Holzmafia: Räuber und Gendarm im Wald
Als im April 2014 eine Ladung aus 420 Tonnen tiefroten Baumstämmen einen Hafen in Sri Lanka erreichte, beäugten die Zollbeamten diese argwöhnisch. Das Holz war von der tansanischen Insel Sansibar auf dem Weg nach Hongkong, wo aus ihm wahrscheinlich teure Möbel für den chinesischen Markt gefertigt würden. Dank eines Hinweises der internationalen Polizeiorganisation Interpol wurden die Zöllner in Sri Lanka jedoch darauf aufmerksam, dass die 3669 Palisanderholzstämme in Wirklichkeit aus Madagaskar stammten. Dort sind derartige Exporte seit dem Jahr 2010 verboten.
Um die Herkunft des Holzes nachzuweisen, schickten die sri-lankischen Behörden Proben an ein Labor im US-amerikanischen Bundesstaat Oregon, dessen Mitarbeiter mit einem knapp 180 000 Euro teuren Massenspektrometer eine neue Waffe im Kampf gegen illegale Abholzungen erprobten. Innerhalb von Sekunden fanden die Wissenschaftler des U.S. Fish and Wildlife Service Forensics Laboratory in Ashland heraus, dass das Holz die eindeutige chemische Signatur einer auf Madagaskar vorkommenden Palisanderart trug und es sich nicht um Hölzer handelte, deren Ausfuhr gesetzlich gestattet war.
Nach einem Rückgang zu Beginn des neuen Jahrtausends steigt der Handel mit illegal geschlagenem Nutzholz mittlerweile wieder beträchtlich an. Schätzungen Interpol zufolge werden bei 15 bis 30 Prozent des weltweiten Holzgeschäfts gegen nationale Gesetze oder internationale Verträge verstoßen. In einigen tropischen Ländern, etwa der Demokratischen Republik Kongo, Laos oder Papua-Neuguinea, kann der Handel mit Hölzern aus illegalem Einschlag sogar mehr als 70 Prozent der gesamten Produktion ausmachen. Auf diesem Markt werden jährlich zwischen 10 und 100 Milliarden US-Dollar (etwa 9 bis 90 Milliarden Euro) umgesetzt, vermeldet der in Wien ansässige Internationale Verband Forstlicher Forschungsanstalten (IUFRO) in einem 2016 veröffentlichten Bericht.
Einige hoch entwickelte Länder wie die Vereinigten Staaten, Südkorea und manche Mitgliedsstaaten der Europäischen Union haben mittlerweile die Einfuhr von Hölzern aus illegalen Quellen sowie der aus ihnen hergestellten Produkte verboten. Außerdem wurden Holzimporteure dazu verpflichtet, einen Nachweis über die Rechtmäßigkeit ihrer Lieferungen zu erbringen. Das Übereinkommen über den internationalen Handel mit gefährdeten frei lebenden Tieren und Pflanzen (Convention on International Trade in Endangered Species of Wild Fauna and Flora, CITES) wurde von 183 Ländern unterzeichnet und verbietet oder beschränkt den Handel mit den am stärksten gefährdeten Tier- und Pflanzenarten. 2016 wurden sämtliche zur Gattung Dalbergia zählenden Palisandergehölze auf die CITES-Liste der bedrohten Spezies gesetzt.
Weltweites Geschäft
Diese Bemühungen lassen darauf schließen, dass das Geschäft mit illegalen Holzimporten floriert, was zum Teil auch daran liegt, dass diese kriminellen Aktivitäten sehr schwer aufzudecken sind. Von Brasilien und Madagaskar bis zu den rumänischen Karpaten gelangen Bäume auf verschlungenen Wegen in die Wohnzimmer der Menschen. Und die Holzmafia bedient sich zahlreicher Tricks und Kniffe, um geschickt zu vertuschen, dass die Hölzer illegal gewonnen wurden. So können etwa in einem einzigen Stück Sperrholz 18 verschiedene Tropenhölzer enthalten sein. Und das Herkunftsland einer in Russland unerlaubt gefällten Eiche, die nach Vietnam transportiert und dort zu einem Tisch verarbeitet wird, hat sich so auf mysteriöse Weise verändert, wenn sie schließlich bei einem Händler in den Vereinigten Staaten landet.
