Begabte Underachiever: Warum manche trotz hohen IQs schlechte Noten bekommen
Vor allem nach dem Wechsel auf das Gymnasium geraten manche Kinder mit weit überdurchschnittlichem IQ in Turbulenzen: Ihre Noten bleiben deutlich unter dem Niveau, das man von ihnen erwarten würde. »Hochbegabte Underachiever« nennen Fachleute der Universität Würzburg diese Schülerinnen und Schüler. In einer großen Längsschnittstudie sind sie nun der Frage nachgegangen, warum diese Kinder und Jugendlichen vergleichsweise schlecht abschneiden.
Wie sie im Fachmagazin »Child Development« schreiben, fehlten den Betroffenen gute Lernstrategien entweder ganz, oder sie wussten nicht, wie man sie am effektivsten einsetzt. Vielen habe es auch an Motivation gemangelt, Lernstrategien anzuwenden, wenn das mit Anstrengung verbunden war, fasst die Gruppe um Catharina Tibken von der Universität Würzburg zusammen.
Für ihre Studie machten die Forschenden mit 341 Gymnasiastinnen und Gymnasiasten diverse Tests, etwa zum Leseverständnis oder zum allgemeinen IQ. Als hochbegabt betrachteten sie alle mit einem IQ von mindestens 120. Außerdem ermittelten sie, wie gut die Freiwilligen sich selbst und ihre Leistung einschätzen konnten. Ein Jahr später untersuchten sie die Sechst- und Achtklässler erneut.
Defizite machten die Wissenschaftler an einer Fähigkeit fest, die sie Metakognition nennen: das Nachdenken über das eigene Denken. Diejenigen Hochbegabten, die ein Jahr später schlechte Noten bekamen, hatten beispielsweise auffällig viele Schwierigkeiten zu beurteilen, ob sie einen Text verstanden hatten. Anders als andere Schülerinnen und Schüler unternahmen sie darum auch nichts, um ihr Textverständnis zu verbessern – sie gingen zum Beispiel schwierige Passagen nicht noch einmal durch und suchten auch nicht anderweitig nach Informationen.
Das Team um Tibken ist der Meinung, dass sich solche metakognitiven Fähigkeiten trainieren lassen. Hochbegabte Underachiever könnten also ihr Potenzial steigern, wenn sie »lernen zu lernen«. Ein Trainingsprogramm soll nun im Anschluss an die Studie erstellt und evaluiert werden. Es könnte laut Tibken auch normal begabten Schülerinnen und Schülern nutzen.
Andere Kinder mit geringerem IQ würden sich solche Lernstrategien häufig bereits in der Grundschule aneignen. Den Hochbegabten hingegen sei dort das Lernen vermutlich so leichtgefallen, dass es dazu keiner besonderen Strategien bedurfte. In der weiterführenden Schule stoßen sie bei anspruchsvolleren Lerninhalten an ihre Grenzen, was wiederum zu Frust führt. »Wird das intellektuelle Potenzial nicht ausgeschöpft, ist das oft sehr belastend für die Kinder«, sagt Tibken in einer Pressemitteilung.
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