Klimaforschung: Sein heißestes Jahr
Im Mittelpunkt der so genannten Climategate-Affäre im November 2009 stand der britische Klimaforscher Phil Jones. Die gehackten E-Mails brachten sein Leben völlig durcheinander – nun versucht er, es wieder in geordnete Bahnen zu lenken.
Vor zwölf Monaten war Phil Jones noch ein umtriebiger, aber nicht unbedingt besonders freimütiger Klimaforscher, der als Leiter der Climatic Research Unit (CRU) der University of East Anglia in Norwich mit dem britischen Wetterdienst kooperierte: Er trug Wetterdaten aus der ganzen Welt zusammen, um daraus monatliche Diagramme der globalen Durchschnittstemperaturen zu erstellen. Vieles ging ihm im Kopf herum – zum Beispiel ein rätselhafter Temperatursturz im Oberflächenwasser des Nordatlantiks Mitte des 20. Jahrhunderts, den er erst kurz zuvor zusammen mit Kollegen entdeckt hatte: eine merkwürdige Beobachtung, doch Jones sollte bald über weit größere Dinge grübeln müssen.
In Windeseile stürzten sich Mitglieder der Skeptikergemeinde auf diese Nachrichten – als Beleg, dass Jones und seine Kollegen Schwachstellen in ihren Temperaturdaten vertuscht und die strengen Auswahlkriterien von Fachzeitungen missbraucht hätten, um kritische Stimmen unter den Klimaforschern mundtot zu machen. Jones blies plötzlich ein Sturm aus Anschuldigungen ins Gesicht, die von wissenschaftlichem Fehlverhalten bis zur Planung einer autokratischen Weltregierung reichten – sie sollte über die Verbreitung hysterischer Falschmeldungen zum Klimawandel installiert werden. Er erhielt mehr als 200 beleidigende E-Mails, einige bedrohten ihn persönlich oder seine Familie. "Irgendwer wird dich irgendwo zur Strecke bringen", lautete eine. "Du stehst jetzt auf einer Abschussliste", eine andere. "Stell dich darauf ein, dass wir mal vorbeikommen und 'Hallo' sagen", eine dritte.
Die gehackten E-Mails zogen auch verschiedene Untersuchungen nach sich – darunter eine des britischen Parlaments, das letztlich feststellte, dass Jones keine ernst zu nehmenden Verfehlungen begangen hatte: Akte geschlossen – aber nicht für den Forscher, der sich immer noch Attacken von Kritikern ausgesetzt sieht und mit dem näher rückenden Jahrestag auf unwillkommene Erinnerungen einstellen muss. Jones fühlte sich nie wohl in Gegenwart der Medien und gab daher nur sehr wenige Interviews, seit die Affäre begonnen hatte. Doch als Teil seiner Vergangenheitsbewältigung erklärte sich der Wissenschaftler nun bereit, "Nature" ausführlich Rede und Antwort zu stehen.
Nahe am Kollaps
Der 58-jährige Jones sieht mittlerweile auch wieder viel besser aus als letzten Winter, als er sogar daran dachte, Suizid zu begehen. Kollegen beobachteten fassungslos seinen Verfall, denn Jones galt zwar nie als extrovertiert, doch nun zog er sich immer mehr zurück – und sein psychischer Zusammenbruch ließ sich an seinem rasanten Gewichtsverlust ablesen. Im März 2010, als ein zerbrechlich wirkender und zögerlicher Jones vor den parlamentarischen Untersuchungsausschuss trat, fühlten sich viele Beobachter an David Kelly erinnert, dessen betrübliches Schicksal 2003 Schlagzeilen gemacht hatte. Der britische Militärexperte Kelly war damals als Presseinformant enttarnt worden, der Medienberichte über die regierungsseitig übertriebene Darstellung des irakischen Arsenals an Massenvernichtungswaffen möglich gemacht hat. Nachdem ihn das Parlament dazu vernommen hatte, nahm er sich das Leben. "Ich sah mich in der gleichen Situation, sprach aber nicht darüber", erzählt der Forscher.
