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Drohnenabwehr: Vom Himmel geholt

Von Spannern bis Terroristen: Drohnen bieten vielen, die etwas im Schilde führen, eine ideale Plattform. Zumal brauchbare Gegenmaßnahmen immer noch rar sind.
Drohne am Boden, zerstört

Auf dem Rasen im Tremoniapark in Dortmund sonnen sich die Menschen, spielen, machen Gymnastik oder musizieren. Doch plötzlich klingt es nach Krieg über ihren Köpfen. Aufgeregt springen einige auf, versuchen zu ergründen, wo das Geräusch herkommt, das wie ein riesiger Hornissenschwarm über ihren Köpfen brummt. Eine Dortmunderin schreibt später in der Lokalpresse über den Vorfall, der sich am Ostersonntag 2020 zutrug, sie habe Angst vor einem terroristischen Anschlag gehabt. Dabei steckte die Polizei selbst dahinter: Mit einer ferngesteuerten Drohne wollten Beamte überwachen, ob die Abstandsregeln zur Eindämmung des Coronavirus eingehalten wurden.

Nicht immer bleibt es bei einem kurzen Schreck. Drohnen werden zur Gefahr, wenn sie zum Beispiel auf einem Flugplatz auftauchen. Die Deutsche Flugsicherung meldete 2019 insgesamt 125 Behinderungen durch zivile Drohnen in ihren Flugverbotszonen. Im März 2020 waren es nach Auskunft der Einrichtung schon 26. Auch Gefängnisverwaltungen beklagen den Schmuggel von Drogen mit Drohnen. In Frankreich wurden im Jahr 2014 Atomkraftwerke überflogen, und im März 2019 konnte NRW-Ministerpräsident Armin Laschet nach einer Israel-Reise auf Grund einer Drohne im Luftraum nicht wie geplant in Frankfurt landen.

Seit 2015 hat sich die Anzahl der Drohnen in Deutschland fast verdreifacht. Der Verband Unbemannte Drohnen beziffert ihre Zahl für 2019 auf 474 000, darunter private und kommerzielle Miniflieger. Bis 2030 soll sich ihre Zahl verdoppeln, schätzt der Verband. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer schwärmt schon vom »Abflug in die dritte Dimension«, in der Paketdrohnen Lieferengpässe beheben oder wichtige Arzneimittel transportieren. Mit einem neuen Aktionsplan für Drohnen und Flugtaxis will er Deutschland zum Vorreiter für die Entwicklung und den Einsatz von Drohnen machen.

Andere sehen eher die Schattenseite der ferngelenkten Flieger. Denn sie können nicht nur im Garten vom Nachbarn spionieren, sondern auch zur Bedrohung von Fußballspielen, Open-Air-Konzerten, Sicherheitskonferenzen und eben auch Flughäfen werden. Vor sieben Jahren haben einige Landesämter für Zentrale Polizeiliche Dienste (LZPD) eigene Einheiten zur Drohnenabwehr gegründet. Anlass war der Tag, an dem bei einer Wahlkampfveranstaltung der CDU in Dresden im September 2013 eine (Spielzeug-)Drohne direkt vor Angela Merkel auftauchte und vor ihren Füßen landete.

»Falke« soll Flughäfen schützen

Um in Zukunft solche Gefahrensituationen oder gar echte Angriffe verhindern zu können, plant die Bundespolizei ein stationäres Anti-Drohnen-System, das die 14 deutschen zivilen Flughäfen schützen soll. Dafür veranschlagt sie einmalige Kosten in Höhe von rund 30 Millionen Euro pro Flughafen mit jährlichen Kosten von 13 Millionen Euro. Unter dem Namen »Falke« lässt das BMVI gerade einen Prototyp von einem Rüstungskonzern und der Bundeswehr am Flughafen in Hamburg entwickeln und installieren. Mit Hilfe seiner Sensoren soll das System anfliegende kleine Drohnen erkennen, um sie dann bei Bedarf mit Störsignalen unschädlich zu machen oder von Quadrokoptern mit einem Fangnetz einfangen zu lassen. Würden alle 14 Flughäfen damit ausgestattet, würden einmalig 420 Millionen Euro fällig.

