Ornithologie: Wer solche Freunde hat ...
Koalitionen gibt es auch im Tierreich: Vögel oder Säuger schließen sich beispielsweise zusammen, um gemeinsam dem gefräßigen Feind zu entgehen - ein Handel auf Gegenseitigkeit. Bisweilen egoistische Trittbrettfahrer bleiben da nicht aus, wie nun ein Beispiel aus Südafrikas Vogelwelt belegt.
Immer wenn der Jäger vom südafrikanischen Volk der San – besser bekannt als Buschmänner – sein Blasrohr auf die potenzielle Beute ansetzte, vermasselte ihm dieser penetrante Vogel den Abschluss. "Go away, go away", so tönte es aus dem Kronenraum der Akazien, wo ein Grauer Lärmvogel (Corythaixoides concolor) aus der Familie der Turakos mit scharfen Augen wachte und die Tierwelt am Boden vor Feinden warnte. Am Ende hatte der Waidmann genug vom Treiben seines unerwünschten Begleiters: Er erlegte den Vogel und delektierte sich nun an diesem statt an einem Vierbeiner – so zumindest endete die Szene in dem südafrikanischen Naturfilm "Die lustige Welt der Tiere" aus dem Jahr 1974.
Beiderseitiger Vorteil
Auch wenn das tragische Ende des gefiederten Alarmgebers vielleicht das Gegenteil nahelegt, so sind artübergreifende Warnrufe in der Natur nicht nur durchaus häufig, sondern meist auch zum beiderseitigen Vorteil. Erspähen beispielsweise die scharfen Augen der nordamerikanischen Schwarzkopfmeisen ein Käuzchen im Gebüsch, ist das Gezeter groß. Von den typischen Klängen angelockt, eilen sofort Kanadakleiber herbei und beteiligen sich am Eulen-Mobbing, bis der Jäger sich entnervt verzieht – und die Gefahr für beide gebannt ist. Gleiches gilt für die typischen bunt gemischten Vogelschwärme der Tropen, wo immer einer wacht, während der Rest unbehelligt fressen kann und bei Risiko gemeinsam flieht.
Nicht immer erklingen die Warnlaute jedoch aus Sorge um Artgenossen und temporäre Weggefährten oder gar aus purem Altruismus, wie Forschungsergebnisse von Amanda Ridley von der Universität Kapstadt und ihren Mitarbeitern rund um südafrikanische Trauerdrongos (Dicrurus adsimilis) und Elsterndrosslinge (Turdoides bicolor) zeigen. Meist erjagen die Drongos ihre Beute wie Schmetterlinge oder Schrecken aus der Luft, in dem sie ihnen auf einem Zweig sitzend auflauern und sie nach kurzem Flug erhaschen. Erblicken sie aus ihrer Warte einen potenziell gefährlichen Greifvogel, stoßen sie einen charakteristischen Ruf aus – auch um den möglichen Angreifer vorzuwarnen, dass er entdeckt ist und die Aussichten auf Erfolg nun gering sind. Das erspart beiden energiezehrende Aktionen; zudem gelten die Drongos als relativ angriffslustig Greifen gegenüber, die entsprechend unangenehme Situationen dann lieber meiden.
Selbstloses Verhalten?
Bisweilen folgt ein einzelner Dicrurus adsimilis aber auch einer Gruppe Elsterndrosslinge, die ihre Nahrung vornehmlich im Erdreich finden. Auf der Suche nach Käferlarven und Würmern müssen sie allerdings mit ihrem Schnabel im Boden stochern, sodass sie nicht gleichzeitig nach Feinden spähen können. Es muss also entweder abwechselnd einer der Drosslinge wachen, oder sie vertrauen auf externe Alarmgeber, die zuverlässig vor nahenden Habichten, Schlangen oder Schleichkatzen warnen – eine Rolle, die der Drongo gerne übernimmt.
Während er bodenständige Räuber bei der alleinigen Futtersuche missachtet, pfeift er erregt in Gesellschaft der Drosslinge, sobald sich ein derartiger Fressfeind nähert. Mit Erfolg, denn in neunzig Prozent der Fälle gehen die dankbaren Vogelkameraden in Deckung und entgehen damit dem vorzeitigen Ableben. Ist ein Trauerdrongo zugegen, widmen sich die Elsterdrosslinge sogar fast völlig der Nahrungssuche und überlassen den Schutz ihrem Begleiter, so sehr haben sie sich an deren Aufpasserfunktion gewöhnt.
Oder doch nicht?
Doch so selbstlos, wie dieses Verhalten scheint, agiert der Drongo nicht immer: Jeder dritte Alarm ist ein falscher, und die Luft in Wirklichkeit rein. Nichtsahnend stürzen sich die Drosslinge dennoch ins Gebüsch und lassen dabei mitunter frisch ausgegrabene Engerlinge oder Würmer zurück. Das ist der Moment, auf den der Drongo gewartet hat, denn unbehelligt kann er sich nun fette Beute einverleiben, an die er sonst nicht gekommen wäre und für deren Äquivalent er öfter fliegende Insekten schnappen müsste. Allerdings zeigen die Studien von Ridley und ihren Kollegen, dass er mit beiden Methoden jeweils etwa gleich viel Nahrung aufnimmt.
Obwohl dieser Kleptoparasitismus – so bezeichnen die Biologen das Verhalten – also recht lukrativ ist, können ihn die Drongos nur so selten einsetzen, dass die hinter das Licht geführten Drosslinge nicht irgendwann misstrauisch werden. Für Schlechtwetterperioden, in denen fliegende Beute rar ist, bietet es jedenfalls eine passable Alternative. Und eine gewisse – wenngleich ergaunerte – Belohnung haben sich die Trauerdrongos für ihre ansonsten ehrliche Überwachungsarbeit doch auch verdient, wenn die Schützlinge sie schon nicht freiwillig gewähren.
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