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Photonik: Schneller messen als der Blitz

Computer mögen immer schneller werden, aber für die moderne Forschung sind sie längst zu langsam. Bei Vorgängen, die in billionstel Sekunden ablaufen, kommen Elektronen nicht mehr mit. Optische Prozessoren könnten einen Ausweg bieten - wie nun in einem neuen Oszilloskop demonstriert, das einzelne Wellen ultraschnell vermisst.
Chemische und physikalische Forschung dauert heutzutage oft nicht mal mehr einen Wimpernschlag. Es sind die Einzelschritte von Reaktionen, für die Wissenschaftler sich interessieren. Und diese finden im Bereich von Piko- und Femtosekunden statt – billionstel und billiardstel Bruchteilen von Sekunden also, die so kurz sind, dass man sie sich nur im Vergleich einigermaßen vorstellen kann.

Blähen wir etwa eine Pikosekunde zu einer Sekunde auf, so wächst die ursprüngliche Sekunde auf rund 32 000 Jahre an – vor dieser Zeit befand sich die Menschheit noch mitten in der tiefsten Altsteinzeit. Oder umgedacht in eine Strecke: Entspräche eine Pikosekunde einem Millimeter, ergäbe eine Sekunde eine Million Kilometer – etwa die zweieinhalbfache Entfernung zwischen Erde und Mond. Selbst das Licht, als absoluter Geschwindigkeitsrekordhalter, könnte in einer Pikosekunde nicht einmal einen Millimeter zurücklegen, sondern würde gerade einmal 0,3 Millimeter schaffen.

Blind für die Details

Auch für die Elektronik ist eine Pikosekunde entschieden zu kurz. Mögen die Wege auf raffinierten Hightech-Chips auch winzig sein ... es dauert schlichtweg zu lange, bis elektronische Transistoren geschaltet haben und elektronische Ströme geflossen sind. Was die Messinstrumente der Forscher für vieles blind macht. Denn Details, die weniger als 30 Pikosekunden andauern, bekommen elektronische Geräte einfach nicht mit. Nötig wäre ein anderer Informationsträger, mit dem Daten aufgenommen, transportiert und verrechnet werden können und der vor allem eines ist: schneller.

Das trifft natürlich auf das Licht zu, und so bemühen sich Wissenschaftler auf der ganzen Welt, Schaltungen zu konstruieren, die statt mit Elektronen mit Photonen rechnen. Die so genannte Photonik soll alle Geschwindigkeitsrekorde der Elektronik weit in den Schatten stellen. Doch die revolutionäre Idee sieht sich mit handfesten Problemen konfrontiert, denn zum einen sind Photonen nicht so pflegeleicht wie Elektronen, und zum anderen müssen Photonik und Elektronik irgendwie miteinander kommunizieren, damit der forschende Mensch etwas mit den flinken Daten anfangen kann. Vertrackte Aufgaben, deretwegen die Wissenschaft zur Zeit noch immer auf ihre photonischen Wunderinstrumente wartet.

Aber anscheinend bahnt sich ganz langsam ein Durchbruch an. Etwa bei den Oszilloskopen – seit Jahrzehnten eines der Standardgeräte eines ordentlichen Labors. Alexander Gaeta und sein Team von der Cornell University in Ithaca, New York, haben ein auf der Photonik basierendes Oszilloskop entwickelt, das in einem mehr als 100 Pikosekunden langen Signal noch Änderungen aufspüren kann, die bis zu 0,22 Pikosekunden anhalten. Das ist mindestens fünfmal besser als bei vorherigen Geräten, berichten die Forscher.

Zeitlinsen und nichtlineare Optik

Der Trick ihres Verfahrens liegt darin, das Messsignal durch eine "Zeitlinse" zu schicken. Was im Versuchsaufbau noch einigermaßen harmlos aussieht – ein Laser, etwas Lichtleiter und ein Siliziumchip –, nutzt im Betrieb komplizierte nichtlineare optische Effekte wie die Vier-Wellen-Mischung, die mit dem zeitlichen Verlauf einer elektromagnetischen Welle das machen, was eine Lupe mit dem räumlichen Verlauf macht: Sie verbreitern ihn.

Dass die Zeitlinse tatsächlich funktioniert, wiesen die Physiker mit verschieden geformten Lichtwellen aus einem ultraschnellen Laser nach. Egal, ob dessen Pulse direkt in das Oszilloskop gingen, durch Lichtleiter mussten oder miteinander überlagert wurden – sie alle wurden mit jedem Auf und Ab registriert.

Für das gewöhnliche Schullabor ist das neue Oszilloskop sicherlich kaum geeignet. Aber die Wissenschaftler sind zuversichtlich, dass sie ihren Prototyp bald auf einen einzelnen Chip bannen können. Und dann wäre es nicht mehr weit zu einem kommerziellen System für ambitionierte Hochgeschwindigkeitsforscher – die schon sehnsüchtig auf ihre schnelle Zeitlinse warten dürften.

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