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News: Schlafen für die Wissenschaft

Jeder, der schon einmal eine Nacht durchgemacht hat, weiß es: Ausreichender Schlaf ist wichtig. Doch warum? Muss sich unser Gehirn von den Strapazen des Alltags aktiv wieder regenerieren, oder läuft nur ein passives Programm mit regelmäßigen Ruhephasen ab? Schlafforscher streiten seit langem, welche Theorie zutrifft: die 'restaurative' oder die 'circadiane'. Regelmäßige Rhythmen sind beim Menschen lange bekannt, daher bevorzugen die meisten Wissenschaftler die zweite Theorie. Demnach müsste Schlafentzug keine wesentlichen Auswirkungen auf die kognitive Leistungsfähigkeit haben. Neueste Untersuchungen zeigen jedoch die Bedeutung von ausreichendem Schlaf für das Lernen.
Katzen haben's gut. Sie können es sich leisten, 14 Stunden des Tages zu verschlafen. Davon können wir Menschen im wahrsten Sinne des Wortes mit unseren acht Stunden Schlaf nur träumen. Allerdings ist die "Schlafleistung" der Katze noch gar nichts gegenüber die des Riesenfaultiers: Ganze 20 Stunden des Tages verbringt es dösend auf dem Baum. Auf der anderen Seite der Skala steht das Pferd. Es begnügt sich mit nur zwei Stunden Ruhepause.

Die wenigen Beispiele zeigen: Alle tun es. Sogar Fische, Reptilien, Amphibien und Insekten durchlaufen inaktive Phasen, in denen sie nicht reagieren und die den Schlafphasen der Säuger ähneln. Doch warum hat die Evolution so etwas Unproduktives wie den Schlaf "erfunden"? Schlafforscher haben dazu zwei Theorien aufgestellt: Die "restaurative" Theorie geht davon aus, dass der Wachzustand irgendwie das innere Gleichgewicht des Körpers stört und der Schlaf dazu dient, dieses Gleichgewicht wieder herzustellen. Die "circadiane" Theorie behauptet dagegen, Schlaf sei nichts anderes als eine Energiesparphase in einer Zeit, in welcher der Organismus nichts anderes Sinnvolles tun kann. Unsere Urahnen konnten nachts nicht auf Nahrungssuche gehen, ohne sich der erhöhten Gefahr auszusetzen, selbst gefressen zu werden. Schlaf als "verordnete", regelmäßige Ruhephase bewahrte sie vor der Gefahr und half, Energievorräte zu speichern.

Das Beispiel von Pferd und Katze zeigt, dass es offensichtlich keinen Zusammenhang zwischen Schlafdauer und Energieverbrauch gibt. Nach der restaurativen Theorie müsste jedoch ein Pferd wesentlich mehr Schlaf als eine Katze benötigen. Ein regelmäßig wechselnder Rhythmus zwischen Wach- und Schlafphase, der etwa einen Tag dauert – daher die Bezeichnung "circadian" –, ist für viele Säugetiere, einschließlich des Menschen, experimentell nachgewiesen. Beim Menschen dauert er etwa 25 Stunden und wird täglich durch das Tageslicht korrigiert. Jeder, der die Zeitverschiebung bei Interkontinentalflügen mitgemacht hat, weiß, was es bedeutet, wenn diese Korrektur durcheinander kommt.

Starke Argumente sprechen demnach für die circadiane Theorie. Schlafentzugsexperimente deuten in die gleiche Richtung: Vereiteln die Schlafforscher den erholsamen Schlaf von Versuchspersonen, so hat dies keineswegs gravierende physiologische Auswirkungen. Auch nach mehreren Tagen Schlafentzug holen die Opfer ihren verlorengegangenen Schlaf in nur wenigen Stunden nach. Beim "Nachschlafen" verändert sich jedoch die Dauer der unterschiedlichen Phasen des Schlafes.

Messungen der Gehirnströme von "Testschläfern" mit einem Elektroenzephalogramm (EEG) zeigen vier unterschiedliche Schlafstadien: Zunächst gelangen wir beim Einschlummern in die Phase 1. Das EEG ähnelt noch dem des Wachzustandes. Über die Phasen 2 und 3 gleiten wir schließlich in das vierte Stadium mit einem charakteristischem EEG, das sich vollständig vom Wachzustand unterscheidet. Dies ist die Phase des Tiefschlafs. Interessanterweise verbleibt der Körper jedoch nicht während der ganzen Nacht in dieser Tiefschlafphase. Nach etwa einer Stunde zeigt das EEG wieder den typischen Verlauf des Schlafstadiums 1. Während dieser Zeit bewegen sich die Augen heftig hin und her, die Phase wird daher als REM-Schlaf (rapide eye movement) bezeichnet. Es ist die Phase unserer Träume. Die Schlafphasen 2 bis 4 werden dagegen zum SWS (slow wave sleep) zusammengefasst. Im Wechsel von etwa 90 Minuten lösen sich REM- und SWS-Phase ab, wobei die REM-Perioden im Laufe der Nacht immer länger andauern und der Schlaf dazwischen immer leichter wird.