Belastende Dokumente sind im weltweiten Holzgeschäft leicht zu fälschen. Zur Bekämpfung des illegalen Holzhandels machen sich die verantwortlichen Behörden und die zu härterem Durchgreifen gezwungenen Unternehmen daher zunehmend Technologien zu Nutze, die charakteristische Erkennungsmerkmale von unerlaubt geschlagenen Bäumen nachweisen können. Wissenschaftler entwickeln gerade eine Reihe von Werkzeugen, mit deren Hilfe sich eine Baumart, ihr Ursprungsland und sogar das Gebiet, in dem sie einst wuchs, identifizieren lassen. Dank technischer Fortschritte bei Verfahren wie etwa dem chemischen und genetischen Fingerabdruck ist es heutzutage möglich, den ursprünglichen Standort eines Baums zu bestimmen; manchmal lässt sich dieser sogar auf ein definiertes Waldstück eingrenzen. Einige dieser Methoden werden bereits eingesetzt, um Straftäter zu fassen.
Dennoch haben ein paar ganz wesentliche Hindernisse den routinemäßigen Einsatz dieser Techniken bislang verhindert, allen voran das Fehlen von Referenzproben, mit denen verdächtige Hölzer abgeglichen werden können. Inzwischen sind aber erste Fortschritte beim Aufbau eines Baumarchivs zu verzeichnen, das sämtliche Wälder unserer Erde umfassen soll. Im Februar 2019 hatte die US-amerikanische Regierung zusammen mit zahlreichen internationalen Partnern ihre Absicht erklärt, Ressourcen in eine wissenschaftlich betreute Sammlung von mehreren Tausend georeferenzierten Baumproben zu investieren. »Ich bin davon überzeugt, dass wir in fünf bis zehn Jahren bei jedem Holzprodukt genau wissen werden, woher es kommt«, meint Phil Guillery, Leiter des Programms zur Sicherung der Integrität von Lieferketten beim Forest Stewardship Council (FSC), einer in Bonn ansässigen freiwilligen Zertifizierungsstelle, die zusammen mit anderen das Baumarchivprojekt vorantreibt. »Die Wissenschaft lässt sich nicht manipulieren.«
Anatomie eines Verbrechens
Schaut man aus dem Fenster des Büros von Peter Gasson an den Royal Botanic Gardens im Londoner Stadtteil Kew, fällt der Blick sofort auf einen riesigen Eukalyptusbaum. Drinnen stapeln sich im Labor des Experten für Holzanatomie zahlreiche Kuriositäten: »Eichenholz«-Jalousien, die in Wirklichkeit aus Nadelholz gefertigt wurden, und schichtkuchenartiges Sperrholz aus China mit einer verräterischen Furnieroberfläche. In einem Schrank lagern 36 000 Objektträger, auf denen hauchdünne Holzprobenscheiben aus der riesigen Sammlung von Kew Gardens fixiert sind. Eine mikroskopische Analyse enthüllt mehr als 100 Merkmale, die die Identität einer Probe preisgeben.
Unter der Rinde eines Baums verbergen sich zwei verschiedene Holzarten. Eine äußere Splintholzschicht enthält das so genannte Xylem – die Leitungsbahnen, in denen der Transport von Wasser und Mineralstoffen stattfindet. In der inneren Schicht, dem so genannten Kernholz, ist ein Großteil des Xylems durch Harzeinlagerungen blockiert und daher nicht mehr aktiv. Ein Querschnitt des Holzes lässt den ringförmigen Durchmesser der Leitungsgefäße erkennen, während ein Längsschnitt ihre langen Bahnen enthüllt, die dem Holz seine typische Maserung verleihen. Je nach Baumgattung können die Gefäße ordentlich in konzentrischen Kreisen angeordnet oder ungleichmäßig innerhalb des Stamms verteilt sein.
