Aufenthaltsräumen: den g-Orbitalen. Neun an der Zahl, böten sie wie zuvor Plätze für je zwei weitere Elektronen – insgesamt also 18. Die Periode würde entsprechend verlängert und das Periodensystem auf 50 Spalten erweitert; allerdings haben Chemiker für eine derart breite Tabelle schon kompaktere Darstellungsweisen ersonnen.
Störende Effekte der Relativitätstheorie
Ein vollständiges Periodensystem, dessen Reihen komplett gefüllt sind, könnte als endgültige Erfüllung von Mendelejews Traum erscheinen. Und die wäre es auch, gäbe es da nicht eine Besonderheit, die mit Albert Einstein und seiner speziellen Relativitätstheorie zusammenhängt. Mit zunehmender Ordnungszahl eines Elements erhöht sich wegen der zusätzlichen Protonen im Atomkern dessen positive elektrische Ladung. Damit wächst aber zugleich seine elektrostatische Anziehungskraft auf die negativ geladenen Elektronen. Diese werden deshalb stark beschleunigt, wenn sie in die Nähe des Kerns kommen. Das macht die Elektronen in den inneren Orbitalen bei hohen Ordnungszahlen schließlich so schnell, dass sie sich der Lichtgeschwindigkeit nähern (bei Element 118 bis auf 86 Prozent). Dadurch kommen zunehmend die Effekte der speziellen Relativitätstheorie zum Tragen. Beispielsweise nimmt die Masse der Elektronen zu, während die Zeit gedehnt wird. Das lässt die Orbitale schrumpfen – vor allem die inneren, in geringerem Maß aber auch die äußeren – und stabilisiert sie zugleich. Dabei sind diejenigen vom s-Typ stärker betroffen als die vom p-Typ und diese wiederum stärker als die d- und f-Orbitale; denn wegen der jeweiligen Orbitalform sinkt in dieser Reihenfolge die Wahrscheinlichkeit dafür, dass das betreffende Elektron auf seiner Bahn in die Nähe des Kerns gerät.
All das bezeichnet man als direkte relativistische Effekte. Aus der Relativitätstheorie ergeben sich jedoch auch indirekte Effekte, die ihnen entgegenwirken. Indem die inneren Elektronen näher an den Kern heranrücken, schirmen sie dessen Ladung nämlich stärker ab. Das verringert die elektrostatische Anziehung der äußeren Elektronen – mit der Folge, dass sich die Orbitale der höheren Schalen ausdehnen. Die Stärke dieses indirekten Einflusses nimmt vom s- zum f-Typ zu. Deshalb überwiegt bei den s-Orbitalen der direkte und bei den d- und f-Orbitalen der indirekte Effekt, während sich beide bei den p-Orbitalen mehr oder weniger die Waage halten.
All das macht sich sogar teilweise im Alltag bemerkbar. So bewirken relativistische Effekte, dass Quecksilber als einziges Metall flüssig ist. Außerdem verleihen sie Gold seine gelbliche Farbe, während Silber, das im Periodensystem direkt darüber steht, weiß glänzend erscheint. Trifft nämlich ein Photon der richtigen Wellenlänge auf ein Atom eines Übergangsmetalls, wird es absorbiert. Seine Energie dient dann dazu, ein Elektron von einem d- zum nächsthöheren s-Orbital zu katapultieren. Bei Silber ist die Energielücke zwischen den beiden Orbitalen ziemlich groß, so dass es für diesen Übergang ein Photon aus dem Ultraviolettbereich des Spektrums braucht. Energieärmeres sichtbares Licht wird daher einfach reflektiert, weshalb das Metall für das menschliche Auge als fast perfekter Spiegel wirkt.
Bei Gold vermindert die relativistische Kontraktion die Energie der s- und erhöht die der d-Orbitale. Folglich erfordert der d-s-Übergang weniger Energie, da der Abstand der beiden Orbitale nun geringer ist. Deshalb reicht ein Photon aus dem blauen Spektralbereich, um ein Elektron anzuheben. Licht aller anderen Farben ist dagegen weiterhin nicht energiereich genug. Es prallt also nach wie vor ab, so dass wir weißes minus blaues Licht sehen – was die charakteristische goldgelbe Farbe ergibt.
