Preah Vihear: Weltkultur im Grenzkonflikt
Ein Flecken Erde, nicht einmal fünfzig Quadratkilometer groß, sorgt zwischen Kambodscha und Thailand für Streit - und das schon seit Jahrzehnten. Grund ist weniger die Region Preah Vihear selbst als die antiken Tempelanlagen, die auf diesem Grund und Boden stehen: Eine Reise zu dieser geschichtsträchtigen Stätte und ein Bild der verfahrenen Situation.
Vor das Vergnügen haben die Götter den Schweiß gesetzt. Im Falle eines Besuches des antiken Hindutempels Prasat Preah Vihear gar den Angstschweiß. Die Fahrt hinauf auf zum in 525 Meter Höhe gelegenen Felsentempel in den Dangrek-Bergen ist lebensgefährlich. Von dem Dorf Svay Chrum in Kambodscha führt ein steiler, kurvenreicher Feldweg hinauf. Manche Abschnitte sind sandig, andere bestehen aus blankem Fels, wieder andere sind entweder übersät mit Felsbrocken oder tiefen Schlaglöchern.
Aber der Tempel, der die gesamte Vielfalt und Schönheit der antiken Khmer-Architektur aufweist, ist das Risiko wert. Am Ende einer Treppe ragt eine Ruine, die Gopuram I, empor – eine Art religiöser Pavillon. Ein gepflasterter Weg führt durch vier weitere Gopuras mit Höfen, Balustraden, Nagas, Löwen, Wasserbecken hinauf zum Hauptheiligtum auf dem Gipfel des Berges, der fast senkrecht aus der kambodschanischen Ebene hervorragt und eine grandiose Aussicht bietet.
Eigentlich sollte die Grenze genau auf der Wasserscheide der Dangrek-Berge verlaufen – das hätte Prasat Preah Vihear den Thais zugesprochen. Den historischen Kontext bedenkend schlugen die Franzosen es jedoch zunächst Kambodscha zu, übergaben die Region am Ende ihrer Kolonialherrschaft Mitte der 1950er Jahre allerdings samt Heiligtum an Thailand. Doch 1962 beschied der Internationale Gerichtshof den Thais, sie hätten die Grenze 50 Jahre lang klaglos akzeptiert und damit die Souveränität Kambodschas über Prasat Preah Vihear anerkannt.
Ausgestanden ist der Streit über den Besitz des Shiva-Heiligtums, über dessen Aufnahme in die Liste des Weltkulturerbes in diesen Tagen die Unesco zu entscheiden hat, bis heute nicht. Erbittert streiten Thais und Kambodschaner darüber, wer den Antrag bei der Unesco stellen darf. Dabei waren sich die Regierungen beider Länder anfangs einig, den Status eines Weltkulturerbes für Prasat Preah Vihear gemeinsam zu beantragen.
Aber dann wurde Prasat Preah Vihear zum Spielball in der zurzeit reichlich verworrenen innenpolitischen Situation Thailands. Die inner- wie außerparlamentarische Opposition – eine fragile Koalition aus Studenten, Demokratieaktivisten, Royalisten, links-liberalen Parteien, buddhistischen Zirkeln und großbürgerlich-aristokratischem Establishment – spielt die nationale Karte.
Aber auch in Kambodscha schlagen die nationalistischen Wellen hoch. Für jeden Kambodschaner, gleich welcher Couleur, ist Prasat Preah Vihear heilig. Wie Angkor Wat steht Prasat Preah Vihear für die glorreiche Vergangenheit der Khmer, eine Vergangenheit, die den von Krieg, Bürgerkrieg und den Gräuel der Roten Khmer traumatisierten Kambodschanern ein Gefühl von Würde gibt und ein Versprechen auf eine bessere Zukunft bietet.