Nach einer Nacht Schlafentzug verlängern sich in der darauffolgenden Nacht die Tiefschlafphasen. Offensichtlich kompensiert das Gehirn den verlorengegangenen Schlaf nicht durch Verlängerung der Schlafdauer, sondern durch eine Erhöhung der Schlafeffizienz. Das heißt aber nicht, dass die REM-Phasen überflüssig sind. Weckt man Versuchspersonen jedesmal in dieser Phase, dann holen sie diese durch verlängerte REM-Phasen in der darauffolgenden Nacht nach.

Können wir also verloren gegangenen Schlaf relativ problemlos nachholen? Robert Stickgold von der Harvard Medical School in Boston wollte es genau wissen. Er interessierte sich dafür, ob Schlafmangel unsere Lernfähigkeit beeinflusst. Nun kann man nicht einfach Versuchspersonen die Nacht durchmachen lassen und dann am nächsten Morgen ihre geistigen Fähigkeiten testen. Durch Übermüdung und Konzentrationsmangel werden die Übernächtigten natürlich nicht mehr sehr fit sein. Solch ein Experiment hätte daher wenig Aussagekraft. Stickgold und seine Kollegen ließen stattdessen ihre 24 Versuchspersonen nach der durchgemachten Nacht zwei Tage erst einmal richtig aussschlafen. Die Probanden wurden vor ihrem Schlafentzug darauf trainiert, sich bestimmte geometrische Muster zu merken. Am dritten Tag mussten sie ihr erlerntes Können demonstrieren. Es zeigte sich, dass ihre Lernfähigkeit gegenüber der ungestörten Kontrollgruppe zurückging, obwohl sie genauso ausgeschlafen und entsprechend frisch und munter waren (Nature Neuroscience vom Dezember 2000). "Wir glauben, dass während des Schlafes in der ersten Nacht das Gedächtnis sich zu konsolidieren beginnt", erläutert Stickgold. "Es scheint so, dass Erinnerungen normalerweise aus dem Gehirn ausgewaschen werden, wenn nicht irgendein Prozess sie fest nagelt. Ich nehme an, dass Schlaf zu diesem Festnageln dazu gehört."

Doch welcher Schlaf? Jan Born ging zusammen mit seinen Kollegen von der Medizinischen Universität Lübeck der Sache näher auf dem Grund. Sie wählten einen anderen Versuchsansatz als ihre amerikanischen Kollegen: Eine Gruppe ihrer Probanden musste sich optische Muster merken, konnte dann drei Stunden schlafen und wurde mitten in der Nacht zum Test geweckt. Sie waren nur in der frühen, traumlosen Tiefschlafphase. Die anderen Versuchspersonen lernten ihre Aufgabe mitten in der Nacht und durften dann schlafen, sodass sie sich in ihrer REM-Phase erholen konnten. Das nützte ihnen jedoch wenig. Entscheidend für den Lernerfolg war die frühe SWS-Schlafphase. Fehlte diese, blieb der Lernerfolg aus. Am besten schnitten die Kandidaten ab, die beide Phasen ihres Schlafes genießen konnten (Nature Neuroscience vom Dezember 2000).

Das Gedächtnis benötigt offensichtlich die frühe SWS-Phase des Tiefschlafes. "Der späte REM-Schlaf kann die Gedächtnisbildung in einem zweiten Stadium nur nach einer vorher stattgefundenen frühen Schlafphase fördern", glaubt Steffen Gais von der Lübecker Arbeitsgruppe. Der Tiefschlaf scheint demnach entscheidend zu sein, doch ohne Träume geht es auch nicht. Nach Ansicht des Neurologen Pierre Maquet vom Londoner Wellcome Department of Cognitive Neurology liegt damit der "erste starke experimentelle Hinweis für einen zweistufigen Prozess der Gedächtnisbildung während des Schlafes von Menschen" vor. Wie dieser Prozess jedoch genau abläuft, bleibt nach wie vor rätselhaft. "Wir sehen nur die Spitze des Eisberges", betont Stickgold. Es gibt also noch viel zu schlafen für die Wissenschaft.

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