Corona-Diskussion: Twitter erlebt Bot-Epidemie
In Zeiten der Pandemie scheinen die Desinformationskampagnen vor allem in der USA zu Hochform aufzulaufen. Während im Normalfall nur gut 10 bis 20 Prozent der Wortmeldungen auf Twitter von Bots stammen, sei die Zahl der Fake-Accounts seit Februar 2020 stark in die Höhe geschnellt, berichtet »Technology Review«. Das US-Magazin beruft sich dabei auf eine Untersuchung von Kathleen Carley und Kollegen. Zwischen 45 und 60 Prozent der Twitteraccounts, die die Coronakrise diskutieren, seien Bots, fanden die Wissenschaftler heraus.
Die Forscher vom Center for Informed Democracy & Social Cybersecurity an der Carnegie Mellon University haben dazu 200 Millionen Tweets analysiert. Mit Hilfe künstlicher Intelligenz und Netzwerkanalysen ermittelten sie, welche Accounts wahrscheinlich von einem Computer gesteuert werden und Falschinformationen verbreiten.
Die Bots verlinken dabei Nachrichten oder Blogs, in denen etwa unwirksame Behandlungsmethoden angepriesen werden oder die die Verschwörungstheorie verbreiten, dass das Coronavirus als Biowaffe entwickelt worden sei. Als Zweck solcher Desinformationskampagnen gilt die Destabilisierung der Gesellschaft. Viele Bots würden aber auch für eine weit reichende Lockerung der Anticorona-Maßnahmen in den USA Stimmung machen. Jeder zweite Account, der sich für eine »Wiedereröffnung« des Landes im Lockdown stark macht, könnte ein Bot sein, schreibt »Technology Review«.
Die Maschinenbetreiber würden immer ausgefeiltere Methoden benutzen, um dem unbedarften Twitternutzer vorzugaukeln, dass bestimmte Nischenmeinungen die Unterstützung breiter Bevölkerungsteile hätten. Bots seien inzwischen deutlich besser untereinander und mit realen Nutzern vernetzt als zuvor, fanden die Forscher heraus. Auch hätten sie sich neue Zielgruppen erschlossen, wie Minderheiten oder Einwanderer. Laut Carley und Kollegen werden die Bots beispielsweise eingesetzt, um mit ihren Retweets bislang getrennte Nutzerkreise zusammenzuführen oder um einem Account durch eine große, aber künstliche Followerzahl mehr Gehör und Reichweite zu verschaffen. Umstritten ist allerdings, ob solche Kampagnen die Wirkung haben, die sich ihrer Betreiber erhoffen – oder ob die Forscherteams überhaupt in der Lage sind, mit ihren statistischen Analysewerkzeugen einen echten Twitterer von einem Fake-Account zu unterscheiden.
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