Pekka Pyykkö von der Universität Helsinki und andere haben weitere relativistische Effekte bei Gold vorhergesagt, darunter auch, dass es sich mit anderen Atomen auf überraschende Weise verbinden könnte. Die resultierenden Moleküle wurden in der Folge tatsächlich entdeckt, was ein wenig an Mendelejews kühne Vorhersage neuer Elemente erinnert. Zu ihnen zählen so ausgefallene Verbindungen wie die zwischen Gold und dem Edelgas Xenon, das normalerweise extrem reaktionsträge ist, sowie Dreifachbindungen zwischen Gold und Kohlenstoff (Spektrum der Wissenschaft 1/2013, S. 84). Nicht weniger exotisch mutet ein kugelförmiges Molekül an, in dem ein Wolframatom von zwölf Goldatomen umgeben ist. Diese Verbindung hat dieselbe Struktur wie das berühmte, aus 60 Kohlenstoffatomen aufgebaute fußballförmige Fulleren und bildet sich spontan beim Verdampfen von Wolfram und Gold in einer Schutzgasatmosphäre aus Helium. Relativistische quantenmechanische Rechnungen erwiesen sich auch als unverzichtbar bei der Beantwortung der Frage, wieso winzige Klümpchen aus Goldatomen als Katalysatoren wirken – so dass sie etwa giftige Stoffe in den Auspuffgasen von Autos abbauen –, obwohl das Edelmetall normalerweise kaum Reaktionen eingeht.
Superschwere Überraschungen
Trotz solcher relativistischen Effekte halten sich die Abweichungen vom erwarteten Charakter bei diesem Element noch in Grenzen. Selbst die Actinoiden mit ihren deutlich höheren Ordnungszahlen besitzen im Großen und Ganzen die Eigenschaften, die ihrer Stellung im Periodensystem entsprechen. Die wirklich bösen – aber auch interessanten – Überraschungen kamen erst bei den kürzlich erzeugten schwersten Elementen zu Tage. Deren Chemie, soweit sie aus bisherigen Tests hervorgeht, deutet auf ernsthafte Risse im Periodengesetz hin.
Physiker können in Teilchenbeschleunigern schwere Kerne aufeinanderschießen, so dass diese miteinander verschmelzen und "superschwere" Elemente bilden – darunter versteht man solche mit Ordnungszahlen über 103. Die beiden ersten waren Rutherfordium (104) und Dubnium (105). Experimente in den 1990er Jahren legten nahe, dass beide nicht die Eigenschaften haben, die sich aus ihrer Stellung im Periodensystem ergeben. So fanden Ken Czerwinski und seine Kollegen an der University of California in Berkeley, dass Rutherfordium, das in der vierten Nebengruppe steht, in Lösung ähnlich reagiert wie das recht weit entfernte Actinoid Plutonium (94) in derselben Reihe. Analog gab es beim Dubnium aus der fünften Nebengruppe Hinweise, wonach es sich wie das noch fernere Actinoid Protactinium (91) verhält. Laut Periodengesetz hätten beide in ihren chemischen Eigenschaften jedoch den jeweils direkt über ihnen stehenden Elementen ähneln sollen, also Hafnium (72) und Tantal (73).
Von den jüngst entdeckten superschweren Kernen konnten jeweils nur äußerst geringe Mengen synthetisiert werden – gerade einmal sechs Atome beim Element 117 im Jahr 2010 zum Beispiel. Superschwere Kerne sind meist extrem instabil und zerfallen in Sekundenbruchteilen. Unter diesen Umständen ist es unmöglich, ihre chemischen Eigenschaften mit traditioneller "nasser" Chemie zu untersuchen – sie also in gelöster Form mit potenziellen Reaktionspartnern zusammenzubringen und nachzusehen, was passiert. Dennoch ersannen Forscher ausgeklügelte Methoden, um die Chemie dieser Elemente auch an einzelnen Atomen zu studieren.
Bei derartigen Experimente zeigten Seaborgium (106) und Bohrium (107) interessanterweise wieder chemische Eigenschaften, die zu ihrer Stellung im Periodensystem passten. Das brachte die Forscher dazu, die entsprechenden Veröffentlichungen mit launigen Überschriften wie "Oddly Ordinary Seaborgium" (seltsam gewöhnliches Seaborgium) oder "Boring Bohrium" (stinklangweiliges Bohrium) zu versehen. Das Periodengesetz schien nach den Ausreißern Rutherfordium und Dubnium wieder in Kraft zu sein. Bei Copernicium (112) war die große Frage, ob es sich eher gruppenkonform wie das über ihm stehende Quecksilber oder stattdessen wie das Edelgas Radon verhalten würde, was relativistische Rechnungen vorhersagten. Um das zu klären, synthetisierten Forschungsgruppen auch einige schwere, instabile Isotope der beiden Vergleichselemente. Der Grund war, dass diese sich auf dieselbe Weise herstellen und untersuchen ließen wie Copernicium. Dadurch waren die Ergebnisse der Experimente besser miteinander vergleichbar, als wenn man die makroskopischen Eigenschaften der häufigeren natürlich vorkommenden Isotope herangezogen hätte.
