News: Steinchenschleuder
Es gibt eine Reihe unterschiedlicher Meteoriten. Während die einen bereits in einem größeren Körper chemisch differenzierten, sind die Chondren gleichsam eingeforene Teilchen der Ursuppe, aus der die Sonne und ihre Planeten entstanden. Genau wie die kilometergroßen Asteroiden, kreisen sie heute – fernab der anziehenden Kräfte der Planeten – in der großen Lücke zwischen Mars und Jupiter um die Sonne.
Die Chondren bestehen aus Silikaten und Metallen, die auf eine extrem hohe Bildungstemperatur schließen lassen. Bisher gingen die Forscher davon aus, dass die Chondren in der Region entstanden, wo sie auch derzeit zu finden sind: in jenem Asteroidengürtel. Während das Thermometer hier heute nur einige Grad über den absoluten Nullpunkt klettert, herrschten dort zu Beginn unseres Sonnensystems vor 4,56 Milliarden Jahren Temperaturen um die 370 Grad Celsius. Schockwellen oder elektrische Entladungen, so vermutete man, erhitzten den Staub kurzfristig auf mehr als 1600 Grad Celsius. Er schmolz, kondensierte und erstarrte zu jenen Chondren.
1996 brachten die Bilder des Hubble Space Telescope Frank Shu vom Department of Astronomy der University of California in Berkeley dazu, eine neue Theorie zur Entstehung der Chondren zu entwickeln. Denn nun wurden die Astronomen zum ersten Mal Zeugen der Geburt neuer Sterne. Hubble zeigte, dass deren Wiege in gigantischen, sich drehenden Scheiben aus Gas und Staub steht. Diese Materie beginnt infolge ihrer eigenen Anziehungskräfte zu kontrahieren und dem Mittelpunkt zuzustreben. Wie eine Eisläuferin, die ihre Arme anzieht und sich immer schneller dreht, so rotiert auch diese Akkretionsscheibe mit zunehmender Geschwindigkeit. Die Temperaturen steigen an und erreichen schließlich den Schmelzpunkt der Metalle.
Gleichzeitig stößt diese Scheibe Materie aus. Es bilden sich die Jets, scharf gebündelte Strahlen, die Materie mit vielen Hundert Kilometern pro Sekunde ins All schleudern. Shu nahm deshalb an, dass die Chondren in dem Bereich jener heißen Scheibe entstanden, wo sich die junge Sonne befand. Innerhalb weniger Tage seien sie dann durch die Materieströme in den Bereich des heutigen Asteroidengürtels gelangt, wo sie sehr schnell abkühlten.
Nun scheint es so, als ob Shu schon vor Jahren auf den richtigen Gedanken kam und nun kräftig Rückenwind bekommt. Denn Anders Meibom vom Department of Geological and Environmental Sciences der Stanford University stieß in zwei chondritischen Meteoriten auf Metalle, die nach ihrer Bildung bei rund 1370 Grad Celsius innerhalb kürzester Zeit abgeschreckt wurden. Die kristallinen Strukturen der Eisen- und Nickelanteile lassen darauf schließen, dass sie innerhalb einiger Tage enstanden. "Shus Modell bietet uns genau die richtigen Temperatur- und Zeitskalen", meint Meibom, "und die Jets wären zweifelsohne geeignet, die Chondren in die kalten Bereiche des solaren Nebels zu schleudern."
Somit werden sich die Chondren bei der Erforschung der Ursprünge des Sonnensystems zukünftig vielleicht als noch wertvoller erweisen. Stimmen die Ideen von Shu und Meibom, dass die Chondren nicht im Asteroidengürtel selbst entstanden, dann sind sie das Ergebnis der frühesten nachweisbaren Prozesse in unserem Sonnensystem überhaupt.
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