Relativitätstheorie: Was Quecksilber flüssig macht
Im Gegensatz zu allen anderen Metallen liegt Quecksilber bereits bei Zimmertemperatur flüssig vor: Es besitzt also einen vergleichsweise extrem niedrigen Schmelzpunkt und stellte die Wissenschaft damit lange vor ein Rätsel. Nun haben Heidelberger Forscher um den Physiker Michael Wormit mithilfe von Simulationen und Computermodellen eine Erklärung für dieses exotische Verhalten gefunden: Es liegt tatsächlich an der besonderen Elektronenstruktur des Flüssigmetalls – und dessen Verhalten ließ sich nur mit der speziellen Relativitätstheorie von Albert Einstein erklären.
Mit dieser Theorie beschrieb Einstein die Eigenschaften von sehr schnell bewegter Materie, die im Quecksilberatom in Form von 80 Elektronen auftritt. Während etwa Zink oder Kadmium nur jeweils 12 Elektronen in ihrer äußersten Schale aufweisen, befinden sich beim Quecksilber dort 26. Unter anderem auf Grund des relativistischen Effekts kommt es dadurch zu einem Massezuwachs und einer schwächeren Abschirmung der Kernladung. Zugleich kommt es zu besonders großen Energiedifferenzen zwischen den verschiedenen Elektronenbändern des Quecksilbers, die dafür sorgen, dass Elektronen nur sehr schwer das Valenzband – das energetisch am höchsten liegende mit Elektronen vollbesetzte Band – verlassen und auf die äußerste, nur unvollständig mit Elektronen gefüllte Bahn wechseln können. Letztendlich verhindert dies, dass sich stabile Bindungen zwischen Quecksilberatomen ausbilden: Seine Metallbindung ist extrem schwach und das Material deshalb auch flüssig und leicht flüchtig.
Dies hatten Forscher schon vermutet, sie konnten jedoch nicht quantitativ belegen, ob dieser Effekt ausreicht. "Lange Zeit reichte die Rechnerkapazität für Simulationen und Berechnungen dieser Art einfach nicht aus", erläutert Wormit. Erst mit neuen Hochleistungscomputern konnten er und sein Team nun die atomare Struktur von Quecksilber modellieren und die Wechselwirkung der Quecksilberatome bei unterschiedlichem Druck sowie verschiedenen Temperaturen untersuchen. Ihr Ergebnis sei eindeutig, schreiben sie: "Die relativistischen Effekte sind für die Simulation von Quecksilber von entscheidender Bedeutung. Ohne diese Effekte läge der Schmelzpunkt von kristallinem Quecksilber um 105 Grad Celsius höher und es wäre bei Raumtemperatur nicht flüssig, sondern fest", so Wormit.
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