In der Zwischenzeit legte er wieder an Gewicht zu, und er nimmt nicht mehr Medikamente, die ihn tagsüber beruhigten und nachts schliefen ließen. An der CRU nahm er seine Leitungsfunktion wieder auf, nachdem er diesen acht Monate bis zum Abschluss der Ermittlungen hatte ruhen lassen. Wie haben ihn die Ereignisse des letzten Jahres verändert?
CRU stand schon lange im Auge des Orkans
Besucher sind oft erstaunt darüber, wie klein die CRU ist, an der nur drei Wissenschaftler mit einer Vollzeitstelle arbeiten. Jones' Büro befindet sich im Obergeschoss, sein Kollege und Experte für Baumringdaten Keith Briffa sitzt im Zimmer gegenüber. Und der Klimatologe Tim Osborn kämpft mit einem altbekannten Problem: "Mein Posteingang läuft über und ich müsste ein paar Mails löschen – doch ich darf nicht. Oder?"
Die Temperaturdaten der Forscher waren Kernstück vieler Studien, mit denen nach und nach die Anzeichen der menschengemachten Erderwärmung identifiziert und analysiert wurden. Die wachsende Bedeutung ihrer Arbeiten machte Jones und sein Team zunehmend zur Zielscheibe für Blogger, die ihre Methoden und die daraus gezogenen Schlüsse anzweifelten. Schon lange vor "Climategate" wurden die CRU-Mitarbeiter deswegen von Skeptikern außerhalb der Wissenschaft angefeindet.
Eine unabhängige Untersuchungskommission unter Vorsitz von Alastair Muir Russell, dem ehemaligen Rektor und Vizekanzler der University of Glasgow, suchte gezielt nach Hinweisen, ob die CRU ihre Daten gefälscht oder frisiert hatte. Sie deckten jedoch keinerlei Fehlverhalten auf. Allerdings missbilligte die Kommission, wie die Forscher Bitten nach den Rohdaten beantworteten beziehungsweise dass sie mitunter überhaupt nicht reagierten. Ihr Bericht hebt hervor, dass es ein "fortgesetztes Fehlverhalten" gab, wenn es darum ging, Material in angemessener Zeit öffentlich zur Verfügung zu stellen.
Auch einige Wissenschaftler unterstreichen dies, zum Beispiel Mike Hulme, der von 1988 bis 2000 an der CRU arbeitete. Dort habe bisweilen eine ungesunde und unkluge Kultur geherrscht, so Hulme, der besonders die langsame und mitunter nicht nachvollziehbare Beantwortung von Datenanfragen moniert. Er betont aber auch, dass "an der CRU definitiv nicht betrogen wurde und es auch keinerlei Rechtfertigung für die persönlichen Angriffe gegen ihre Mitarbeiter gibt".
"Ab 2003 oder 2004 beantwortete ich Anfragen zu unserem Material, aber diese wurden immer mehr und kosteten mich schließlich zu viel Zeit. Ab diesem Moment liefen die Dinge schief", verteidigt sich Jones mit Blick auf die Frage, wie offen Forscher für derartige Wünsche sein sollen. Als er bemerkte, dass die verlangten Daten nicht genutzt wurden, zog er die Reißleine und erfüllte nicht mehr alle Wünsche – was ihn allerdings kaum von Kollegen unterscheide, so Jones. "Manche von mir angeschriebenen Forscher haben sich ebenfalls nie gemeldet und von mir erbetene Artikel oder Daten nie gesendet. Deshalb denke ich, dass wir uns eigentlich angemessen verhalten haben." Zu den Zeit raubenden Anfragen kämen noch Lehraufträge, Verwaltungstätigkeiten oder die Begutachtung von Veröffentlichungen, was alles die Zeit für Forschung einschränke.
