Zoologie: Selbstmedikation auf Larvenart
Heilen mit den Kräften der Natur, möglichst durch den Verzehr gesunden Grünzeugs - das ist der Wunsch vieler Menschen. Eine Schmetterlingsraupe macht es bereits vor.
Wenn sie sich mit Appetit über den Kohl, die Karotten oder die Zierpflanzen hermachen, greift so mancher Hobby-Gärtner gerne zur Giftkeule. Ähnlich sieht es im konventionellen Gemüse-, Obst- und Blumenanbau oder in der Forstwirtschaft aus: Sobald die Larven von Kohlweißlingen, Schwammspinnern oder Schwalbenschwänzen sich auf saftiges Grün stürzen, naht meist auch schon die Giftspritze. Dazu wehrt sich die Natur selbst mit einem ganzen Arsenal an chemischen und biologischen Waffen, die dem vermeintlichen oder tatsächlichen Schädling den Garaus bereiten können: von Vogelschnäbeln über Schlupfwespen bis hin zu tödlich giftigen Alkaloiden – der Weg bis zum Falter ist ein gefährlich langer.
Aber ist das Ende der Larve nun wirklich besiegelt? Oder bietet sich ihr nicht vielleicht doch noch ein Ausweg an? Untersuchungen von Elizabeth Bernays von der Universität von Arizona und Michael Singer von der Wesleyan-Universität in Connecticut an Raupen der Bärenspinnerspezies Grammia geneura und Estigmene acrea in Arizona geben darüber wichtige Hinweise.
Die beiden ausgewählten Schmetterlingsarten bewohnen Grasländer im Südwesten der Vereinigten Staaten, wo sie sich von einer Vielzahl unterschiedlicher Pflanzen ernähren – sie sind Generalisten. Gleichzeitig werden sie von verschiedenen Parasiten befallen, die ihnen letztendlich tödliche Wunden zufügen. Die Larven wissen sich jedoch zu wehren: Sie setzen auf in ihrem Körper gespeicherte so genannte Pyrrolizidin-Alkaloide, die sie beim Verzehr einer ihrer Lieblingspflanzen, des Korbblütlers Senecio longilobus, aufgenommen haben und die eigentlich der Pflanze selbst zur Abwehr von Fressfeinden dienen sollten.
Der Bärenspinnernachwuchs kann diese Stoffe sogar auf Grund hoch spezialisierter und sehr empfindlicher Geschmacksrezeptoren in extrem niedrigen Konzentrationen im Grünzeug ausfindig machen, was sein Fressverhalten dann an exakt dieser Nahrung anregt. Die Raupe von Grammia geneura speichert während ihres Stoffwechsels zudem Iridoid-Glykoside – Bitterstoffe, die an Zucker gebunden sind –, die wiederum die Rezeptorzellen für Saccharose zu erhöhter Aktivität veranlassen. Im Endeffekt heizt das die Lust der Larve auf den iridoidhaltige Plantago insularis an – der Wegerich liefert bekanntermaßen Chemikalien zum Schutze gegen Räuber.
Dadurch ist schon ein gewisser Schutz für die Raupen gegeben, aber ist das nicht nur ein zufälliger positiver Nebeneffekt ihrer Essensgewohnheiten? Um das zu testen, sammelten die beiden Wissenschaftler gesunde und mit Parasiten infizierte Larven beider Arten in der Natur ein, separierten ihre Geschmackszellen, setzten sie unterschiedlichen Inhaltsstoffen aus und beobachteten dabei, wie deren Reaktion jeweils ausfiel.
Und tatsächlich scheint das Vorhandensein von Schmarotzern im Körper den Hunger der Raupen auf Pyrrolizidin-Alkaloide und Iridoid-Glykoside mächtig zu steigern: Bei beiden Arten zeigten die spezifischen Rezeptoren der befallenen Individuen deutlich erhöhte Aktivität, verglichen mit denen gesunder Artgenossen. Diese positive Antwort ihrer Sinneszellen veranlasst die Tiere letztendlich, verstärkt dieses natürliche Anti-Parasitikum zu konsumieren – mehr noch: Gleichzeitig verringerte sich nach den Messungen die Empfänglichkeit für Pflanzentoxine wie Koffein, sodass sie zusätzlich auf ansonsten ungenießbare Gewächse ausweichen können, die ihnen ein Plus an gewünschten Giften versprechen.
Zucker dagegen, die ansonsten den Appetit der Kerfe anheizen, hatten keinerlei Auswirkungen auf die Reaktion der Geschmacksrezeptoren, und das obwohl die Empfänglichkeit hierfür auf den gleichen Nervenenden liegt wie die für die Iridoide. Der von den Feinden im Körperinneren ausgelöste Diätwechsel betrifft nach Meinung der Wissenschaftler somit nicht die gesamte Sinneszelle, sondern nur bestimmte Rezeptorproteine oder deren sekundäre Botenstoffe.
Die Raupen suchen also bewusst jene Pflanzengifte, die in ausreichender Dosis die natürlichen Feinde in ihrem Körper abtöten können, setzen sie gezielt ein und eröffnen damit ein neues Experimentierfeld der Evolution zwischen Wirt und Parasit. Hobby- und Profi-Pflanzenzüchter dürfte dieses allerdings weniger erfreuen als Biologen, doch ein kleiner Trost bleibt ihnen: Aus vielen Raupen entstehen später ansehnliche Schmetterlinge.
