Nobelpreise 2004: Sortiersignale der Abfallwirtschaft
Zwei Israelis und ein US-Amerikaner deckten die Grundlagen des Mechanismus auf, über den Zellen ihre unnütz gewordenen Proteine dem biologischen Reißwolf überantworten. Dafür werden die Forscher mit dem diesjährigen Nobelpreis für Chemie ausgezeichnet.
Manche segensreiche Einrichtung wird von uns Menschen unterschätzt und übersehen, bis sie nicht mehr funktioniert – etwa die Müllabfuhr. Umso mehr stinkt uns, wenn sie einmal in Streik tritt: Räumt niemand unseren tagtäglich anfallenden Abfall beiseite, dann wird es ziemlich schnell ziemlich ungemütlich.
Ähnliches gilt auf dem Gebiet der Zellforschung. Und auch Wissenschaftler sind offenbar zunächst einmal nur Menschen mit voraussehbaren Vorlieben – auch sie interessierten sich in den zurückliegenden Jahrzehnten biochemischer Forschung mehrheitlich weniger darum, wer den zellulären Müll rausbringt, als um die Details der – auch durchaus spannenden – biochemischen Eiweiß-Aufbauprozesse, die in jeder Zellen ablaufen. Logische Konsequenz: Für die Erforschung von Proteinaufbauprozesse konnten bis heute nicht weniger als fünf Nobelpreise verliehen werden – für die Untersuchung des Proteinabbaus kein einziger. Bis jetzt.
Wie die Wissenschaftler im Jahr 1983 in ihrer bahnbrechenden "mehrschrittigen Ubiquitin-Markierungs-Hypothese" darstellen konnten, sind an der Kennzeichnung des Eiweiß-Abfalls mit einem Polyubiquitinsignal drei Gruppen von Enzymen beteiligt, die Vertreter der Proteinfamilien E1, E2 und E3.
Wie wichtig der damit aufgedeckte Müllabfuhr-Mechanismus für eine Zelle ist, wurde in den vergangenen Jahren mehr und mehr deutlich. Heute ist die Masse der von Ubiquitin abhängigen Zellprozesse bereits kaum mehr überschaubar: Die Zellteilung, die Fremdbestäubung von Pflanzen, die DNA-Reparatur, der programmierte Zelltod, manche Immunreaktionen und eine Reihe von Krankheiten hängen auf eine oder andere Weise mit Ubiquitin und seinem von den Nobelpreisträgern beschriebenen Wirken zusammen.
Auf der Basis der von Hershko, Ciechanover und Rose aufgedeckten Prozesse arbeiten Forschergruppen weltweit daran, aus dem Ruder gelaufene zelluläre Prozesse in den Griff zu bekommen. Schädliche Proteine könnten etwa durch eine medikamentös provozierte Polyubiquitin-Markierung zum Abbau bestimmt werden. Andererseits lässt sich aber auch die Lebensdauer von Eiweißen in der Zelle dadurch verlängern, wenn die vorzeitige Kennzeichnung als Abfall verhindert wird. So hoffen Forscher beispielsweise, eine häufige Ursache der Mukoviszidose zu bekämpfen, bei der eine mutierte, aber durchaus funktionsfähige Form eines wichtigen Ionenkanals derart schnell ubiquitinmarkiert und abgebaut wird, dass es sein vorgesehenes Einsatzgebiet in der Zellen gar nicht erst erreicht. Den frühzeitigen Abbau dieses Kanals zu verhindern, könnte das Leiden der Patienten womöglich lindern.
Ganz analog versuchen Forscher auch die ubiquitinabhängige Zerstörung des zelleigenen Krebs-Schutzproteins p53 zu unterbinden, die einer tumorbildenden Papillomavirus-Infektion vorausgeht. Ohne die nun ausgezeichnete Grundlagenforschung der Nobelpreisträger, so das Stockholmer Komitee, hätten diese Ideen bis auf weiteres nicht reifen können – und das Verständnis eines der grundlegendsten Zellprozesse würde noch seiner Entdeckung harren.
Ähnliches gilt auf dem Gebiet der Zellforschung. Und auch Wissenschaftler sind offenbar zunächst einmal nur Menschen mit voraussehbaren Vorlieben – auch sie interessierten sich in den zurückliegenden Jahrzehnten biochemischer Forschung mehrheitlich weniger darum, wer den zellulären Müll rausbringt, als um die Details der – auch durchaus spannenden – biochemischen Eiweiß-Aufbauprozesse, die in jeder Zellen ablaufen. Logische Konsequenz: Für die Erforschung von Proteinaufbauprozesse konnten bis heute nicht weniger als fünf Nobelpreise verliehen werden – für die Untersuchung des Proteinabbaus kein einziger. Bis jetzt.
