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News: Wie ein Virus verstecken spielt

Um dem Immunsystem des Wirtes möglichst erst gar nicht aufzufallen, kennen die eindringenden Viren eine ganze Palette an Taschenspielertricks, die sie wie Asse aus dem Ärmel ziehen. So versteckt sich das für Kaninchen infektiöse Myxoma-Virus für das Immunsystem unaufspürbar, da es auf der Zelloberfläche keinerlei Spuren seiner Anwesenheit hinterlässt. Auch die für Menschen gefährlichen Virenstämme wie HIV, Herpes- und Adenoviren nutzen jeweils einen der drei bei Myxoma aufgespürten Versteckspiele.
So raffiniert ein Virus ist, so unselbstständig ist es auch, denn für eine Vermehrung benötigt es die Hilfe einer fremden Zellmaschinerie. Und somit genügt es dem Winzling nicht, eine Zelle zu entern und sich dort heimisch niederzulassen, sondern er programmiert auch Teile der Wirtszelle für seine eigene Vermehrung um. Doch normalerweise entgeht der Zelle der Eindringling nicht, und sie ruft mit veränderten Oberflächenproteinen nach Hilfe durch das Immunsystem. Diese Hilferufe zu unterdrücken, ist für das Überleben der kleinen Eindringlinge entscheidend.

Wie das Myxoma-Virus, das bei Kaninchen die pockenartige Myxomatose auslöst, der Entdeckung durch Zellen des Immunsystems entkommt, hat nun das Team um die Molekularbiologin Martha Zuniga von der University of California in Santa Cruz aufgedeckt. Myxoma scheint sich hierbei nicht mit einem einzigen Trick zu begnügen, sondern nutzt, je nach Entwicklungsstadium, drei unterschiedliche Wege. In der Anfangsphase einer Infektion produziert die virale Erbinformation bestimmte Proteine, deren Aufgabe das Einholen von Moleküle des so genannten Haupthistokompatibilitätskomplexes (MHC, major histocompatibilty complex) ist. Diese Moleküle verraten normalerweise die Anwesenheit fremder Bestandteile in der Zelle, da sie kleine Molekülabschnitte wie Fahnen an der Zelloberfläche schwenken und damit die Besetzung signalisieren. Sind jedoch keine MHC-Moleküle fürs Immunsystem sichtbar, kann auch kein Alarm ausgelöst werden.

Schreitet die Infektion voran, stoppt das Virus die MHC-Moleküle schon früher – und zwar direkt an ihrem Entstehungsort – und hält sie hier gefangen. Auch so dringen keine Warnsignale nach außen, und das Immunsystem kann die befallene Zelle nicht identifizieren. In der späten Infektionsphase hindert das Virus eigene Proteinfragmente daran, sich an Transportermoleküle zu setzen und so an die Zelloberfläche bewegt zu werden.

Und jedes dieser drei Versteckspiele ist auch einem human pathogenen Virus bekannt. So zieht das HI-Virus ebenfalls die MHC-Moleküle ins Zellinnere, Adenoviren – die Erkältungskrankheiten auslösen – halten die MHC-Moleküle in den Zellkompartimenten, in denen sie hergestellt werden, zurück, und Herpesviren nutzen den dritten Weg der Myxoma-Viren. Trotz der äußerlichen Übereinstimmung haben sich die viralen Abwehrmechanismen offensichtlich auf unterschiedlichem Wege entwickelt, da die zugrunde liegenden Gene nicht übereinstimmen.

Nutzen wollen die Forsche ihre neuen Erkenntnisse aber nicht nur in der Virenbekämpfung. Je besser sie den Transport der MHC-Moleküle an die Oberfläche verstehen, desto näher kommen sie dem Traum, die Moleküle nach Gusto an- oder abzustellen. Nutzen könnte dies Transplantationspatienten, die Gefahr laufen, das kostbare neue Organ durch eine Abstoßungsreaktion des eigenen Körpers wieder zu verlieren. Ohne MHC-Moleküle würde der Körper das fremde Organ nicht als fremd betrachten und den verheerenden Angriff unterlassen.

  • Quellen
Unversity of California, Santa Cruz
Recent Research Developments in Virology (2001)

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