"Handfeste Diskussionen"
Jones vermied es daher nach Möglichkeit, eingereichte Forschungsarbeiten zu überprüfen. Tat er dies tatsächlich doch, dann versuche er sein "Möglichstes", dass missliebige Arbeiten nicht veröffentlicht würden, wie die gestohlenen Mails enthüllten. Der Muir-Russel-Bericht deckte allerdings keinen derartigen Fall auf und argumentierte, dass "handfeste" Diskussionen in der Wissenschaft durchaus üblich seien. Jones ergänzt, dass er schon vor langer Zeit gelernt habe, dass man Herausgebern gegenüber sehr bestimmt auftreten müsse, da in der Vergangenheit immer wieder Aufsätze unverändert veröffentlicht wurden, obwohl er sie kritisch bewertet hatte.
Ein Punkt, mit dem Kritiker Jones weiterhin piesacken, ist sein Umgang mit Mails, die er wegen des so genannten "Freedom of Information Process" angeblich nicht hätte löschen dürfen – dem Recht auf freien Zugang zu öffentlichen Daten. Jones beharrt darauf, dass er niemals dagegen verstoßen hat, da dies einer Straftat gleichkäme. Allerdings wurden in der CRU Mails entfernt, die zukünftig vielleicht unter diesen Rechtsanspruch hätten fallen können – was der Muir-Russel-Bericht tadelt, aber eigentlich auch kein Vergehen darstellt.
Mehr gestohlene Mails?
Aber warum drängte er dann auch Kollegen dazu, ihre Korrespondenz zu löschen, in der sie unter anderem die Vorbereitung eines Berichts für den Weltklimarat diskutierten? Ein Versuch, Kritiker aufs Kreuz zu legen? "Das war damals wohl reiner Trotz, antwortet Jones: "Wir dachten einfach, wenn sie nach mehr Material fragen, dann haben wir das halt nicht." Hatte Jones also doch das Gesetz gebrochen? "Nein, nicht unbedingt, wenn man die Mails vorher vernichtet. Denn man weiß ja nicht, worüber später Auskunft verlangt wird", sagt er. "Ich habe sie nach ihrem Posteingangsdatum gelöscht – einfach, um ihre Zahl unter Kontrolle zu halten."
Laut einem der CRU nahe stehenden Informanten ist es nahezu unmöglich herauszufinden, wer was wann und vor allem warum gelöscht hat. Eindeutiger scheint dagegen, dass der Server auf ausgeklügelte Weise gehackt wurde. Polizei und Universität verweisen darauf, dass die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen sind. "Nature" liegen jedoch Hinweise vor, dass es kein Leck in der CRU gab, wie manche behaupteten. Zudem sollen auch andere Klimaforschungsinstitutionen gegenüber der Polizei angegeben haben, dass ihre Computersysteme zur gleichen Zeit – erfolglos – angegriffen worden waren.
Jones und seine Mitstreiter von der CRU fürchten deshalb, dass die Hacker noch mehr gestohlene Mails in petto haben, doch er ist sich sicher, dass das Schlimmste hinter ihm liegt: "Ich möchte dies eigentlich nicht noch einmal durchstehen müssen. Beim zweiten Mal wäre ich aber wohl etwas abgehärtet." Gibt es denn etwas, dass er anderen Wissenschaftlern raten möchte, sollte sie in eine Situation kommen? "Eines möchte ich betonen: Gleich was man auch versucht, die Spielregeln verändern sich ständig." Sobald ein Kritikpunkt ausgeräumt sei, tauche der nächste auf.
Jones fügt jetzt sein damals zerrüttetes berufliches und Privatleben wieder Stück für Stück zusammen. Die Entdeckung der plötzlichen atlantischen Abkühlung erschien kürzlich bei "Nature", und er nimmt auch wieder an Konferenzen teil. Und er hat erkannt, dass die Mauern seiner wissenschaftlichen Trutzburg ihn nicht völlig vor der Außenwelt schützen können.