Widerstandslos ergeben sich die Raupen allerdings nicht ihrem Schicksal, denn nicht wenige setzen aufgenommene Pflanzengifte zum Eigenschutz ein und warnen potenzielle Fressfeinde durch schrille Farben vor ihrer Ungenießbarkeit. Andere wiederum bilden lange Haare aus, die bei Kontakt entweder unangenehm nesseln oder das ganze Tier so unappetitlich machen, dass es von hungrigen Schnäbeln lieber verschmäht wird. Parasitäre Insekten sind da jedoch weniger schreckhaft; mit langen Legestacheln etwa können sie den für die eigene Brut auserwählten Schmetterlingsnachwuchs mit ihren Eiern impfen: Der Raupe droht anschließend ein langes Martyrium als wandelndes Futter.
Aber ist das Ende der Larve nun wirklich besiegelt? Oder bietet sich ihr nicht vielleicht doch noch ein Ausweg an? Untersuchungen von Elizabeth Bernays von der Universität von Arizona und Michael Singer von der Wesleyan-Universität in Connecticut an Raupen der Bärenspinnerspezies Grammia geneura und Estigmene acrea in Arizona geben darüber wichtige Hinweise.
Die beiden ausgewählten Schmetterlingsarten bewohnen Grasländer im Südwesten der Vereinigten Staaten, wo sie sich von einer Vielzahl unterschiedlicher Pflanzen ernähren – sie sind Generalisten. Gleichzeitig werden sie von verschiedenen Parasiten befallen, die ihnen letztendlich tödliche Wunden zufügen. Die Larven wissen sich jedoch zu wehren: Sie setzen auf in ihrem Körper gespeicherte so genannte Pyrrolizidin-Alkaloide, die sie beim Verzehr einer ihrer Lieblingspflanzen, des Korbblütlers Senecio longilobus, aufgenommen haben und die eigentlich der Pflanze selbst zur Abwehr von Fressfeinden dienen sollten.
Der Bärenspinnernachwuchs kann diese Stoffe sogar auf Grund hoch spezialisierter und sehr empfindlicher Geschmacksrezeptoren in extrem niedrigen Konzentrationen im Grünzeug ausfindig machen, was sein Fressverhalten dann an exakt dieser Nahrung anregt. Die Raupe von Grammia geneura speichert während ihres Stoffwechsels zudem Iridoid-Glykoside – Bitterstoffe, die an Zucker gebunden sind –, die wiederum die Rezeptorzellen für Saccharose zu erhöhter Aktivität veranlassen. Im Endeffekt heizt das die Lust der Larve auf den iridoidhaltige Plantago insularis an – der Wegerich liefert bekanntermaßen Chemikalien zum Schutze gegen Räuber.
Dadurch ist schon ein gewisser Schutz für die Raupen gegeben, aber ist das nicht nur ein zufälliger positiver Nebeneffekt ihrer Essensgewohnheiten? Um das zu testen, sammelten die beiden Wissenschaftler gesunde und mit Parasiten infizierte Larven beider Arten in der Natur ein, separierten ihre Geschmackszellen, setzten sie unterschiedlichen Inhaltsstoffen aus und beobachteten dabei, wie deren Reaktion jeweils ausfiel.
Und tatsächlich scheint das Vorhandensein von Schmarotzern im Körper den Hunger der Raupen auf Pyrrolizidin-Alkaloide und Iridoid-Glykoside mächtig zu steigern: Bei beiden Arten zeigten die spezifischen Rezeptoren der befallenen Individuen deutlich erhöhte Aktivität, verglichen mit denen gesunder Artgenossen. Diese positive Antwort ihrer Sinneszellen veranlasst die Tiere letztendlich, verstärkt dieses natürliche Anti-Parasitikum zu konsumieren – mehr noch: Gleichzeitig verringerte sich nach den Messungen die Empfänglichkeit für Pflanzentoxine wie Koffein, sodass sie zusätzlich auf ansonsten ungenießbare Gewächse ausweichen können, die ihnen ein Plus an gewünschten Giften versprechen.
Zucker dagegen, die ansonsten den Appetit der Kerfe anheizen, hatten keinerlei Auswirkungen auf die Reaktion der Geschmacksrezeptoren, und das obwohl die Empfänglichkeit hierfür auf den gleichen Nervenenden liegt wie die für die Iridoide. Der von den Feinden im Körperinneren ausgelöste Diätwechsel betrifft nach Meinung der Wissenschaftler somit nicht die gesamte Sinneszelle, sondern nur bestimmte Rezeptorproteine oder deren sekundäre Botenstoffe.
Die Raupen suchen also bewusst jene Pflanzengifte, die in ausreichender Dosis die natürlichen Feinde in ihrem Körper abtöten können, setzen sie gezielt ein und eröffnen damit ein neues Experimentierfeld der Evolution zwischen Wirt und Parasit. Hobby- und Profi-Pflanzenzüchter dürfte dieses allerdings weniger erfreuen als Biologen, doch ein kleiner Trost bleibt ihnen: Aus vielen Raupen entstehen später ansehnliche Schmetterlinge.
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