In Gassons Labor finden sich einige hundert, schwer verständliche Handbücher zum Thema Holzanatomie, »aber das meiste ist hier drin«, sagt der Wissenschaftler und deutet auf seinen Kopf. 30 Jahre hat es gedauert, um den Eigenarten der etwa 30 000 Baumarten unserer Erde auf den Grund zu gehen und sich dieses wertvolle Wissen anzueignen. Als Folge von Personalkürzungen ist Gasson mittlerweile der einzige Holzanatom an den Royal Botanic Gardens und einer von nur 131 Mitgliedern der International Association of Wood Anatomists.
Der Bedarf an Holzexperten ist heutzutage allerdings größer denn je. »Noch nie waren Holzanatomen dermaßen begehrt«, berichtet Alex Wiedenhoeft, Gassons Pendant am U.S. Forest Products Laboratory in Madison, Wisconsin. Einen wahren Höhenflug hat Gerald Koch vom Thünen-Kompetenzzentrum Holzherkünfte in Hamburg der Holzanatomie beschert, als er mit ihrer Hilfe einen weit reichenden Skandal aufdeckte, der die Lieferungen von Holzkohle nach Europa betraf. 2017 hatte sich die Naturschutzorganisation WWF Deutschland an Koch gewandt. Die Umweltschützer befürchteten, dass man in Deutschland unwissentlich Holzkohle verwendete, die von Bäumen aus geschützten Wäldern stammte.
Der Holzkohleskandal
Wegen ihrer spröden Konsistenz lassen sich aus Holzkohle keine Dünnschnitte anfertigen, die die Holzanatomen normalerweise unter dem Mikroskop analysieren. »Wenn man Holzkohle mit einem Messer zerschneidet, erhält man bloß Pulver«, verdeutlicht Koch. Seine Arbeitsgruppe entwickelte daher eine Möglichkeit, um aus den uneinheitlich geformten Holzkohlestücken die entsprechenden mikroskopischen Schnitte digital zu rekonstruieren. Die Wissenschaftler verwendeten für ihre Zwecke ein spezielles 3-D-Auflichtmikroskop und waren die Ersten, die diese Technologie auf dem Gebiet der Holzanatomie einsetzten.
Aus den von Koch und seinen Kollegen durchgeführten Analysen folgerte Johannes Zahnen, Experte für Forstpolitik beim WWF Deutschland, dass 40 Prozent der überprüften Holzkohleproben aus tropischen Ländern stammten. »Das hat uns alle ziemlich überrascht«, räumt der WWF-Mitarbeiter ein. Auf der Basis dieser Untersuchungsergebnisse und anderer zweifelhafter Herkunftsangaben, die Koch jedoch als falsch entlarven konnte, gelang es Zahnen, einen Großteil der in Deutschland verwendeten Holzkohle auf die Ursprungsländer Paraguay und Nicaragua zurückzuführen; dort ist illegaler Holzeinschlag weit verbreitet. Die Nachforschungen setzten europaweit ähnliche Ermittlungen in Gang und trugen schließlich dazu bei, einen größeren illegalen Abholzungsbetrug in der Ukraine aufzudecken.
Der Mangel an Holzanatomen brachte einige Forscher auf die Idee, Maschinen als Hilfsmittel zu verwenden. Am U.S. Forest Products Laboratory in Madison haben Wiedenhoeft und der Ingenieur John Hermanson den so genannten XyloTron entwickelt. Sie hoffen, dass er als »Screeningwerkzeug« im Freiland eingesetzt wird und Kontrolleure auf verdächtige Hölzer aufmerksam macht, die einer genaueren forensischen Analyse unterzogen werden sollten. Das Gerät besteht aus einer Spezialkamera und einem Computer, auf dem eine Sammlung von Referenzbildern zur Identifizierung der verschiedenen Holzarten installiert ist, und wird zurzeit in Feldversuchen getestet.
