Nanotechnologie: Winzige Gefahr Atemluft
Kohlenstoff-Nanoröhrchen finden sich längst in Allerweltsprodukten wie Tennisschlägern. Dabei ist noch nicht völlig klar, ob die winzigen, asbestähnlich geformten Partikel Menschen gefährlich werden können. Risikoforscher zeigen nun, wie die Teilchen das Immunsystem von Mäusen schwächen. Ob auch die Abwehrkräfte von Arbeitern leiden, die Nanoröhrchen einatmen, bleibt weiter unklar.
Kohlenstoff-Nanoröhrchen vereinen scheinbar gegensätzliche Materialeigenschaften. Weil sie gleichzeitig leicht und robust wie Stahl sind, setzten Ingenieure sie zum Beispiel in Hightech-Sportgeräten wie Tennisschlägern ein. Die elektrische Leitfähigkeit der Röhrchen nutzt die Autoindustrie: Sie macht Kunststoffe mit Hilfe der Zwerge leitfähig, so dass sich Plastikbauteile beim Lackieren nicht elektrisch aufladen und keine Staubteilchen anziehen.
Allerdings: Wo immer mehr Betriebe Kohlenstoff-Nanoröhrchen verarbeiten, werden auch immer mehr Arbeiter die Winzlinge einatmen. Diesen naheliegenden Schluss konnten Forscher zuletzt mit Zahlen belegen, nachdem sie die Luft in einem Nanoröhren-Forschungslabor untersucht hatten. Dort fanden sich bis zu 0,43 Milligramm der Röhrchen pro Kubikmeter Luft [1]. Dass der Aufenthalt in solcher Umgebung nicht harmlos sein dürfte, haben andere Wissenschaftler um Leah Mitchell und Jacob McDonald vom Lovelace Respiratory Research Institute in Albuquerque, New Mexico, schon vorher gezeigt: Das Immunsystem von Mäusen, die mit Nanoröhrchen verunreinigte Luft einatmeten, erwies sich als eindeutig geschwächt [2].
Auf ihrer Suche nach den beteiligten Kommunikationssignalen haben die Forscher genmanipulierte Nager ohne das Gen für das Enzym Cyclooxygenase-2 (COX-2) untersucht. COX-2 spielt beim Entzündungsgeschehen eine wesentliche Rolle – fehlt es, wie bei den untersuchten Mäusen, so lassen sich die Tiere von den Kohlenstoff-Nanoröhrchen in der Lunge überhaupt nicht beeindrucken.
Mitchell, McDonald und Co untersuchten daraufhin die Rolle des Enzyms in ganz normalen Mäusen, die COX-2 herstellen konnten und die 14 Tage lang über mehrere Stunden mit nanoröhrchenhaltiger Luft traktiert wurden. Wenn die Tiere einer Konzentration von einem Milligramm Nanoröhrchen pro Kubikmeter Luft oder höher ausgesetzt wurden, produzierten sie unter anderem weniger T-Lymphozyten als gewöhnlich.
Offenbar liegt das daran, dass COX-2 in der Milz der Versuchstiere nach dem Einatmen von nanoröhrchenhaltiger Luft sehr aktiv arbeitet, so die Forscher. Das Enzym löst eine Reihe von Reaktionen aus, deren Endprodukt der Botenstoff Interleukin-10 (IL-10) ist – der seinerseits die körpereigene Abwehr hemmt, indem er die Produktion von T-Lymphozyten und Antikörpern vermindert. Im Normalfall wird IL-10 aktiv, wenn dem Körper eine überschießende Entzündungsreaktion droht.
Was löste nun aber die Produktion von COX-2 in der Milz aus? "Wir glauben, dass das Einatmen der Nanoröhrchen in der Lunge einen Botenstoff freisetzt", schreiben die Forscher um Mitchell. Dieser, so die Hypothese, wandert in die Milz und regt die Produktion von COX-2 an. Um das zu überprüfen, isolierten die Forscher Proteine aus dem Lungenschleim der Nanoröhrchen atmenden Testmäuse und gaben sie in Kulturen von Milzzellen. Tatsächlich hemmten die Eiweiße die Bildung von Antikörpern und T-Lymphozyten. In Zellen von genmanipulierten Mäusen ohne COX-2 passierte hingegen nichts.
Nur eines der Proteine aus dem Lungenschleim, der entzündungshemmend wirkende Botenstoff TBF-Beta, dürfte verantwortlich für die Reaktion des Immunapparats sein, glauben die Forscher: Gerade die Menge dieses Signalstoffs ist im Schleim nanoexponierter Lungen erhöht.
Zusammengefasst: Eine gewisse Menge an Nanoröhrchen in der Atemluft erhöht also die TBF-Beta-Konzentration in den Lungen, was zu starken COX-2-Aktivitäten in der Milz und damit zu einer Schwächung des Immunsystems führt – bei Mäusen. Was bedeutet dies aber in der industriellen Praxis – etwa für womöglich gefährdete Arbeiter in der Nanoröhrchen verarbeitenden Industrie? Die Wissenschaftler rechnen vor, dass die Lunge des Durchschnittsarbeiters etwa siebeneinhalbmal weniger belastet wird als die der Versuchsmäuse im Experiment – vor allem, weil sich die Nanoröhrchen auf der vergleichsweise größeren Oberfläche der menschlichen Lungenbläschen stärker verteilen. Allerdings sei ein Arbeiter wohl auch länger als nur zwei Wochen exponiert.
