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Erneuerbare Energien: Uran zum Wasserspalten

Das Abfallprodukt der Kernenergie eignet sich für eine Zweitkarriere in der erneuerbaren Energie. Sofern es gelingt, seine chemischen Eigenschaften nutzbringend einzusetzen.
Uran im Periodensystem

Das Element des nuklearen Zeitalters ist unbestritten das Uran. Kernreaktoren und Atombomben – und damit die globale Geopolitik – hängen an diesem Stoff. Was weniger bekannt ist: Uran besitzt auch eine komplexe Chemie. Um seinen Kern kreisen so viele Elektronen auf so komplizierten Bahnen, dass Chemiker noch längst nicht genau verstanden haben, wie es sich in welcher Umgebung welchen Reaktionspartnern gegenüber verhält. Ein besonders wünschenswertes Zusammenspiel dieser Art haben nun Wissenschaftler der Universität Erlangen-Nürnberg im Detail untersucht.

Die Forscher am Lehrstuhl für Anorganische und Allgemeine Chemie interessierten sich für einen Vorgang, bei dem Uran als Katalysator auftritt und dabei Wasser in seine Bestandteile spaltet. Diese Reaktion ist deshalb so bedeutend, weil der dabei freigesetzte Wasserstoff ein sehr guter Energieträger ist. Mit ihm könnte man etwa überschüssige Energie aus regenerativen Quellen dauerhaft speichern. Wasserstoff eignet sich auch, um viele andere chemische Reaktionen anzutreiben. Und zu guter Letzt liegt Wasser überall auf der Erde vor. Ein gutes Katalysesystem wäre also nicht an bestimmte Standorte gebunden. Der Nachteil bei dieser Reaktion: Wasser ist ein sehr stabiles Molekül, was seine Aufspaltung dementsprechend erschwert. Deshalb arbeiten viele Forschergruppen weltweit an geeigneten Verfahren.

Uran gilt in dieser Hinsicht als viel versprechender Kandidat, denn es weist eine hohe so genannte Oxophilie auf – Chemiker bezeichnen damit die Neigung eines Stoffs, Bindungen mit Sauerstoff einzugehen. Und nicht nur das: Mit Uran könnte man auch molekularen Stickstoff aufspalten, den Hauptbestandteil der Luft, dessen Molekülbindungen sogar noch stabiler sind als die des Wassers. Das ist schon lange bekannt: "Bereits um 1910 wurde von Fritz Haber ein Patent eingereicht zur Ammoniaksynthese an einem Urankatalysator", sagt Dominik Halter, Erstautor der nun im Fachjournal "Nature" erschienenen Studie.

Schritt-für-Schritt-Analyse

Solche stickstoffbasierten Reaktionen eignen sich unter anderem für die Produktion von Düngemitteln. Auch die Reaktionen von Uran mit Wasser sind schon lange bekannt, waren bislang allerdings schlecht verstanden. Eine präzise Analyse der Reaktionsschritte wäre jedoch entscheidend, wenn man einen Katalysator entwickeln will. Der nimmt zwar an den Reaktionen teil, muss am Ende aber wieder in seiner Ausgangsform vorliegen.

Bei der Suche nach einem Katalysator gibt es diverse Hürden zu überwinden. In manchen Fällen bilden sich zu stabile Produkte, so dass sich der ursprüngliche Komplex nicht für die weitere Katalyse zurückgewinnen lässt. Oder es ergibt sich ein Ungleichgewicht in der Anzahl der Elektronen, die bei der Reaktion verbraucht und freigesetzt wurden. So auch bei den Versuchen der Erlanger Forscher. "Dieses zweite Problem haben wir durch Elektrochemie gelöst, indem wir die fehlenden Elektronen durch eine Elektrode bereitstellen, um den Katalysator zu regenerieren", erklärt Halter.

Die Wissenschaftler arbeiteten mit einem speziellen Urankomplex, in dem Uran nur ein Fünftel der Masse ausmacht und der Rest aus Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff besteht. Die passende Struktur für diesen Stoff auszutüfteln, war das eine Problem. Das andere lag darin, den genauen Mechanismus zur Produktion von Wasserstoff aufzuklären.

Um besonders schnell zerfallende Substanzen zu stabilisieren und analysieren zu können, mussten die Forscher die Zwischenprodukte der Reaktion "einfrieren". "Es war flüssiges Helium notwendig, um die Proben bei weniger als zehn Grad über dem absoluten Nullpunkt spektroskopisch vermessen zu können", so Halter. Die Ergebnisse sind viel versprechend: Zwar wird noch einiges zu optimieren sein. Aber mit der gelungenen Charakterisierung des Prozesses wissen die Forscher nun sehr viel besser, an welchen Schräubchen sie drehen müssen, um aus Uran auch einen Rohstoff für die Chemie zu machen.

Nützliche Verwendung für abgereichertes Uran

Uran ist ein nur leicht radioaktives Material. Das liegt an seiner extrem langen Halbwertszeit: Da nur wenige Uranatome in einem kurzen Zeitraum zerfallen, ist die abgegebene Strahlendosis gering. Abgereichertes Uran ist sogar noch schwächer radioaktiv als das Uran, das in der Natur vorkommt. Es entsteht, wenn die dort enthaltenen Isotope für den Einsatz in Kernreaktoren oder Nuklearwaffen separiert werden. Durch starkes Zentrifugieren sammelt sich das besonders spaltbare Isotop Uran-235 an einer Stelle, während im Rest des Materials die Konzentration des häufigeren Uran-238 zunimmt. Dadurch sinkt die Radioaktivität noch unter die von Natururan.

Aus der Urananreicherung für den Betrieb von Kernkraftwerken und den Bau von Atombomben sind in den letzten Jahrzehnten weltweit über eine Million Tonnen abgereichertes Uran als Abfallprodukt angefallen. Auf Grund seiner extrem hohen Dichte hat man abgereichertes Uran als Ausgleichsgewicht im Flugzeug- oder Schiffbau verwendet. Sehr viel umstrittener ist sein Einsatz als Panzer brechende Munition, vor allem bei der amerikanischen Luftwaffe. Wenn seine Chemie nun immer besser verstanden wird, könnte ein Teil dieser enormen Mengen an abgereichertem Uran eine sehr viel gedeihlichere Verwendung finden.

Wann entsprechende Katalysatoren Marktreife erlangen könnten, lässt sich zurzeit jedoch noch nicht abschätzen. Dank der nun sehr viel besser verstandenen Reaktionsschritte können Forscher weltweit sich aber daranmachen, ihre Systeme zu optimieren und neue Katalysatoren zu entwickeln. Auch die Wissenschaftler der Universität Erlangen-Nürnberg sind bereits dabei, die nächsten Ziele anzuvisieren. Dazu gehört nicht nur, den Katalysator luftstabil zu machen. Denn derzeit muss die Reaktion unter einer Stickstoff-Schutzatmosphäre stattfinden. Sondern es gilt auch den Katalysator, der sich im Moment noch in der Reaktionslösung befindet, für bessere Handhabung und Effizienz auf einer Elektrode zu fixieren.

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