CSI Holz
Aber selbst mit technischen Verfahren wie dem XyloTron und Kochs 3-D-Auflichtmikroskop sind Holzanatomen häufig nicht in der Lage, die Herkunft eines Baums oder einer Baumart festzustellen. Diese Angaben sind jedoch überaus wichtig, da die Legalität eines Holzgeschäfts davon abhängen kann, aus welcher Quelle eine bestimmte Holzart stammt. Vor einigen Jahren hatte die Environmental Investigation Agency (EIA) genau diese Art von Informationen im Zusammenhang mit einer ihrer Untersuchungen benötigt. Die gemeinnützige Nichtregierungsorganisation mit Sitz in Washington D. C. hegte damals den Verdacht, dass Bestände von Mongolischen Eichen (Quercus mongolica) in ostrussischen Wäldern geplündert wurden und der US-amerikanische Vertreiber von Hartholzböden Lumber Liquidators Eichenholz bezog, das nicht aus legalen Quellen in China, sondern aus Russland kam.
Um die Herkunft der an Lumber Liquidators gelieferten Hölzer nachzuweisen, nahmen EIA-Mitarbeiter Kontakt mit der Firma Agroisolab auf, einem Labor für Isotopenanalytik mit Niederlassungen im britischen Welburn und in Jülich. Bei Agroisolab wird mit der so genannten Stabilisotopenverhältnisanalyse ein Verfahren angewendet, das Variationen in den Anteilen verschiedener nichtradioaktiver Isotope der Elemente Sauerstoff, Wasserstoff und Stickstoff erfasst. Abhängig von der Geologie des Bodens und den lokalen Wetterbedingungen unterscheiden sich die Isotopenverhältnisse von Landschaft zu Landschaft und hinterlassen ihre Spuren im Gewebe eines Baums, wenn dieser Wasser und Nährstoffe aus seiner Umgebung aufnimmt.
Die Etablierung dieser Technik bei Bäumen sei ziemlich knifflig gewesen, erklärt der Geschäftsführer von Agroisolab, Roger Young. Für ein verlässliches Ergebnis benötigt man nämlich eine Landkarte der Isotopenverhältnisse von relevanten Pflanzen aus allen Regionen, die für die jeweilige Untersuchung von Interesse sind. Außerdem müssten die Referenzproben sehr sorgfältig genommen werden, ergänzt Bernd Degen, Leiter des Thünen-Instituts für Forstgenetik in Großhansdorf, da geografische Faktoren, wie etwa die Nähe zu einem Fluss, das Isotopenverhältnis beeinflussen können. Sogar im Holz ein und desselben Baums können die Jahresringe in ihrer Isotopenzusammensetzung variieren – je nachdem, welche Umweltbedingungen in den verschiedenen Wachstumsjahren herrschten.
Bei ihren Nachforschungen im Zusammenhang mit der Lieferkette von Lumber Liquidators sammelten EIA-Mitarbeiter in chinesischen Fabriken, die Fußbodenbeläge herstellten, und in russischen Sägewerken Holzproben. Als sie diese zur weiteren Untersuchung an Agroisolab schickten, stießen sie jedoch auf ein Problem. Obwohl das Analytiklabor über eine Vielzahl von Eichenholzproben aus anderen Teilen der Welt verfügte, besaß es keine aus Russland oder China, die als mögliche Herkunftsländer in Frage kamen. Vertreter des WWF, der sich auch an den Recherchen der EIA beteiligte, reisten daraufhin ins östliche Russland und nahmen an 50 verschiedenen Standorten Referenzproben. Deren Isotopenverhältnisse zeigten eine deutliche Übereinstimmung mit der Isotopenzusammensetzung der verdächtigen Hölzer – das von Lumber Liquidators bezogene Eichenholz stammte also tatsächlich von Mongolischen Eichen in Russland und nicht etwa aus China.
Die EIA gab ihre Ergebnisse an die US-amerikanischen Strafverfolgungsbehörden weiter, die ebenfalls Ermittlungen im Zusammenhang mit den Eichenholzlieferungen an Lumber Liquidators aufgenommen hatten. Die Resultate der Isotopenanalysen konnten das Beweismaterial untermauern, das die ermittelnden Beamten bereits in Form von belastenden Firmenunterlagen sichergestellt hatten. Im Jahr 2016 bekannte sich das Unternehmen im Sinne der Anklage schuldig und erklärte sich bereit zur Zahlung einer Geldstrafe in Höhe von 13 Millionen US-Dollar – die höchste Geldsumme, die je in den USA als Strafe für den Handel mit illegal gewonnenen Hölzern verhängt wurde.
