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Paläoanthropologie: Streit um Flores-Menschen geht weiter

<i>Homo floresiensis</i>
Der Artstatus des im Oktober 2004 neu beschriebenen Flores-Menschen Homo floresiensis bleibt weiter umstritten. Während Anthropologen vom Field-Museum in Chicago nach wie vor davon ausgehen, dass es sich bei dem rätselhaften Zwerg von der indonesischen Insel Flores um einen anatomisch modernen Menschen (Homo sapiens) handelt, der unter einer krankhaften Verkleinerung des Schädels – einer so genannten Mikrozephalie – litt, weisen die Entdecker des Fossils diese Interpretation energisch zurück.

Bereits im März 2005 hatte Dean Falk von der Florida State University den 18 000 Jahre alten Schädel des Typusexemplars LB1 von Homo floresiensis im Auftrag der Entdecker, Peter Brown und Michael Morwood von der Universität von New England, untersucht und dabei eine Mikrozephalie ausgeschlossen. Diese Schlussfolgerung zweifeln jedoch nun Robert Martin und seine Kollegen vom Field-Museum an [1].

Schädelvolumen | Entwicklung des Schädelvolumens von Hominiden: Die Grafik zeigt, dass die Hirnmasse der Hominiden im Laufe der Zeit mehr oder weniger kontinuierlich anstieg. Das geringe Schädelvolumen des nur 18 000 Jahre alten Homo floresiensis (rot) fällt jedoch aus dem Rahmen. Zeichen einer krankhaften Veränderung?
Sie argumentieren, dass das winzige Schädelvolumen von 400 Kubikzentimetern mit einem normalen Zwergenwuchs – wie er bei auf Inseln isolierten Arten vorkommen kann – nicht zu erklären sei, da sich hierbei die Hirnmasse nur wenig verringert. Brown und Morwood hatten ihrerseits angenommen, dass Homo floresiensis von Homo erectus abstamme und sich durch die Abgeschiedenheit auf der Insel Flores zwergenhaft entwickelt habe.

Auch die Abstammung von Homo erectus stellen Martin und Co in Frage. Die bei den Fossilien gefundenen Steinwerkzeuge seien derart hoch entwickelt gewesen, dass sie nur von Homo sapiens stammen könnten.

Mikrozephalie | Schädel (links) und Schädelabdruck (rechts) eines erwachsenen Mikrozephalie-Patienten: Nach Ansicht der Forscher um Robert Martin ähnelt er stark dem Schädel LB1, der als Belegexemplar für die neu beschriebene Menschenart Homo floresiensis diente.
Als ihr schärfste Waffe ziehen die Forscher den Vergleichsschädel heran, den Falk zur Widerlegeung der Mikrozephalie-Hypothese verwendet hatte. In einer wahren Detektivarbeit spürten die Chicagoer Wissenschaftler das Schicksal des Schädels auf: Demnach stammt er aus dem Jahr 1907 und gehörte ursprünglich zur Sammlung des Staatlichen Museums für Naturkunde in Stuttgart. Es handelt sich um die sterblichen Überreste eines Jungen namens Jakob Moegele aus dem Dorf Plattenhardt, der unter Mikrozephalie litt und im Alter von zehn Jahren gestorben ist. Da LB1 jedoch eindeutig ein erwachsenes Individuum gewesen war, sei ein Vergleich, so die Wissenschaftler, nicht zulässig.

Stattdessen präsentieren die Forscher um Martin mehrere Vergleichsschädel von erwachsenen Mikrozephalie-Patienten. Und diese Schädel ähneln nach Meinung der Forscher frappierend LB1. Der Flores-Mensch könne daher durchaus nichts anderes als ein mikrozephaler Homo sapiens gewesen sein.

H. floresiensis und H. sapiens | War der Flores-Mensch nur ein kranker Zwerg? Robert Martin ist davon überzeugt, denn der Schädel von LB1 (Homo floresiensis; links) ähnelt dem Schädel eines anatomisch modernen Menschen (Homo sapiens; rechts), der unter Mikrozephalie litt.
Dean Falk und ihre Kollegen weisen diese Argumentationskette zurück [2]. Ihrer Ansicht nach liegt das Verhältnis von Hirn- zu Körpervolumen bei Homo floresiensis durchaus im Rahmen, wie sie bei modernen Menschen, einschließlich Pygmäen, bei Menschenaffen sowie wie bei fossilen Hominiden, wie Homo erectus und Australopithecus, zu finden ist.

Süffisant bemerken sie, ihnen sei es durchaus nicht entgangen, dass ihr Vergleichsschädel von einem jugendlichen Exemplar stammte, und sie wären "glücklich zu erfahren, dass es tatsächlich ein zehnjähriger Junge war". Dennoch sei der Schädel von Jakob Moegele typisch für Mikrozephalie wie Vergleiche mit anderen Schädeln belegten: Die Abdrücke des Gehirns auf der Innenseite der Schädelknochen zeigten bei Mikrozephalikern ähnliche Strukturen, die bei LB1 nicht zu finden seien.

Falk und Kollegen schließen mit der Anmerkung, dass ihre Widersacher nur grobe Zeichnungen der Vergleichsschädel präsentierten, die wichtige Details vermissen ließen. Ohne diese Details blieben jedoch die Annahmen von Martin und Kollegen "unhaltbar".

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