Preah Vihear und andere Regionen im Nordosten Kambodschas sollten aber auch nach der Befreiung Kambodschas durch Vietnam im Januar 1979 mehr als zwei Jahrzehnte eine Hochburg der Roten Khmer bleiben, bis sie am 6. Dezember 1998 ihren bewaffneten Kampf einstellten und auf dem Gelände des Tempels von Prasat Preah Vihear eine Übereinkunft mit Kambodschas Regierung über die Aufnahme eines Kontingent von 500 Rote-Khmer-Kämpfern samt Offizieren in die reguläre Armee unterzeichneten. Von den Kambodschanern wird dieser Tag nicht als Ende einer furchtbaren Vergangenheit, sondern als Beginn des langen, steinigen Wegs in eine friedliche, politisch stabile und wirtschaftliche segensreiche Zukunft gesehen.
Für Touristen soll es in Zukunft einfacher und bequemer werden, von kambodschanischer Seite aus hinauf nach Prasat Preah Vihear zu kommen. Erst vor wenigen Wochen hat die Regierung des Königreichs Kambodscha den Bau eines Sessellifts hinauf zum Sitz der Götter angekündigt.
Das macht die Fahrt auf dem Rücksitz eines unten im Dorf gemieteten Mopedtaxis zu einem Abenteuer sondergleichen – zumal sich die jugendlichen Fahrer offenkundig als unsterblich wähnen und wie die Wahnsinnigen den Berg hinauf brettern. Dass das Buschland rechts und links der Piste bei unserem Besuch vor anderthalb Jahren noch vermint waren, wie die Warnschilder rechts und links der Piste unmissverständlich klarmachen, hat das Vertrauen auf eine heile Ankunft oben am Tempel nicht gerade gefördert.
Aber der Tempel, der die gesamte Vielfalt und Schönheit der antiken Khmer-Architektur aufweist, ist das Risiko wert. Am Ende einer Treppe ragt eine Ruine, die Gopuram I, empor – eine Art religiöser Pavillon. Ein gepflasterter Weg führt durch vier weitere Gopuras mit Höfen, Balustraden, Nagas, Löwen, Wasserbecken hinauf zum Hauptheiligtum auf dem Gipfel des Berges, der fast senkrecht aus der kambodschanischen Ebene hervorragt und eine grandiose Aussicht bietet.
Der dem Gott Shiva geweihte Tempel liegt im Nordosten Kambodschas an der Grenze zur thailändischen Provinz Siskat. Völkerrechtlich gehört Prasat Preah Vihear zu Kambodscha. Thailand sieht das anders und behauptet fest, der Tempel sei ihnen durch eine willkürliche Grenzziehung Anfang des 20. Jahrhunderts abhanden gekommen. Tatsächlich hatten die Franzosen als koloniale Herren Kambodschas seinerzeit bei Festlegung der Grenze zwischen Thailand und Kambodscha ein wenig geschummelt.
Eigentlich sollte die Grenze genau auf der Wasserscheide der Dangrek-Berge verlaufen – das hätte Prasat Preah Vihear den Thais zugesprochen. Den historischen Kontext bedenkend schlugen die Franzosen es jedoch zunächst Kambodscha zu, übergaben die Region am Ende ihrer Kolonialherrschaft Mitte der 1950er Jahre allerdings samt Heiligtum an Thailand. Doch 1962 beschied der Internationale Gerichtshof den Thais, sie hätten die Grenze 50 Jahre lang klaglos akzeptiert und damit die Souveränität Kambodschas über Prasat Preah Vihear anerkannt.
Prasat Preah Vihear, das eine zentrale Rolle im religiösen Leben der Gottkönige von Angkor spielte, ist älter als Angkor Wat. Die heutige Tempelanlage, die als das größte Shiva-Heiligtum außerhalb Indiens gilt – wurde von den Königen Suryavarman I (1002–1050) und dem Angkor-Wat-Bauherrn Suryavarman II (1113–1150) erbaut. Die Khmerkönige waren damals auf der Höhe ihrer Macht. Ihr Imperium reichte vom heutigen Vietnam bis nach Birma und umfasste weite Teile des heutigen Thailand.
Ausgestanden ist der Streit über den Besitz des Shiva-Heiligtums, über dessen Aufnahme in die Liste des Weltkulturerbes in diesen Tagen die Unesco zu entscheiden hat, bis heute nicht. Erbittert streiten Thais und Kambodschaner darüber, wer den Antrag bei der Unesco stellen darf. Dabei waren sich die Regierungen beider Länder anfangs einig, den Status eines Weltkulturerbes für Prasat Preah Vihear gemeinsam zu beantragen.
