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News: Vaterlose Gesellen

In fast allen Gruppen des Tier- und Pflanzenreichs gibt es Vertreter, die bei der Vermehrung ganz oder teilweise auf Väter verzichten. Mit einer Ausnahme: Säugetiere verweigerten bis jetzt eine erfolgreiche Jungfernzeugung - bis jetzt.
Sex gehört zu den größten Errungenschaften der Evolution. Denn erst die geschlechtliche Vermehrung ermöglicht immer neue Kombinationen des genetischen Materials, sodass die Chancen, bei der Lotterie der Selektion das große Los zu ziehen, erheblich gesteigert werden. Und so wundert es nicht, dass selbst Bakterien, die sich ja lediglich durch Teilung vermehren, auch nicht ganz auf einen Genaustausch zwischen Individuen verzichten mögen.

Dennoch gibt es zahlreiche Pflanzen und Tiere, die sich durch eine eingeschlechtliche Vermehrung fortpflanzen, bei der die Mitwirkung eines Vaters nicht gefragt ist. Bei dieser Parthenogenese (parthenogenes, griech.: von einer Jungfrau geboren) entstehen die Nachkommen aus unbefruchteten Eizellen der Mutter. So produzieren beispielsweise viele staatenbildende Insekten ihre Männchen parthenogenetisch, während die weiblichen Arbeiterinnen wie auch die Königinnen aus sexuell befruchteten Eiern schlüpfen. Manche Blattläuse, Rädertiere oder Wasserflöhe wechseln wiederum regelmäßig zwischen zwei- und eingeschlechtlicher Fortpflanzung ab. Am weitesten treiben es mehrere Arten von Rennechsen: Bei ihnen gibt es überhaupt keine Männchen mehr; die Weibchen zeigen jedoch das übliche Werbungs- und Paarungsverhalten, wobei immer eines die Rolle des Männchens imitiert.

Und dennoch gibt es eine Gruppe, die sich hartnäckig gegen das Modell der Jungfernzeugung sträubt: Säugetiere. Es kann zwar gelegentlich selbst beim Menschen vorkommen, dass sich eine unbefruchtete Eizelle beginnt zu teilen, sie übersteht diesen versuchten Aufbruch zu neuem Leben jedoch nicht lange. Und auch experimentell schlug bisher jeder Versuch, über Parthenogenese lebensfähige Individuen zu schaffen, bei Säugetieren fehl. So sterben parthenogenetisch erzeugte Mausembryonen spätestens nach zehn Tagen ab. Warum?

Bereits seit längerem hegen Wissenschaftler den Verdacht, dass die missglückten Jungfernzeugungen bei Säugern mit einem Phänomen zusammenhängen, das als genomische Prägung bekannt ist: Nach der Befruchtung liegt jedes Gen doppelt vor, doch wird häufig entweder die väterliche oder die mütterliche Version stillgelegt, indem sich eine Methylgruppe an das entsprechende Gen anlagert und dadurch das Ablesen der Information blockiert. Es finden also in der befruchteten Eizelle noch wesentliche Veränderungen statt, die zwar nicht das Genom selbst, aber deren Auswirkungen betreffen. Aufgrund dieser epigenetischen Effekte kommt es somit durchaus darauf an, ob ein Gen vom Vater oder von der Mutter vererbt wurde. Fehlen nun diese väterlichen Erbfaktoren, dann ist der Embryo nicht lebensfähig.

Ein Beispiel hierfür sind die beiden Gene Igf2 und H19, die bei der Maus auf demselben Chromosom liegen. Aktiv ist im Mausembryo jedoch nur die mütterliche H19-Variante sowie das väterliche Igf2-Gen. Bei parthenogenetisch erzeugten Mausembryonen findet nur die mütterliche Prägung statt, ein funktionsfähiges Igf2-Gen fehlt daher.

Tomohiro Kono von der Agrarwissenschaftlichen Universität Tokio und seine Kollegen versuchten jetzt, diese genomische Prägung zu umgehen. Sie kombinierten die Chromosomen einer normalen weiblichen Eizelle – die entsprechend genomisch geprägt waren – mit den Chromosomen einer weiblichen Mangelmutante. Hier fehlte nicht nur das Gen H19, sondern auch die Region des Chromosoms, die durch eine Methylierung das Gen Igf2 stilllegt. Das heißt, hier konnte Igf2 normal abgelesen werden.

Insgesamt 457 solcher manipulierten Eizellen kultivierten die Forscher. Daraus entwickelten sich 417 Blastocysten, wovon 371 in 26 Mäuseweibchen transferiert werden konnten. 24 Tiere wurden tatsächlich trächtig und gebaren insgesamt 28 Junge. 18 der parthenogenetischen Jungtiere kamen jedoch tot zur Welt, und von den übrigen zehn überlebten nur zwei. Aber eines, das die Forscher "Kaguya" tauften, wuchs zu einer gesunden Mäusedame heran und gebar schließlich selbst – auf dem von der Natur vorgesehenen Weg – gesunden Nachwuchs.

Kaguya ist somit die erste parthenogenetisch erzeugte Maus, die das Erwachsenenalter erreicht hat und die – trotz der zahlreichen Verluste – beweist, dass Jungfernzeugung auch bei Säugetieren zwar grundsätzlich möglich ist, aber normalerweise an der genomischen Prägung scheitert.

Ob Ähnliches auch beim Menschen machbar wäre, bleibt offen. Interessant ist dies nicht, um Menschen durch "unbefleckte Empfängnis" zum Leben zu verhelfen, sondern um die heiß begehrten embryonalen Stammzellen aus parthenogenetisch vermehrten Eizellen zu gewinnen. Denn diese Zellen wären – zumindest nach deutscher Rechtsauffassung – keine Embryonen, da sie nicht durch eine Befruchtung entstanden sind.

Doch bis dahin bleibt noch vieles rätselhaft. So ist den Forschern völlig unklar, warum ihr Eingriff, der das Expressionsmuster lediglich zweier Gene betraf, offensichtlich die Prägung im gesamten Erbgut derart beeinflusst hat, dass die Embryonen überleben konnten. Und die Frage, warum die Natur bei Säugetieren normalerweise eine Parthenogenese verhindert, bleibt ebenfalls unbeantwortet.

"Solange wir die Rolle und die Regulation der genomischen Prägung bei der Entwicklung nicht vollständig verstanden haben", meinen auch die Mediziner David Loebel und Patrick Tam von der Universität Sydney, "scheint es so zu sein, dass bei der Vermehrung auch weiterhin die Teilnahme eines Vaters notwendig bleibt."

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