Am 19. November 2009 veröffentlichte ein Unbekannter rund 1000 E-Mails und Dokumente, die er von einem Server der CRU gestohlen hatte. Darunter befanden sich viele private Nachrichten von Jones, die ihn mitunter in einem unvorteilhaften Licht erscheinen ließen. Er ließ sich hämisch über den Tod eines prominenten Klimaskeptikers aus und schlug Kollegen vor, sie sollten E-Mails löschen, um Skeptikern den Zugang zu Informationen zu verwehren. Die größten Wellen schlug seine lautstarke Verlautbarung, er hätte einen "Trick" angewendet, um sinkende Temperaturen in einem Diagramm zu "verstecken".
In Windeseile stürzten sich Mitglieder der Skeptikergemeinde auf diese Nachrichten – als Beleg, dass Jones und seine Kollegen Schwachstellen in ihren Temperaturdaten vertuscht und die strengen Auswahlkriterien von Fachzeitungen missbraucht hätten, um kritische Stimmen unter den Klimaforschern mundtot zu machen. Jones blies plötzlich ein Sturm aus Anschuldigungen ins Gesicht, die von wissenschaftlichem Fehlverhalten bis zur Planung einer autokratischen Weltregierung reichten – sie sollte über die Verbreitung hysterischer Falschmeldungen zum Klimawandel installiert werden. Er erhielt mehr als 200 beleidigende E-Mails, einige bedrohten ihn persönlich oder seine Familie. "Irgendwer wird dich irgendwo zur Strecke bringen", lautete eine. "Du stehst jetzt auf einer Abschussliste", eine andere. "Stell dich darauf ein, dass wir mal vorbeikommen und 'Hallo' sagen", eine dritte.
Die gehackten E-Mails zogen auch verschiedene Untersuchungen nach sich – darunter eine des britischen Parlaments, das letztlich feststellte, dass Jones keine ernst zu nehmenden Verfehlungen begangen hatte: Akte geschlossen – aber nicht für den Forscher, der sich immer noch Attacken von Kritikern ausgesetzt sieht und mit dem näher rückenden Jahrestag auf unwillkommene Erinnerungen einstellen muss. Jones fühlte sich nie wohl in Gegenwart der Medien und gab daher nur sehr wenige Interviews, seit die Affäre begonnen hatte. Doch als Teil seiner Vergangenheitsbewältigung erklärte sich der Wissenschaftler nun bereit, "Nature" ausführlich Rede und Antwort zu stehen.
Nahe am Kollaps
Der 58-jährige Jones sieht mittlerweile auch wieder viel besser aus als letzten Winter, als er sogar daran dachte, Suizid zu begehen. Kollegen beobachteten fassungslos seinen Verfall, denn Jones galt zwar nie als extrovertiert, doch nun zog er sich immer mehr zurück – und sein psychischer Zusammenbruch ließ sich an seinem rasanten Gewichtsverlust ablesen. Im März 2010, als ein zerbrechlich wirkender und zögerlicher Jones vor den parlamentarischen Untersuchungsausschuss trat, fühlten sich viele Beobachter an David Kelly erinnert, dessen betrübliches Schicksal 2003 Schlagzeilen gemacht hatte. Der britische Militärexperte Kelly war damals als Presseinformant enttarnt worden, der Medienberichte über die regierungsseitig übertriebene Darstellung des irakischen Arsenals an Massenvernichtungswaffen möglich gemacht hat. Nachdem ihn das Parlament dazu vernommen hatte, nahm er sich das Leben. "Ich sah mich in der gleichen Situation, sprach aber nicht darüber", erzählt der Forscher.
In der Zwischenzeit legte er wieder an Gewicht zu, und er nimmt nicht mehr Medikamente, die ihn tagsüber beruhigten und nachts schliefen ließen. An der CRU nahm er seine Leitungsfunktion wieder auf, nachdem er diesen acht Monate bis zum Abschluss der Ermittlungen hatte ruhen lassen. Wie haben ihn die Ereignisse des letzten Jahres verändert?
