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Herbst: Was die Laubfärbung über die Gesundheit eines Baums aussagt

Im Herbst leuchten die Baumkronen üblicherweise in Rot- und Gelbtönen. Doch der Klimawandel verändert gewohnte Wettermuster – und lässt die Blätter zunehmend erbleichen.
Diese Buchenblätter sind braun gefärbt und glänzen im Sonnenlicht
Wie sich die Blätter im Herbst färben, verrät viel – sowohl über die Gesundheit eines Baumes als auch über den Klimawandel.

Bevor Starbucks den Pumpkin Spice Latte erfand und Menschen ihre Häuser zu Halloween mit Gruselmotiven dekorierten, war das zuverlässigste Anzeichen für den Herbstanfang das sich langsam verfärbende Laub in den Baumkronen. Weil dieser Prozess allerdings nicht nur vom nass-grauen Herbstwetter, sondern auch von der Witterung des gesamten Jahres beeinflusst wird, können sich die Blätter von Jahr zu Jahr sehr unterschiedlich färben. Auch der Klimawandel spielt eine Rolle und verändert zunehmend das Aussehen des Herbstes. All das zu untersuchen, kann Forschenden dabei helfen, zu verstehen, wie es Bäumen und ganzen Wäldern während dieser wichtigen saisonalen Veränderung ergeht.

»Wenn die Sonne früher untergeht und die Temperatur sinkt, merken Bäume genau wie wir, dass es Herbst ist und der Winter naht«, sagt Amanda Gallinat, Ökologin am Colby College. Für manche Baumarten ändert der Kälteeinbruch nichts an ihrer Überlebensstrategie: Die allermeisten Tannen, Kiefern und Fichten sehen im Winter so grün aus wie immer. Doch laubwechselnde Bäume wie Eiche, Ahorn oder Buche verlieren über ihre Blätter viel Feuchtigkeit. Ist das Wasser im Boden gefroren, können sie den Verlust nicht ausgleichen. Sie verfolgen daher eine andere Strategie, um den kalten Temperaturen zu trotzen: Sie werfen ihre Blätter ab und überdauern den Winter kahl.

Energiespeicher für die kalte Jahreszeit

Im Sommer erscheinen die Blätter grün, weil das wichtigste Pigment der Fotosynthese, das Chlorophyll, grünes Licht reflektiert. Allerdings ist das Molekül auch voller Stickstoff und anderer wertvoller Bestandteile. Sobald der Winter naht, ziehen die Bäume das Chlorophyll aus ihren Blättern und lagern es im Holz ein. Sie nehmen auf diese Weise einen Teil der Nährstoffe aus dem Laub auf, um sie in der nächsten Wachstumssaison wieder zu verwenden. Dieser Prozess zeigt sich in der Herbstfärbung der Blätter.

Ist das Chlorophyll weg, kommen bei vielen Bäumen – wie zum Beispiel beim Ginkgo und bei der Amerikanischen Gleditschie (Gleditsia triacanthos) – gelbe Pigmentverbindungen, die so genannten Carotinoide, zum Vorschein. »Arten, deren Blätter sich gelb färben, hatten diese Pigmente das ganze Jahr über. Im Herbst sehen wir also einfach nur, dass die Farbe Grün fehlt«, sagt Gallinat.

Andere Arten, wie der Rotahorn oder der Amerikanische Amberbaum, produzieren speziell für den Herbst neue Pigmente: rote und violette Anthocyane. »Diese Farbpigmente wirken wie ein Sonnenschutz für das Blattgewebe, während die Pflanzen wie gewohnt das Chlorophyll daraus wiederaufnehmen«, sagt Yingying Xie, Pflanzenökologin an der Northern Kentucky University.

»Ein früher Beginn der Herbstfärbung ist oft ein sehr guter Indikator für die Gesundheit eines Baumes«Christy Rollinson, Waldökologin

Laub, das sich während der kürzer werdenden Tage leuchtend gelb, orange, rot oder violett verfärbt, deutet daher auf einen gesunden Baum hin, der seine Wachstumsphase abschließt und sich auf die nächste vorbereitet. Wenn jedoch der Zeitpunkt der Färbung oder der Farbverlauf nicht stimmen, kann dies auf Probleme aufmerksam machen. »Da Stress hierbei eine Rolle zu spielen scheint, ist ein früher Beginn der Herbstfärbung oft ein sehr guter Indikator für die Gesundheit eines Baumes«, sagt Christy Rollinson, Waldökologin am Morton Arboretum in Illinois.

