News: Verlorener Kontakt
Um diesen Teufelskreislauf zu durchbrechen, konstruierten Forscher so genannten Proteasehemmer, die gezielt ein virales Schlüsselenzym außer Gefecht setzen: Gewöhnlich zerschneidet die HIV-Protease lange Proteinstränge, deren Bruchstücke neue Virusbausteine liefern. Die Proteaseinhibitoren verkleben jedoch die Schnittfläche der Enzymschere und machen sie dadurch stumpf. Als Folge entstehen nur wenige, fehlerhafte Kopien des Virus; seine Vervielfältigung ist somit unterbunden.
Doch bei den Proteasehemmern handelt es sich keineswegs um Wunderwaffen im Kampf gegen AIDS, denn sie weisen einige gravierende Nachteile auf: So sind sie nur in Zellen wirksam, in denen sich das Virus gerade aktiv vermehrt, während sie jene Erreger verschonen, die sich in einer Latenz- oder Ruhephase befinden. Zudem werden derartige Medikamente normalerweise erst in einem fortgeschittenen Krankheitsstadium eingesetzt, wenn die Virenmenge eine bestimmte Konzentration erreicht hat – zu diesem Zeitpunkt ist das Immunsystem der Patienten jedoch bereits stark geschwächt. Auch schädliche Nebenwirkungen und Mutationen des HI-Virus, die ihm Resistenz gegenüber Proteasehemmern verleihen, sind als unerwünschte Begleiterscheinungen einer solchen Therapie zu verzeichnen.
Fieberhaft suchen Wissenschaftler deshalb nach Alternativen zu den Proteasehemmern – und wurden fündig. Wie Michael Ruff und seine Kollegen vom Georgetown University Medical Center nun in Laborversuchen feststellten, erwies sich eine synthetische Aminosäureverbindung namens Peptid-T als ein äußerst wirksames Mittel: Indem es sich an die CD4-Moleküle der gesunden Körperzellen anheftet, bildet das Molekül gleichsam ein Schutzschild. Das HI-Virus kann in Folge nicht mehr mit den Rezeptoren wechselwirken, und der Zugang ins Zellinnere bleibt ihm verwehrt. So vermag sich der AIDS-Erreger auch nicht die Replikationsmaschinerie der Zelle für seine Machenschaften unterwerfen und sich mit ihrer Hilfe vermehren – er ist gewissermaßen vollständig blockiert.
Bislang hat Peptid-T seine Wirksamkeit nur im Reagenzglas unter Beweis stellen können. Ob es ähnlich erfolgreich auch den Krankheitsverlauf beim Menschen zum Stillstand zu bringen vermag, sollen nun klinische Versuche an AIDS-Patienten klären. Doch die Forscher setzen schon jetzt große Hoffnungen in jene Aminosäureverbindung, denn diese weist im Vergleich zu den Proteasehemmern einige Vorteile auf: Da bei den behandelten Zellen keinerlei Mutationen des HI-Virus auftraten, könnten die Patienten das Mittel bereits nach der positiv ausgefallenen Diagnose einnehmen. So ließe sich die Immunschwächekrankheit womöglich im Keim ersticken. Zudem scheint die Substanz nicht so viele schwerwiegende Nebenwirkungen hervorzurufen, wie dies bei den Proteaseinhibitoren der Fall ist. "Wenn die klinischen Versuche zu denselben Ergebnissen führen sollten, könnte Peptid-T eines Tages ein viel wirkungsvolleres Medikament sein als die Proteasehemmer", spekuliert Ruff.
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