Bei den Versuchen wurden die frisch synthetisierten Atome auf einer Oberfläche abgeschieden, die auf sehr niedrige Temperaturen abgekühlt und teils mit Gold, teils mit Eis beschichtet war. Wenn sich Copernicium wie Quecksilber verhielte, sollte es mit Gold ein Amalgam bilden. Gliche es eher dem Edelgas Radon, würde es sich stattdessen auf dem Eis niederschlagen. So einfach das Experiment klingt, lieferte es allerdings keine eindeutigen Resultate: Einzelne Laboratorien erhielten unterschiedliche Ergebnisse, weshalb die Frage weiterhin offen ist.
Ein gasförmiges Edelmetall?
Bei Element 114, das 2012 den Namen Flerovium erhielt, scheinen sich die relativistischen Effekte dagegen wieder sehr drastisch zu zeigen: Obwohl es in der vierten Hauptgruppe steht und damit dem Blei gleichen sollte, verhält es sich nach ersten Experimenten offenbar eher wie ein Edelmetall. Außerdem ist es diesen Untersuchungen zufolge noch flüchtiger als Quecksilber und liegt bei Zimmertemperatur sogar als Gas vor.
Sofern das Periodensystem weiterwächst, dürften die Neuzugänge genaueren Aufschluss über seine Gültigkeit bei superschweren Elementen geben. Praktische Bedeutung hat die Frage für die absehbare Zukunft allerdings nicht. Wenn die Vorhersagekraft bei den höchsten Ordnungszahlen schwindet, schmälert das die Nützlichkeit der restlichen Tabelle ja nicht. Und der typische Chemiker dürfte nie mit superschweren Elementen zu tun haben. Da die bisherigen Vertreter nur in winzigen Mengen herstellbar sind und meist in Sekundenbruchteilen schon wieder zerfallen, kann er mit ihnen nichts anfangen.
Allerdings ergibt sich aus dem Schalenmodell des Atomkerns, dass Elemente mit bestimmten "magischen" Zahlen von Protonen und Neutronen, die gefüllten Schalen entsprechen, besonders stabil sein sollten. Den ersten Hinweis auf eine solche Insel der Stabilität, die irgendwo zwischen der Ordnungszahl 114 und 126 vermutet wird, lieferte die Halbwertszeit des schon erwähnten Flerovium-189, das über 114 Protonen und 175 Neutronen verfügt. Sie ist mit immerhin 2,7 Sekunden ungewöhnlich groß. Das doppelt magische Isotop Flerovium-298 mit 184 Neutronen, das sich wie alle neutronenreichen Nuklide mit den herkömmlichen Kernverschmelzungsreaktionen bislang nicht herstellen ließ, sollte noch wesentlich stabiler sein. Ähnliches gilt für die Isotope Unbinilium-304 und Unbihexium-310 der noch unbekannten Elemente 120 und 126.
Das führt zu der allgemeineren Frage, wo die Liste der Elemente schließlich definitiv enden wird. Nach einhelliger Expertenmeinung können sich bei einer zu hohen Anzahl von Protonen nämlich keine Atomkerne mehr bilden, nicht einmal für einen flüchtigen Augenblick. Doch wo genau sich die Grenze befindet, darüber gehen die Ansichten auseinander. In Rechnungen mit einem punktförmigen Kern scheint sie bei Element 137 zu liegen. Andere Theoretiker kommen bei Abschätzungen, die das tatsächliche Kernvolumen berücksichtigen, auf eine Ordnungszahl von 172 oder 173 für das schwerstmögliche Element. Damit bliebe noch reichlich Raum für Neuentdeckungen und möglicherweise relativ stabile Kerne, deren Chemie sich untersuchen ließe. Spätestens bei ihnen dürfte die Stellung im Periodensystem dann wirklich keinerlei Rolle mehr spielen.
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