Obwohl andere Forscher rasch den aufkommenden Zweifeln am menschengemachten Klimawandel widersprachen, stand kaum jemand auf, um Jones selbst zu unterstützen. Viele wichtige Persönlichkeiten der britischen Wissenschaftsgemeinde ließen öffentlich verlautbaren, dass sie damit den Ermittlungen nicht vorgreifen wollten. Hinter der Hand verwiesen sie jedoch auf den abwertenden Ton der Mails – und sollte der CRU-Leiter wegen Fehlverhaltens stürzen, wollten sie nicht mitgerissen werden. "Ich erhielt viel Zuspruch von Kollegen. Doch ich wunderte mich auch, warum sie sich nicht ebenso an die Medien wandten und dort die gleichen Dinge erzählten, die sie mir sagten", meint Jones.
CRU stand schon lange im Auge des Orkans
Besucher sind oft erstaunt darüber, wie klein die CRU ist, an der nur drei Wissenschaftler mit einer Vollzeitstelle arbeiten. Jones' Büro befindet sich im Obergeschoss, sein Kollege und Experte für Baumringdaten Keith Briffa sitzt im Zimmer gegenüber. Und der Klimatologe Tim Osborn kämpft mit einem altbekannten Problem: "Mein Posteingang läuft über und ich müsste ein paar Mails löschen – doch ich darf nicht. Oder?"
Die Temperaturdaten der Forscher waren Kernstück vieler Studien, mit denen nach und nach die Anzeichen der menschengemachten Erderwärmung identifiziert und analysiert wurden. Die wachsende Bedeutung ihrer Arbeiten machte Jones und sein Team zunehmend zur Zielscheibe für Blogger, die ihre Methoden und die daraus gezogenen Schlüsse anzweifelten. Schon lange vor "Climategate" wurden die CRU-Mitarbeiter deswegen von Skeptikern außerhalb der Wissenschaft angefeindet.
Eine unabhängige Untersuchungskommission unter Vorsitz von Alastair Muir Russell, dem ehemaligen Rektor und Vizekanzler der University of Glasgow, suchte gezielt nach Hinweisen, ob die CRU ihre Daten gefälscht oder frisiert hatte. Sie deckten jedoch keinerlei Fehlverhalten auf. Allerdings missbilligte die Kommission, wie die Forscher Bitten nach den Rohdaten beantworteten beziehungsweise dass sie mitunter überhaupt nicht reagierten. Ihr Bericht hebt hervor, dass es ein "fortgesetztes Fehlverhalten" gab, wenn es darum ging, Material in angemessener Zeit öffentlich zur Verfügung zu stellen.
Auch einige Wissenschaftler unterstreichen dies, zum Beispiel Mike Hulme, der von 1988 bis 2000 an der CRU arbeitete. Dort habe bisweilen eine ungesunde und unkluge Kultur geherrscht, so Hulme, der besonders die langsame und mitunter nicht nachvollziehbare Beantwortung von Datenanfragen moniert. Er betont aber auch, dass "an der CRU definitiv nicht betrogen wurde und es auch keinerlei Rechtfertigung für die persönlichen Angriffe gegen ihre Mitarbeiter gibt".
"Ab 2003 oder 2004 beantwortete ich Anfragen zu unserem Material, aber diese wurden immer mehr und kosteten mich schließlich zu viel Zeit. Ab diesem Moment liefen die Dinge schief", verteidigt sich Jones mit Blick auf die Frage, wie offen Forscher für derartige Wünsche sein sollen. Als er bemerkte, dass die verlangten Daten nicht genutzt wurden, zog er die Reißleine und erfüllte nicht mehr alle Wünsche – was ihn allerdings kaum von Kollegen unterscheide, so Jones. "Manche von mir angeschriebenen Forscher haben sich ebenfalls nie gemeldet und von mir erbetene Artikel oder Daten nie gesendet. Deshalb denke ich, dass wir uns eigentlich angemessen verhalten haben." Zu den Zeit raubenden Anfragen kämen noch Lehraufträge, Verwaltungstätigkeiten oder die Begutachtung von Veröffentlichungen, was alles die Zeit für Forschung einschränke.
