Handelsrouten: Was macht ein Kakadu im mittelalterlichen Sizilien?
Der Stauferkaiser Friedrich II. ist auch bekannt für seine Jagdleidenschaft und seine umfangreiche Menagerie, die er auf Sizilien unterhielt. Beides vereinte er in seinem Werk »De Arte Venandi cum Avibus« (Die Kunst mit Vögeln zu jagen), das er zwischen 1241 und 1248 verfasste und das als bedeutendstes vogel- und jagdkundliches Buch seiner Zeit gilt. In dem epochalen Werk finden sich über 900 Abbildungen von Vogelarten, von denen manche erstmals in Europa in diesem Buch abgebildet wurden. Eine davon erregte besondere Aufmerksamkeit: die Farbzeichnung eines Kakadus, den Ornithologen jetzt entweder als Gelbhauben- (Cacatua galerita) oder als Gelbwangenkakadu (Cacatua sulphurea) identifizierten. Und das bedeute einen völlig neuen Einblick in mittelalterliche Handelsrouten, schreiben Heather Dalton von der University of Melbourne und ihr Team in »Parergon«.
Diesen Vogel hatte der Herrscher als Geschenk des »Sultans von Babylon« – des kurdischstämmigen al-Malik Muhammad al-Kamil – bekommen, wie Friedrich II. in seinem Buch schreibt. Und jener Sultan muss den Kakadu über einen ausgedehnten Fernhandel erhalten haben, denn beide Kakaduspezies leben tausende Kilometer entfernt. Der Gelbhaubenkakadu ist mit verschiedenen Unterarten in Australien, Neuguinea und auf angrenzenden Inseln verbreitet, der Gelbwangenkakadu kommt unter anderem auf Sulawesi und Timor vor. Kakadus gelten jedoch als langlebige und relativ robuste Vögel, die sich auch gut an menschliche Gesellschaft anpassen können. Die Chance, dass sie die wahrscheinlich mehrjährige Reise von Australasien nach Europa überlebten, war also vergleichsweise hoch.
Es war demnach durchaus möglich, dass schon im Mittelalter eine zumindest sporadische Handelsverbindung bestand, die auch auf australische Tiere, Pflanzen und Rohstoffe zurückgriff und diese bis nach Europa transportierte, wie Dalton in einem Artikel schreibt (hier auch ein Bild des Tiers). Den Kontinent selbst entdeckten Europäer dagegen erst Jahrhunderte später.
Die Analyse des Schriftwerks verschiebt zudem das Auftauchen eines Kakadus in Europa um 250 Jahre nach vorne. Bislang galt eine Abbildung aus dem Jahr 1496 auf einem Altar durch den Künstler Andrea Mantegna als Erstnachweis, den ebenfalls Dalton führte. Die roten Pigmente im Auge des Vogels deuten darauf hin, dass Friedrich II. ein Weibchen besaß – Männchen weisen fast völlig schwarze Augen auf.
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