News: Teuflischer Erreger
"Die meisten Menschen leiden irgendwann in ihrem Leben an unangenehmen, von Streptokokken hervorgerufenen Halsschmerzen", betont Robert George vom Public Health Laboratory Service. Doch wenn Streptococcus pyogenes ins Blut oder in die Muskeln wandert, wo Bakterien gewöhnlich nicht auftreten, kann es lebensbedrohende Krankheiten auslösen. Bislang gestaltete es sich äußerst schwierig, diesem außergewöhnlich ansteckenden Bakterium Geheimnisse zu entlocken, da es nur Menschen infiziert und bisher sehr wenige Tiermodelle von GAS-Krankheiten existieren.
Joseph Ferretti und seinen Kollegen von der University of Oklahoma Health Sciences Centre gelang es nun, das heimtückische Bakterium zu "überlisten": Aus der infizierten Wunde eines Patienten isolierten die Forscher einen speziellen Stamm von Streptococcus pyogenes. Fünf Jahre lang analysierten sie das einzelne, ringförmige Chromosom, das die genetische Information dieses Bakteriums enthält.
Beim Lesen seiner nahezu zwei Millionen DNA-Buchstaben enthüllten sie erstaunliche Tatsachen. Innerhalb der geschätzten 1752 Gene befinden sich über 40 mögliche "Virulenzgene", mit deren Hilfe Streptococcus pyogenes Gewebe schädigen und Krankheiten hervorrufen kann. "Es hat eine unglaubliche Fähigkeit, schädliche Produkte herzustellen", betont Ferretti. Zusätzlich enthält das Streptokokken-Genom vier Sektionen, die ursprünglich von Bakteriophagen stammen. Einige dieser von Viren erworbenen Gene codieren für Superantigen-ähnliche Proteine, welche die lebensbedrohende Überreaktion des Immunsystems provozieren. "Das Bakterium hat sich das genetische Material der Bakteriophagen einverleibt, um sein Waffenarsenal aufzustocken", vermutet Ferretti. "Die Viren spornen möglicherweise Gruppe-A-Streptokokken an, sich in neue, gefährlichere Stämme zu verwandeln."
Eine weitere Infektionsstrategie des listigen Streptokokken besteht darin, menschliche Proteine nachzuahmen. Ein Bakterien-Gen verschlüsselt die Information für ein Eiweiß, das dem Protein Collagen im menschlichen Bindegewebe ähnelt. Wenn unser Immunsystem das Streptokokken-Protein attackiert, kann es irrtümlicherweise auch das körpereigene Bindegewebe angreifen, woraus Autoimmunkrankheiten wie rheumatisches Fieber resultieren.
"Seit Millionen von Jahren lebt Streptococcus pyogenes mit uns zusammen und kennt uns sehr gut", betont Ferretti. Doch Forscher hoffen nun, mit Hilfe des entschlüsselten bakteriellen Genoms effektive Medikamente entwickeln zu können: "Wir erwarten, dass die DNA-Sequenzen neue Antigene enthüllen, wahrscheinlich Proteine auf der Oberfläche des Bakteriums, die sich als gute Kandidaten für Impfstoffe eignen würden", spekuliert Fran Rubin vom National Institute of Allergy and Infectious Diseases.
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