"Handfeste Diskussionen"
Jones vermied es daher nach Möglichkeit, eingereichte Forschungsarbeiten zu überprüfen. Tat er dies tatsächlich doch, dann versuche er sein "Möglichstes", dass missliebige Arbeiten nicht veröffentlicht würden, wie die gestohlenen Mails enthüllten. Der Muir-Russel-Bericht deckte allerdings keinen derartigen Fall auf und argumentierte, dass "handfeste" Diskussionen in der Wissenschaft durchaus üblich seien. Jones ergänzt, dass er schon vor langer Zeit gelernt habe, dass man Herausgebern gegenüber sehr bestimmt auftreten müsse, da in der Vergangenheit immer wieder Aufsätze unverändert veröffentlicht wurden, obwohl er sie kritisch bewertet hatte.
Ein Punkt, mit dem Kritiker Jones weiterhin piesacken, ist sein Umgang mit Mails, die er wegen des so genannten "Freedom of Information Process" angeblich nicht hätte löschen dürfen – dem Recht auf freien Zugang zu öffentlichen Daten. Jones beharrt darauf, dass er niemals dagegen verstoßen hat, da dies einer Straftat gleichkäme. Allerdings wurden in der CRU Mails entfernt, die zukünftig vielleicht unter diesen Rechtsanspruch hätten fallen können – was der Muir-Russel-Bericht tadelt, aber eigentlich auch kein Vergehen darstellt.
Mehr gestohlene Mails?
Aber warum drängte er dann auch Kollegen dazu, ihre Korrespondenz zu löschen, in der sie unter anderem die Vorbereitung eines Berichts für den Weltklimarat diskutierten? Ein Versuch, Kritiker aufs Kreuz zu legen? "Das war damals wohl reiner Trotz, antwortet Jones: "Wir dachten einfach, wenn sie nach mehr Material fragen, dann haben wir das halt nicht." Hatte Jones also doch das Gesetz gebrochen? "Nein, nicht unbedingt, wenn man die Mails vorher vernichtet. Denn man weiß ja nicht, worüber später Auskunft verlangt wird", sagt er. "Ich habe sie nach ihrem Posteingangsdatum gelöscht – einfach, um ihre Zahl unter Kontrolle zu halten."
Laut einem der CRU nahe stehenden Informanten ist es nahezu unmöglich herauszufinden, wer was wann und vor allem warum gelöscht hat. Eindeutiger scheint dagegen, dass der Server auf ausgeklügelte Weise gehackt wurde. Polizei und Universität verweisen darauf, dass die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen sind. "Nature" liegen jedoch Hinweise vor, dass es kein Leck in der CRU gab, wie manche behaupteten. Zudem sollen auch andere Klimaforschungsinstitutionen gegenüber der Polizei angegeben haben, dass ihre Computersysteme zur gleichen Zeit – erfolglos – angegriffen worden waren.
Jones und seine Mitstreiter von der CRU fürchten deshalb, dass die Hacker noch mehr gestohlene Mails in petto haben, doch er ist sich sicher, dass das Schlimmste hinter ihm liegt: "Ich möchte dies eigentlich nicht noch einmal durchstehen müssen. Beim zweiten Mal wäre ich aber wohl etwas abgehärtet." Gibt es denn etwas, dass er anderen Wissenschaftlern raten möchte, sollte sie in eine Situation kommen? "Eines möchte ich betonen: Gleich was man auch versucht, die Spielregeln verändern sich ständig." Sobald ein Kritikpunkt ausgeräumt sei, tauche der nächste auf.
Jones fügt jetzt sein damals zerrüttetes berufliches und Privatleben wieder Stück für Stück zusammen. Die Entdeckung der plötzlichen atlantischen Abkühlung erschien kürzlich bei "Nature", und er nimmt auch wieder an Konferenzen teil. Und er hat erkannt, dass die Mauern seiner wissenschaftlichen Trutzburg ihn nicht völlig vor der Außenwelt schützen können.
Schreiben Sie uns!
Beitrag schreiben