Aber dann wurde Prasat Preah Vihear zum Spielball in der zurzeit reichlich verworrenen innenpolitischen Situation Thailands. Die inner- wie außerparlamentarische Opposition – eine fragile Koalition aus Studenten, Demokratieaktivisten, Royalisten, links-liberalen Parteien, buddhistischen Zirkeln und großbürgerlich-aristokratischem Establishment – spielt die nationale Karte.
Zunächst überließ Thailand Kambodscha den Antrag auf Basis einer von der Regierung in Bangkok akzeptierten Landkarte, die den Tempel selbst zeigt, nicht aber das strittige 4,5 Quadratkilometer große Territorium drumherum. Da aber inzwischen Minister oder gar die ganze Regierung über die "Preah-Vihear-Affäre" zu stürzen drohen, hat Thailand seine Unterstützung des kambodschanischen Antrags zurückgezogen und agiert auf der derzeitigen Tagung des "International Councils on Monuments and Sites" der Unesco in Toronto unverhohlen: Lobbyarbeit gegen die Aufnahme Preah Vihears als Weltkulturerbe.
Aber auch in Kambodscha schlagen die nationalistischen Wellen hoch. Für jeden Kambodschaner, gleich welcher Couleur, ist Prasat Preah Vihear heilig. Wie Angkor Wat steht Prasat Preah Vihear für die glorreiche Vergangenheit der Khmer, eine Vergangenheit, die den von Krieg, Bürgerkrieg und den Gräuel der Roten Khmer traumatisierten Kambodschanern ein Gefühl von Würde gibt und ein Versprechen auf eine bessere Zukunft bietet.
Prasat Preah Vihear ist aber auch untrennbar mit eben dieser jüngsten Geschichte Kambodschas verbunden. Militärverbände von Kambodschas damaligem Regierungschef Lon Nol, der 1970 auf der Höhe des Vietnamkrieges durch einen von den USA unterstützten Staatsstreich an die Macht gekommen war, leisteten dort letzten, vergeblichen Widerstand gegen die Truppen der Roten Khmer, die sich im April 1975 an die Macht geputscht hatten.
Preah Vihear und andere Regionen im Nordosten Kambodschas sollten aber auch nach der Befreiung Kambodschas durch Vietnam im Januar 1979 mehr als zwei Jahrzehnte eine Hochburg der Roten Khmer bleiben, bis sie am 6. Dezember 1998 ihren bewaffneten Kampf einstellten und auf dem Gelände des Tempels von Prasat Preah Vihear eine Übereinkunft mit Kambodschas Regierung über die Aufnahme eines Kontingent von 500 Rote-Khmer-Kämpfern samt Offizieren in die reguläre Armee unterzeichneten. Von den Kambodschanern wird dieser Tag nicht als Ende einer furchtbaren Vergangenheit, sondern als Beginn des langen, steinigen Wegs in eine friedliche, politisch stabile und wirtschaftliche segensreiche Zukunft gesehen.
Doch noch ist von dieser Zukunft nicht viel zu spüren. Selbst auf dem Tempelgelände ist der Zwist zwischen Thais und Kambodschanern ständig präsent. Die meisten der Händler, die Cola, Kokosnüsse und Khmersouvenirs feilbieten, sind ebenso thailändisch wie die Handysignale, die die Funksignale der kambodschanischen Provider überlagern. Die Kambodschaner lassen sich ihrerseits allerdings auch nicht lumpen, was den Nationalismus betrifft: Wer von Thailand aus die steile Treppe hinaufkeucht hat immer die kambodschanische Flagge vor Augen, die stolz auf der ersten Gopura weht. Etwa auf dem halben Weg zum Shiva-Heiligtum verkündet ein Schild in Khmer und Englisch "I have pride to be born as Khmer".
Für Touristen soll es in Zukunft einfacher und bequemer werden, von kambodschanischer Seite aus hinauf nach Prasat Preah Vihear zu kommen. Erst vor wenigen Wochen hat die Regierung des Königreichs Kambodscha den Bau eines Sessellifts hinauf zum Sitz der Götter angekündigt.
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