Zwar wurde der Prozess nicht wegen der Ergebnisse aus der Stabilisotopenanalyse gewonnen; wenn diese Technologie aber bereits zu Beginn der Ermittlungen zur Verfügung gestanden hätte, »hätten die rechtswidrigen Geschäfte von Lumber Liquidators vielleicht schon einige Jahre früher aufgedeckt und der Rückfluss von Geldern nach China und in den äußersten Osten Russlands verhindert werden können, der die illegalen Abholzungen weiter unterstützte«, so formulierte es das US-Justizministerium in einer Pressemitteilung.
Jener Fall habe für einen grundlegenden Wandel in der Szene gesorgt, unterstreicht Meaghan Parker-Forney, Genetikerin am World Resources Institute in Washington D. C., denn er habe gezeigt, dass man den Ort bestimmen konnte, an dem ein Baum gefällt worden war. Die Billigung des Verfahrens durch die US-Regierung habe den Menschen zudem deutlich gemacht, dass »dies tatsächlich ein sehr wertvolles Werkzeug im Kampf gegen den illegalen Holzhandel sein kann, und wir diesen Ansatz vielleicht weiterverfolgen sollten«, ergänzt die Wissenschaftlerin.
Chemische Fingerabdrücke
Der Duft von Agarholz-Räucherstäbchen und die verräterische Farbe von Palisander rühren von der chemischen Zusammensetzung der Holzarten her, die je nach Genetik und Umweltbedingungen variiert. Am U.S. Fish and Wildlife Service Forensics Laboratory können diese chemischen Fingerabdrücke jetzt mit Hilfe einer ausgefeilten Technik sichtbar gemacht werden: der so genannten Direct Analysis in Real Time (Time of Flight) Mass Spectrometry (DART-TOFMS). Bei dieser Methode werden zahnstochergroße Holzproben mit einem Strahl heißer Heliumionen beschossen. Diese spalten Moleküle von der Holzoberfläche ab, ionisieren sie und treiben sie in Richtung des Massenspektrometers. Dort werden die Ionen beim Durchqueren elektrischer und magnetischer Felder entsprechend ihrer Masse aufgetrennt, und es entstehen individuelle Spektren. Ist eine ausreichend große Sammlung von Referenzproben vorhanden, können mit diesem Verfahren zwei anatomisch nicht unterscheidbare Holzarten »wie Tag und Nacht« auseinandergehalten werden, erläutert die im Forensiklabor des U.S. Fish and Wildlife Service tätige Chemikerin Cady Lancaster.
Der Chemiker Edgard Espinoza ist einer der Wissenschaftler, die den Weg für die Anwendung der DART-TOFMS-Technik zur Untersuchung von Holzproben bereiteten. Seit 2013 analysiert er im Auftrag der US-Zollbehörde verdächtige Objekte, darunter auch jene Palisanderholzlieferung, die in einem Hafen von Sri Lanka sichergestellt wurde. Zusammen mit Lancaster arbeitet Espinoza zudem am Aufbau einer Referenzprobensammlung, die Tausende von Hölzern aus aller Welt umfassen soll. Schon jetzt sind in dieser Kollektion sämtliche kommerziell gehandelten Holzarten enthalten, die im Washingtoner Artenschutzabkommen (CITES) aufgelistet sind. Eine weitere viel versprechende Methode zur Herkunftsbestimmung von Hölzern ist der genetische Fingerabdruck. Das Verfahren macht sich die spezifische genetische Ausstattung einzelner Bäume zu Nutze und kann bereits einige Erfolge vorweisen, etwa bei der Jagd nach den Schuldigen, die 2015 im Gifford Pinchot National Forest im US-Bundesstaat Washington zahlreiche Exemplare des Oregon-Ahorns (Acer macrophyllum) illegal gefällt hatten. Mit Hilfe des genetischen Fingerabdrucks gelang es den Ermittlern, an einem Sägewerk im Bundesstaat Washington beschlagnahmte Bretter exakt den entsprechenden Baumstümpfen des Walds zuzuordnen, aus dem die Bäume stammten.