Hinter mancher Drohnensichtung am Flughafen steckt auch einfach nur ein Vogel oder Müll

Das Problem der unerwünschten Drohnen beginnt damit, dass sie bislang erst erkannt werden, wenn sie in Sichtweite sind. So sagt die Deutsche Flugsicherung (DFS): »Wir können diese neuen Luftteilnehmer mit unseren Radaranlagen nicht sehen. Die Drohnen sind einfach zu klein.« Der Grund ist, dass für Radarmessungen die Reflexionsflächen der kleinen Flieger zu gering sind. Also halten Piloten oder Lotsen selbst Ausschau. Doch dass das nicht so einfach ist, zeigt ein Beispiel aus London. Dort wurde eine vermeintliche Drohne gemeldet, die sich später als fliegende Plastiktüte herausstellte. Daher sei auch der »Drohnenreport« mit seinen 125 Sichtungen für 2019 und sogar 158 im Jahr davor mit Vorsicht zu betrachten. Hinter mancher Drohne könnte in Wahrheit auch ein Vogel oder ein vom Winde verwehter Coffee-to-go-Becher stecken, sagt Angela Kies, Abteilungsleiterin Unbemannte Flugsysteme der DFS.

Inzwischen finanziert das Bundesforschungsministerium fünf Forschungsvorhaben rund ums Aufspüren und Abfangen mit insgesamt zehn Millionen Euro. Eines ist das Projekt MIDRAS (Mikro-Drohnen-Abwehr-System). Hier testen bis Mitte 2020 Fraunhofer-Forscher des Instituts für Nachrichtentechnik, wie mit einer Kombination von mehreren Antennen die Mikrodrohnen aufgespürt werden können. Auch sollte eine erste Risikoabschätzung möglich sein: Trägt das Flugobjekt eine Kamera zu Spionagezwecken? Oder handelt es sich um eine größere Last, die vielleicht auch explosiv sein könnte?

Nicht allein der Flugsicherung bereiten die Drohnen Sorgen. Welche Risiken die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland mit Drohnen verbinden, erfragte das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) im Jahr 2018. So äußerten knapp 90 Prozent der Befragten Sorge vor kriminellem Missbrauch der Fluggeräte, und über 80 Prozent fürchteten, dass mit Drohnen die Privatsphäre verletzt werden könnte.

Keine Luftzielbekämpfung mit dem Gartenschlauch

Doch eine private »Boden-Luft-Abwehr« ist nicht erlaubt. Mit Gartenschlauch oder Luftgewehr auf ein Flugobjekt zu ballern, von dem man sich auf der Terrasse bedrängt oder ausspioniert fühlt, ist nicht zulässig. Nicht einmal die Deutsche Flugsicherung darf ein störendes Objekt vom Himmel holen, sondern nur Sichtungen melden. Es obliegt dann der Polizei, die Gefahr abzuwehren.

Lange Einwirkzeit und gefährliches Streulicht sind die Probleme bei der Laserabwehr

Dafür gibt es inzwischen diverse Techniken, von denen bislang jedoch keine in allen Punkten überzeugt. In Deutschland setzt die Polizei für die Abwehr auf Störsender und Netzwerfer, die vom Boden aus Fangnetze abschießen – bislang allerdings eher mit überschaubarem Erfolg, wie »netzpolitik.org« im August 2019 berichtete. In den Niederlanden hat die Polizei Raubvögel zu Drohnenfängern ausgebildet, die die unerwünschten Flugobjekte fangen. Sie hatten 2016 dazu Adler mit einigem Erfolg abgerichtet, möglich machen es die guten Augen und der Jagdinstinkt der Vögel. Auch Abfangdrohnen, die mit zwei mal drei Meter großen Netzen fliegen, in der Hoffnung, den illegalen Flieger darin zu verwickeln, wurden bereits entwickelt.

Andere sind eher auf Zerstörung aus. Die französische Armee testet, ob man nicht auch einfach mit Schrotflinten Erfolg haben kann, und der staatliche israelische Rüstungskonzern will eine Laserkanone entwickelt haben mit einer angeblichen Trefferrate von 100 Prozent. Sie sollen deutlich kostengünstiger sein als konventionelle Abwehrsysteme wie beispielsweise eine 40-Millimeter-Granatmaschinenwaffe, mit der die Bundeswehr Drohnen abschießen und in einem Splitterregen zerstören will, um damit Ziele wie Flughäfen, Versorgungsbasen oder Industrieanlagen zu schützen. Denn gerade Terrorgruppen nutzen zunehmend diese Miniflieger für Angriffe auf Ölraffinerien oder zum Ausspähen von militärischen Standorten.