Nun aber erhalten die Israelis Avram Hershko und Aaron Ciechanover, sowie der US-Amerikaner Irwin Rose die Nobelpreis-Anerkennung für ihre Erforschung eines Signalweges, der den unverzichtbaren Abbau von nicht länger benötigten Eiweißen in der Zelle reguliert. Kernstück der zellulären Mülltrennung ist das Polypeptid Ubiquitin, ein Eiweiß aus 76 Aminosäuren. Schon 1975 wurde es erstmals isoliert, ohne dass damals aber jemand um die Bedeutung des Moleküls ahnte. Nach und nach entdeckte man das Polypeptid aber in mehr und mehr Geweben und Organismen, was dem Molekül schlussendlich zu seinem heutigen Namen verhalf – das lateinische ubique bedeutet "überall".
Die diesjährigen Nobelpreis-Laureaten beschäftigte das Überall-Molekül erstmals gegen Ende der 1970er Jahre während mehrerer Forschungsaufenthalte in den USA – heute sind Hershko und Ciechanover am israelischen Technion in Haifa, Rose an der Universität von Kalifornien in Irving beschäftigt. In einer Reihe von Arbeiten zeigten die Forscher seit damals nach und nach, auf welche Weise Ubiquitin am energieabhängigen Abbau zellulärer Proteine beteiligt ist: Mehrere Ubiquitinmoleküle müssen kovalent an das zu entsorgende Protein binden, um es so für den Abbau in den zellulären Müllverbrennungsanlagen freizugeben.
Wie die Wissenschaftler im Jahr 1983 in ihrer bahnbrechenden "mehrschrittigen Ubiquitin-Markierungs-Hypothese" darstellen konnten, sind an der Kennzeichnung des Eiweiß-Abfalls mit einem Polyubiquitinsignal drei Gruppen von Enzymen beteiligt, die Vertreter der Proteinfamilien E1, E2 und E3.
Dabei erkennen die hunderte verschiedenen E3-Varianten mit jeweils passenden Andockstellen die von ihnen spezifisch zu entsorgenden Proteine, sobald diese von E1 mit einem Ubiquitin-Schwanz markiert und von E2 antransportiert wurden. In menschlichen Zellen schafft jedes E3-Enzym dann die markierte Alt-Eiweißsorte, für die es zuständig ist, zu einem der rund 30 000 Proteasom-Müllschluckern, dem Ende der Müllentsorgungskette: Hier wird der Ubiquitinschwanz abgeschnitten und der Proteinmüll enzymatisch in kurze Aminosäureketten zerhackt.
Wie wichtig der damit aufgedeckte Müllabfuhr-Mechanismus für eine Zelle ist, wurde in den vergangenen Jahren mehr und mehr deutlich. Heute ist die Masse der von Ubiquitin abhängigen Zellprozesse bereits kaum mehr überschaubar: Die Zellteilung, die Fremdbestäubung von Pflanzen, die DNA-Reparatur, der programmierte Zelltod, manche Immunreaktionen und eine Reihe von Krankheiten hängen auf eine oder andere Weise mit Ubiquitin und seinem von den Nobelpreisträgern beschriebenen Wirken zusammen.
Auf der Basis der von Hershko, Ciechanover und Rose aufgedeckten Prozesse arbeiten Forschergruppen weltweit daran, aus dem Ruder gelaufene zelluläre Prozesse in den Griff zu bekommen. Schädliche Proteine könnten etwa durch eine medikamentös provozierte Polyubiquitin-Markierung zum Abbau bestimmt werden. Andererseits lässt sich aber auch die Lebensdauer von Eiweißen in der Zelle dadurch verlängern, wenn die vorzeitige Kennzeichnung als Abfall verhindert wird. So hoffen Forscher beispielsweise, eine häufige Ursache der Mukoviszidose zu bekämpfen, bei der eine mutierte, aber durchaus funktionsfähige Form eines wichtigen Ionenkanals derart schnell ubiquitinmarkiert und abgebaut wird, dass es sein vorgesehenes Einsatzgebiet in der Zellen gar nicht erst erreicht. Den frühzeitigen Abbau dieses Kanals zu verhindern, könnte das Leiden der Patienten womöglich lindern.
Ganz analog versuchen Forscher auch die ubiquitinabhängige Zerstörung des zelleigenen Krebs-Schutzproteins p53 zu unterbinden, die einer tumorbildenden Papillomavirus-Infektion vorausgeht. Ohne die nun ausgezeichnete Grundlagenforschung der Nobelpreisträger, so das Stockholmer Komitee, hätten diese Ideen bis auf weiteres nicht reifen können – und das Verständnis eines der grundlegendsten Zellprozesse würde noch seiner Entdeckung harren.
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