Zu heiß, zu kalt, zu nass, zu trocken

Zwei Hauptfaktoren bestimmen, ob ein Baum zu herbstlichem Laub übergeht: die Tageslänge und sinkendeTemperaturen, insbesondere nachts. Wie ein Baum diese Faktoren gewichtet, hängt von der jeweiligen Art ab: Einige reagieren besser auf veränderte Umweltbedingungen als andere.

Aber unabhängig davon, wie ein Baum diese Umweltinformationen abwägt: Manchmal verrechnet er sich. So können trockene Sommer dazu führen, dass Bäume nicht in der Lage sind, ihre Blätter über die gesamte Wachstumszeit hinweg zu behalten, so dass sie Laub abwerfen, das noch grün ist. Ein nasser Herbst kann Pilze und Schädlinge begünstigen, die sowohl die Ressourcen eines Baumes als auch die strahlende Farbe seiner Blätter aufzehren. Ein unerwartet früher Frost kann das Gleiche bewirken oder dazu führen, dass sich die Blätter von grün zu braun verfärben, bevor sie abfallen. Das liegt daran, dass gefrierendes Wasser ein Blatt von innen aufreißt. »Das ist so, als würde man eine volle Wasserflasche in den Gefrierschrank stellen«, erklärt Rollinson. »Wenn sich Eis bildet und ausdehnt, zerbricht sie.«

Auf den ersten Blick erscheint die Erwärmung des Klimas also wie ein Puffer für die Bäume, der verhindert, dass sie ihre Blätter durch einen frühen Frost verlieren. Doch so einfach ist es nicht. Laut Xie müssen Forschende noch viel darüber lernen, wie sich extreme Temperatur- und Niederschlagsereignisse im Jahresverlauf auf das Herbstlaub auswirken. Insgesamt sind die Aussichten bei fortschreitendem Klimawandel aber eher düster. »Wir erwarten, dass der Herbst mit wärmeren Temperaturen weniger farbenprächtig sein wird«, sagt Gallinat.

Ein Grund für den Rückgang der Farbenpracht ist die längere Laubzeit. Werden die Herbsttemperaturen milder, beginnen Bäume mit unterschiedlichen Kälteschwellen für den Farbwechsel zu unterschiedlichen Zeiten mit ihrer Wintervorbereitung. So kann es vorkommen, dass die eine Baumgruppe bereits bunt erstrahlt und die Blätter abwirft, ehe andere Bäume es ihnen gleichtun können.

»Bäume sind wie Menschen: Jeder von ihnen ist auf unverwechselbare Weise seltsam«Christy Rollinson, Waldökologin

Auch die veränderte Zusammensetzung der Waldökosysteme selbst wird die Herbstfärbung beeinflussen. Einheimische Arten sind hervorragend an die Umgebung angepasst, in der sie sich entwickelt haben, weshalb sie eher von außergewöhnlichen saisonalen Veränderungen überrascht werden. Im Gegensatz dazu sind invasive Arten besser in der Lage, auf Veränderungen zu reagieren, indem sie ihre Wachstumszeit sowohl im Frühjahr als auch im Herbst verlängern. Im Vergleich zu einheimischen Arten verfügen sie dadurch über mehr Ressourcen, erklärt Gallinat. Dieses Phänomen könnte die schöne Laubfärbung im Herbst weiter beeinträchtigen.

Selbst wenn man all diese Einflussfaktoren berücksichtigt, ist es schwierig, die Färbung des Herbstlaubs detailliert vorherzusagen, da die Bäume sich nicht mit ihren Nachbarn abstimmen, sondern sich individuell an ihrer unmittelbaren Umgebung orientieren. »Das ist eine großartige Gelegenheit, in der eigenen Wohngegend auf Schatzsuche zu gehen, denn die Zeitpunkte, zu denen sich die Blätter verfärben, sind sehr verschieden«, meint Rollinson. »Bäume sind wie Menschen: Jeder von ihnen ist auf unverwechselbare Weise seltsam.«

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