News: Spinnensprint
Warum sich mit zwei schweren, hinderlichen Tastern als Spermabehälter plagen, wenn einen nach dem Leeren des ersten sowieso das Zeitliche segnet? Die konsequente Reaktion: amputieren. Dann rennt sich's auch besser als Kugelspinnenmann.
Die Schwarze Witwe (Latrodectus ssp.) genießt einen mörderischen Ruf. Nach der Begattung, so heißt es, verschlingt sie den Vater ihrer Kinder mit Haut und Haar. Dabei ist der Brauch in dieser Sippe gar nicht so verbreitet – manche Spinnendamen verzichten ganz auf den Kannibalen-Nachtisch.
Anders sieht die Sache bei ihren kleinen Verwandten der Gattung Tidarren aus: Hier bedeutet Vaterschaft den sicheren Tod – und das auch noch nach vorangehender Entmannung. Denn bevor sich die hundertfach schwerere Mama in spe über den kleinen Happen hermacht, amputiert sie durch eine Drehung ihres Körpers den Taster des Männchens, mit dem es ihr seine wertvollen Spermien in eine der beiden weiblichen Geschlechtsöffnungen gestopft hat. Viel wird es davon wohl nicht mehr spüren, denn nach der anstrengenden Begattung sind die gerade einmal gut einen Millimeter kleinen Achtbeiner teilweise im wahrsten Sinne des Wortes zu Tode erschöpft.
Vielleicht auch ganz gut so, denn sonst müssten sie womöglich noch ihren Konkurrenten erleben. Schließlich begnügen sich Spinnenweibchen in der Regel nicht mit einem einzigen Partner – sie haben mindestens Platz für zwei Samenspenden. Dementsprechend sind normale Spinnenmännchen auch mit zwei Tastern oder Pedipalpen ausgestattet, jenen deutlich verdickten knubbeligen Fortsätzen am Kopf, die sofort das Geschlecht verraten. Tidarren-Männer aber haben nur einen. Warum?
Weil sie, wie schon lange bekannt, den anderen selbst amputieren, lautet die verblüffende Antwort. Kommt so ein Winzling in die Spinnenpubertät – zwischen der dritten und der vierten Häutung –, legen die Taster plötzlich an Größe gewaltig zu, bis sie schließlich ein Zehntel des Körpergewichts ausmachen. Nach der letzten Häutung ins Erwachsenenstadium wickeln die Männchen nun einen ihrer beiden Taster, rein zufällig ausgewählt, in einen Spinnenfaden ein und drehen sich so lange darum, bis sie ihn regelrecht abgeschnürt haben.
Stellt sich allerdings wieder die Frage: Warum? Margarita Ramos, Duncan Irschick und Terry Christenson von der Tulane University gingen das Problem von der sportlichen Seite an und schickten ihre Spinnenmännchen mit ein oder zwei Pedipalpen zum Wettrennen und zum Ausdauertest.
Im Sprintwettbewerb, bei dem die Forscher mit einer Mikropipette der Motivation etwas nachhelfen mussten, gewannen ganz eindeutig die bereits selbstamputierten Achtbeiner: Sie setzten sich auf der seidenen Rennbahn von fünf Zentimetern Länge mit durchschnittlich 3,8 Zentimeter pro Sekunde klar gegenüber den noch doppelt ausgestatteten Artgenossen durch, die im Mittel nur 2,7 Zentimeter pro Sekunde erreichten – das entspricht einem Geschwindigkeitszuwachs nach der Enttasterung von 44 Prozent.
Der weitaus härtere Ausdauertest ging manchen – vor allem Doppel-Pedipalpenträgern – dann so an die Nieren, dass sie irgendwann alle Achte von sich streckten und sich nicht mehr rührten. Kein Wunder, waren sie von Ramos und Co doch so lange mit einem kleinen Pinsel angeschubst worden, bis sie vor Erschöpfung zusammenbrachen und auch nach dem zehnten Piekser nicht mehr reagierten. Aber auch hier machte sich die Amputation wieder positiv bemerkbar: Einzeltastervertreter hielten im Mittel 28 Minuten und 30 Sekunden durch, während den Doppeltasterbesitzern nach durchschnittlich 17 Minuten und 30 Sekunden die Puste ausging.
Beides aber eine beachtliche Leistung, hatten sie damit doch immerhin gut 24 Meter oder über 17 000 Körperlängen zurückgelegt, und selbst die Verlierer konnten mehr als acht Meter oder knapp 6000 Körperlängen verzeichnen. Nur ein kleiner Vergleich: Wollte ein Krokodil von drei Metern Länge mit aufs Treppchen, müsste es schon 4,3 Kilometer durch den Urwald traben.
Die Selbstamputation macht also schnell und fit. Keine schlechte Voraussetzung, wenn Spinnenmann sich auf die Suche nach einem passenden Weibchen begeben muss – schließlich sind für diese Winzlinge die Entfernungen von Netz zu Netz schon wahre Weltreisen. Und hat es einmal eins entdeckt, ist es sicherlich nicht der einzige: Bis zu 25 Konkurrenten tummeln sich dann um ein paarungsbereites Weibchen – da gilt es, sich schnell in den sicheren Tod stürzen zu können.
Eine letzte Frage bleibt: Wenn die Tiere eh nur einen ihrer beiden Taster erfolgreich als Samenlieferanten einsetzten können und er sie zudem auch noch behindert, warum entwickeln sie dann überhaupt noch den zweiten Pedipalpus, statt ihn gleich von Beginn an abzuschaffen? Für diese Antwort wird wohl ein genauer Blick in die noch winzigere Kinderstube der Spinnen nötig sein, inwieweit das Organ noch andere Aufgaben übernimmt, beispielsweise bei der Handhabung von Beute. Vielleicht war es aber genetisch gesehen auch schlicht einfacher, die Selbstamputation einzuführen als die Entwicklung des Organismus zu ändern.