Da der illegale Holzeinschlag und der mit ihm verbundene Handel weltweit keine Grenzen kennen, sind solche eindeutigen Rückschlüsse auf die Herkunft von Hölzern eher selten. Forscher hoffen jedoch, dass ihnen die genetische Variation – die Unterschiedlichkeit von individuellen Genotypen in einer Population – dabei hilft, verdächtige Hölzer den lokalen oder regionalen Populationen einer Baumart zuzurechnen. Auf diese Weise kann womöglich nachgewiesen werden, dass eine angeblich aus Brasilien stammende Lieferung Mahagoniholz in Wirklichkeit das genetische Profil von Bäumen aus dem Nachbarland Kolumbien aufweist.
Doch um diese Methode und alle anderen Verfahren erfolgreich anwenden zu können, benötigt man ein Archiv, das die georeferenzierten Daten der gesamten Wälder unserer Erde enthält. Leider fehlen bei den meisten der vielen hunderttausend Holzproben, die bislang zusammengetragen wurden, genaue Angaben zu ihrer Herkunft. Daher schwärmen Wissenschaftler gerade in Scharen in die Wälder aus, um auf der ganzen Welt entsprechende Proben zu nehmen.
Ein Baumarchiv
Weder die hohe Luftfeuchtigkeit noch die stechenden Insekten des Regenwalds in Französisch-Guyana machten Niklas Tysklind, einem Spezialisten für ökologische Genetik vom Institut National de la Recherche Agronomique in Paris, zu schaffen. Es waren die Botaniker, die ihm auf seiner Expedition im Jahr 2014 einfach keine Ruhe ließen. Tysklind war nach Französisch-Guyana gereist, um Holz- und Blattproben von Manilkara huberi zu gewinnen, einer der drei Baumarten, die gemeinhin unter dem Namen Balatá bekannt sind. Die Probennahme stand im Zusammenhang mit dem vom Thünen-Institut geleiteten Large Scale Project on Genetic Timber Verification, das zur Beschaffung genetischer Referenzdaten von Bäumen in Afrika und Lateinamerika dienen sollte.
Im Lauf der Expedition fanden die Botaniker allerdings heraus, dass es sich bei Balatá nicht um eine einzige Art, sondern möglicherweise um mehr als ein Dutzend verschiedener Arten handelt. Als die Zahl der identifizierten Spezies auf 16 angestiegen war, »begann meine Hoffnung langsam zu schwinden«, gesteht Tysklind. Tätigkeiten wie diese lassen das Erstellen von Referenzkarten und Datenbanken zu einem gigantischen Unterfangen werden.
Das Forest Stewardship Council (FSC) versucht, derartige Bemühungen zu unterstützen, und hat in Zusammenarbeit mit den Royal Botanic Gardens in London, dem U.S. Forest Service, der Firma Agroisolab und anderen das Global Timber Reference Project ins Leben gerufen. In den etwa 1500 FSC-zertifizierten Wäldern sollen Holzproben in einer Art und Weise genommen werden, die den technischen Anforderungen der diversen Identifizierungstechniken genügt. Die geografischen Herkunftsdaten der Hölzer sollen zudem präzise dokumentiert und die Proben auf einem hinreichend sicheren Weg vom Baum in ein Archiv befördert werden, so dass jede von ihnen als zulässiges Beweismittel vor Gericht verwendet werden kann.
Eine Datenbank allein wird dem illegalen Holzeinschlag kein Ende bereiten. Dennoch sind Gesetzeshüter, Nachforschungen betreibende Nichtregierungsorganisationen und Wissenschaftler vorsichtig optimistisch, dass sie eine Wende im illegalen Holzhandel einleiten können. »Sobald die Industrie, die Holzhändler merken, dass es eine funktionierende Rückverfolgungsmethode gibt, wirkt dies wie ein Streifenpolizist in einem Stadtviertel«, verdeutlicht Young. »Die Wahrscheinlichkeit, gefasst zu werden, ist jetzt nicht mehr gleich null.«
Der Artikel erschien ursprünglich unter dem Titel »Cops and Loggers« in Nature 568 (2019).
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