Direkt zum Inhalt

News: Wenig nahrhafte Ameisen

Nicht selten gerät das eingespielte Miteinander aus den Fugen, wenn exotische Arten in einen neuen Lebensraum eindringen - mitunter mit verheerenden Folgen. So verdrängte eine nach Amerika eingeschleppte argentinische Ameise allmählich ihre einheimischen Verwandten. Doch damit nicht genug: Offenbar zeichnet sie sich auch für den rapiden Rückgang der Kronen-Krötenechse verantwortlich. Auf dem Speiseplan dieses Reptils standen bislang die angestammten Ameisen; die Neuankömmlinge scheinen hingegen keinerlei Nährwert für sie zu besitzen.
Vermutlich als blinder Passagier gelangte die nur etwa zwei Millimeter lange argentinische Ameise Linepithema humile an Bord von mit Kaffee oder Zucker beladenen Schiffen vor rund 100 Jahren nach Amerika. Von dort traten die winzigen dunkelbraunen und schwarzen Neuankömmlinge ihren Siegeszug durch Kalifornien und die südlichen Teile der Vereinigten Staaten an. Im Kampf um die lebensnotwendigen Ressourcen erwiesen sich die exotischen Einwanderer als überlegen und verdrängten ihre bis zu 10-mal größeren angestammten Verwandten. Lediglich die Feuerameisen im Südosten vermögen der weiteren Ausbreitung der argentinischen Ameise noch Grenzen zu setzen.

Und der fremde Eindringling bringt die fein aufeinander abgestimmte Lebensgemeinschaft ganz gehörig aus dem Gleichgewicht, wie Andrew Suarez und seine Kollegen von der University of California in San Diego herausfanden. Als die Wissenschaftler 21 Lokalitäten in vier Landkreisen im südlichen Kalifornien auf ihre Artenzusammensetzung untersuchten, kamen sie zu folgender Erkenntnis: Überall dort, wo sich die argentinische Ameise angesiedelt hatte, war das Vorkommen der Kronen-Krötenechse (Phrynosoma coronatum) um 50 Prozent zurückgegangen. Entweder waren ihre Populationen klein, oder das Tier fehlte gänzlich in den Gebieten.

Und an dieser drastischen Abnahme der Reptilien sind die Neuankömmlinge wesentlich mitschuldig. Bislang bevorzugten die Echsen als Nahrung jene größeren heimischen Ameisenarten, die leicht zu fangen waren. Doch die argentinische Ameise vermag offensichtlich kein angemessener Ersatz zu sein, denn die Reptilien scheinen diese winzigen Insekten nicht verspeisen zu wollen. Und wohl aus gutem Grund, wie die Forscher in Fütterungsexperimenten mit kleinen Echsen feststellten, deren Nahrung einzig und allein aus argentinischen Ameisen bestand.

Jene exotischen Ameisen erwiesen sich als wenig nahrhaft: Die jungen Reptilien zeigten keinerlei Wachstum, und nicht selten verloren sie bei dieser einseitigen Ernährung sogar an Gewicht. Standen jedoch jene Insekten auf dem Speiseplan, wie sie für einen Lebensraum typisch sind, in dem der Einwanderer nicht vorkommt, wuchsen die Echsen ganz normal. "Die Nahrung der Kronen-Krötenechsen verändert sich, wenn diese größer werden, und zwar von kleineren zu größeren Ameisenarten", erläutert Suarez.

Demnach ist eine Vielfalt von Ameisen notwendig, um das Überleben der Echsen zu gewährleisten. Fehlt diese Lebensgrundlage, so gehen ihre Bestände rapide zurück. Doch nicht nur die argentinische Ameise macht den Reptilien zu schaffen, sondern auch die Zerstörung ihres bevorzugten Lebensraumes. Denn die einst unberührten Küsten-Sanddünen und dichte Buschvegetation sind oftmals nur noch bruchstückhaft vorhanden. Um die Populationen dieser Echsen zukünftig zu bewahren, gilt es nicht nur, ausreichend Lebensraum unter Schutz zu stellen, sondern diesen auch regelmäßig zu überwachen, damit keine exotischen Ameisen einwandern, hebt Suarez hervor.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.