Anders sieht die Sache bei ihren kleinen Verwandten der Gattung Tidarren aus: Hier bedeutet Vaterschaft den sicheren Tod – und das auch noch nach vorangehender Entmannung. Denn bevor sich die hundertfach schwerere Mama in spe über den kleinen Happen hermacht, amputiert sie durch eine Drehung ihres Körpers den Taster des Männchens, mit dem es ihr seine wertvollen Spermien in eine der beiden weiblichen Geschlechtsöffnungen gestopft hat. Viel wird es davon wohl nicht mehr spüren, denn nach der anstrengenden Begattung sind die gerade einmal gut einen Millimeter kleinen Achtbeiner teilweise im wahrsten Sinne des Wortes zu Tode erschöpft.
Vielleicht auch ganz gut so, denn sonst müssten sie womöglich noch ihren Konkurrenten erleben. Schließlich begnügen sich Spinnenweibchen in der Regel nicht mit einem einzigen Partner – sie haben mindestens Platz für zwei Samenspenden. Dementsprechend sind normale Spinnenmännchen auch mit zwei Tastern oder Pedipalpen ausgestattet, jenen deutlich verdickten knubbeligen Fortsätzen am Kopf, die sofort das Geschlecht verraten. Tidarren-Männer aber haben nur einen. Warum?
Weil sie, wie schon lange bekannt, den anderen selbst amputieren, lautet die verblüffende Antwort. Kommt so ein Winzling in die Spinnenpubertät – zwischen der dritten und der vierten Häutung –, legen die Taster plötzlich an Größe gewaltig zu, bis sie schließlich ein Zehntel des Körpergewichts ausmachen. Nach der letzten Häutung ins Erwachsenenstadium wickeln die Männchen nun einen ihrer beiden Taster, rein zufällig ausgewählt, in einen Spinnenfaden ein und drehen sich so lange darum, bis sie ihn regelrecht abgeschnürt haben.
Stellt sich allerdings wieder die Frage: Warum? Margarita Ramos, Duncan Irschick und Terry Christenson von der Tulane University gingen das Problem von der sportlichen Seite an und schickten ihre Spinnenmännchen mit ein oder zwei Pedipalpen zum Wettrennen und zum Ausdauertest.
Im Sprintwettbewerb, bei dem die Forscher mit einer Mikropipette der Motivation etwas nachhelfen mussten, gewannen ganz eindeutig die bereits selbstamputierten Achtbeiner: Sie setzten sich auf der seidenen Rennbahn von fünf Zentimetern Länge mit durchschnittlich 3,8 Zentimeter pro Sekunde klar gegenüber den noch doppelt ausgestatteten Artgenossen durch, die im Mittel nur 2,7 Zentimeter pro Sekunde erreichten – das entspricht einem Geschwindigkeitszuwachs nach der Enttasterung von 44 Prozent.
Der weitaus härtere Ausdauertest ging manchen – vor allem Doppel-Pedipalpenträgern – dann so an die Nieren, dass sie irgendwann alle Achte von sich streckten und sich nicht mehr rührten. Kein Wunder, waren sie von Ramos und Co doch so lange mit einem kleinen Pinsel angeschubst worden, bis sie vor Erschöpfung zusammenbrachen und auch nach dem zehnten Piekser nicht mehr reagierten. Aber auch hier machte sich die Amputation wieder positiv bemerkbar: Einzeltastervertreter hielten im Mittel 28 Minuten und 30 Sekunden durch, während den Doppeltasterbesitzern nach durchschnittlich 17 Minuten und 30 Sekunden die Puste ausging.
Beides aber eine beachtliche Leistung, hatten sie damit doch immerhin gut 24 Meter oder über 17 000 Körperlängen zurückgelegt, und selbst die Verlierer konnten mehr als acht Meter oder knapp 6000 Körperlängen verzeichnen. Nur ein kleiner Vergleich: Wollte ein Krokodil von drei Metern Länge mit aufs Treppchen, müsste es schon 4,3 Kilometer durch den Urwald traben.
Die Selbstamputation macht also schnell und fit. Keine schlechte Voraussetzung, wenn Spinnenmann sich auf die Suche nach einem passenden Weibchen begeben muss – schließlich sind für diese Winzlinge die Entfernungen von Netz zu Netz schon wahre Weltreisen. Und hat es einmal eins entdeckt, ist es sicherlich nicht der einzige: Bis zu 25 Konkurrenten tummeln sich dann um ein paarungsbereites Weibchen – da gilt es, sich schnell in den sicheren Tod stürzen zu können.
Eine letzte Frage bleibt: Wenn die Tiere eh nur einen ihrer beiden Taster erfolgreich als Samenlieferanten einsetzten können und er sie zudem auch noch behindert, warum entwickeln sie dann überhaupt noch den zweiten Pedipalpus, statt ihn gleich von Beginn an abzuschaffen? Für diese Antwort wird wohl ein genauer Blick in die noch winzigere Kinderstube der Spinnen nötig sein, inwieweit das Organ noch andere Aufgaben übernimmt, beispielsweise bei der Handhabung von Beute. Vielleicht war es aber genetisch gesehen auch schlicht einfacher, die Selbstamputation einzuführen als die Entwicklung des Organismus zu ändern.
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