Mit Störsendern zur Landung zwingen

Die Laservariante hat allerdings einige Nachteile, sagt Marian Lanzrath. Er forscht am Fraunhofer-Institut für Naturwissenschaftlich-Technische Trendanalysen INT in Euskirchen ebenfalls an Abwehrsystemen. Die Laserabwehrsysteme seien zwar recht effektiv, da sie die Drohne mechanisch zerstören, indem sie diese aufschmelzen oder auch die Akkus zur Selbstentzündung bringen. Aber sie bräuchten eine lange Einwirkzeit und könnten keine Drohnenschwärme bekämpfen, zudem ist das Streulicht der Laserkanone für Menschen schädlich. Sie sollten daher im dicht besiedelten Gebiet oder bei Veranstaltungen mit Publikum gar nicht eingesetzt werden. Nicht zuletzt, weil das Fluggerät selbst oder Splitter davon am Boden Menschen treffen könnten.

Eine »sanftere« Methode setzt darauf, die Signale, die die Drohne erhält, zu übernehmen oder zu stören. Mit Störsendern, auch Jammer genannt, kann die Kommunikation der Drohnen meist vom Boden aus gestört werden. Viele Modelle reagieren auf diesen Kontaktverlust, indem sie landen oder sich gar nicht mehr bewegen. So wirkt etwa der Battelle Drone Defender, dessen elektromagnetische Funkwellen von einer Art futuristischem Gewehr ausgehen und mit dem man laut Herstellerangaben 400 Meter weit entfernte Drohnen vom Himmel holen kann.

Das Jamming funktioniert allerdings gerade dann nicht, wenn die Drohnen gar nicht ferngesteuert werden, sondern autonom agieren. »Wenn die Drohnen gar keinen haben, der sie aus der Ferne steuert, sondern wenn sie zum Beispiel autonom nach festgelegten Wegpunkten navigieren oder nach Bildsystemen fliegen, dann hilft das nicht«, sagt Lanzrath. Der Fraunhofer Forscher testet Mikrowellen im hochfrequenten Bereich (High-Power Electromagnetics, HPEM), mit denen die Drohnen funktionsuntüchtig gemacht werden können. »Selbst wenn die Elektronik abgeschirmt ist, gibt es immer Spalten und Ritzen an den Rotoren, an denen die elektromagnetische Strahlung einkoppeln kann«, sagt Lanzrath. Der Vorteil der hochfrequenten Mikrowellenstrahlen ist, dass sie sich durch spezielle Antennen stark fokussieren lassen. Ist die Strahlung eingedrungen, spielt die Elektronik der feindlichen Drohne verrückt oder fällt komplett aus. Da Lanzrath die Strahlung sehr zielgenau ausrichten kann, besteht, anders als bei der Laserkanone, für Menschen kaum Gefahr durch reflektierte Strahlen. Der direkte Strahlbereich der Antenne wäre allerdings auch für Menschen schädlich.

Auf eine ähnliche Technik setzen die USA, die ganze Drohnenschwärme mit einer Mikrowellenkanone auf einmal abwehren wollen. Erste Tests sollen schon 2015 stattgefunden haben, bei denen die US-Armee in der Wüste von New Mexico die Abwehr getestet habe. Sie haben den Drohnenvernichter jetzt unter dem Namen Thor (Tactical High Power Microwave Operational Responder) vorgestellt, der 360 Grad rund um seinen Standort kurze, energiereiche Mikrowellensalven abfeuern kann und die Elektronik der Drohnen zerstört. Die verantwortliche Projektleiterin Amber Anderson sagt laut dem Technikmagazin »The Verge«: »Das System arbeitet wie eine Taschenlampe. Alles, was vom Mikrowellenstrahl erfasst wird, stürzt zu Boden. Und zwar binnen eines Wimpernschlags.«

Doch bis Abwehrsysteme eingesetzt werden können, die sich für nichtmilitärische Zwecke eignen und über den Köpfen von Menschen gefahrlos Drohnen unschädlich machen, ist es noch ein langer Weg. Das Projekt »Falke« am Hamburger Flughafen ist gerade mal Anfang 2020 gestartet. Solange müssen Angela Kies und die anderen Fachleute bei der Deutschen Flugsicherung auf Altbewährtes setzen: ihre Augen.

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