Alison Elder von der University of Rochester wundert sich darüber, dass einerseits das biologische Detailwissen über die Nanoröhrchenwirkung auf Versuchstiere immer mehr wächst, auf der anderen Seite aber noch Ahnungslosigkeit darüber herrscht, wie viele Röhrchen Arbeiter wirklich am Arbeitsplatz einatmen. Letzteres zu erforschen, kommentiert der Experte, sei doch vergleichsweise einfach: "Es ist schwierig, die Ergebnisse der Arbeit von Mitchell in einen bedeutsamen Kontext zu bringen, wenn so wenig über die Konzentrationen von Nanoröhrchen in der wirklichen Welt bekannt ist." Dies müsse unbedingt überprüft werden, damit die von Kohlenstoff-Nanoröhrchen ausgehende Gefahr realistisch eingeschätzt werden kann.
Allerdings: Wo immer mehr Betriebe Kohlenstoff-Nanoröhrchen verarbeiten, werden auch immer mehr Arbeiter die Winzlinge einatmen. Diesen naheliegenden Schluss konnten Forscher zuletzt mit Zahlen belegen, nachdem sie die Luft in einem Nanoröhren-Forschungslabor untersucht hatten. Dort fanden sich bis zu 0,43 Milligramm der Röhrchen pro Kubikmeter Luft [1]. Dass der Aufenthalt in solcher Umgebung nicht harmlos sein dürfte, haben andere Wissenschaftler um Leah Mitchell und Jacob McDonald vom Lovelace Respiratory Research Institute in Albuquerque, New Mexico, schon vorher gezeigt: Das Immunsystem von Mäusen, die mit Nanoröhrchen verunreinigte Luft einatmeten, erwies sich als eindeutig geschwächt [2].
Überrascht hatte sich das Team davon gezeigt, dass eingeatmete Röhrchen nicht ins Blut oder den Lymphkreislauf eindrangen, sondern in den Lungenbläschen blieben. Ihre Wirkung auf das Immunsystem muss also indirekt sein. Nun glaubt Mitchell eine Erklärung für die mittelbare Wirkung der Nanoröhrchen gefunden zu haben: Offenbar signalisiert die Lunge der Milz, das Immunsystem zu unterdrücken [3].
Auf ihrer Suche nach den beteiligten Kommunikationssignalen haben die Forscher genmanipulierte Nager ohne das Gen für das Enzym Cyclooxygenase-2 (COX-2) untersucht. COX-2 spielt beim Entzündungsgeschehen eine wesentliche Rolle – fehlt es, wie bei den untersuchten Mäusen, so lassen sich die Tiere von den Kohlenstoff-Nanoröhrchen in der Lunge überhaupt nicht beeindrucken.
Mitchell, McDonald und Co untersuchten daraufhin die Rolle des Enzyms in ganz normalen Mäusen, die COX-2 herstellen konnten und die 14 Tage lang über mehrere Stunden mit nanoröhrchenhaltiger Luft traktiert wurden. Wenn die Tiere einer Konzentration von einem Milligramm Nanoröhrchen pro Kubikmeter Luft oder höher ausgesetzt wurden, produzierten sie unter anderem weniger T-Lymphozyten als gewöhnlich.
Offenbar liegt das daran, dass COX-2 in der Milz der Versuchstiere nach dem Einatmen von nanoröhrchenhaltiger Luft sehr aktiv arbeitet, so die Forscher. Das Enzym löst eine Reihe von Reaktionen aus, deren Endprodukt der Botenstoff Interleukin-10 (IL-10) ist – der seinerseits die körpereigene Abwehr hemmt, indem er die Produktion von T-Lymphozyten und Antikörpern vermindert. Im Normalfall wird IL-10 aktiv, wenn dem Körper eine überschießende Entzündungsreaktion droht.
Was löste nun aber die Produktion von COX-2 in der Milz aus? "Wir glauben, dass das Einatmen der Nanoröhrchen in der Lunge einen Botenstoff freisetzt", schreiben die Forscher um Mitchell. Dieser, so die Hypothese, wandert in die Milz und regt die Produktion von COX-2 an. Um das zu überprüfen, isolierten die Forscher Proteine aus dem Lungenschleim der Nanoröhrchen atmenden Testmäuse und gaben sie in Kulturen von Milzzellen. Tatsächlich hemmten die Eiweiße die Bildung von Antikörpern und T-Lymphozyten. In Zellen von genmanipulierten Mäusen ohne COX-2 passierte hingegen nichts.
Nur eines der Proteine aus dem Lungenschleim, der entzündungshemmend wirkende Botenstoff TBF-Beta, dürfte verantwortlich für die Reaktion des Immunapparats sein, glauben die Forscher: Gerade die Menge dieses Signalstoffs ist im Schleim nanoexponierter Lungen erhöht.
Zusammengefasst: Eine gewisse Menge an Nanoröhrchen in der Atemluft erhöht also die TBF-Beta-Konzentration in den Lungen, was zu starken COX-2-Aktivitäten in der Milz und damit zu einer Schwächung des Immunsystems führt – bei Mäusen. Was bedeutet dies aber in der industriellen Praxis – etwa für womöglich gefährdete Arbeiter in der Nanoröhrchen verarbeitenden Industrie? Die Wissenschaftler rechnen vor, dass die Lunge des Durchschnittsarbeiters etwa siebeneinhalbmal weniger belastet wird als die der Versuchsmäuse im Experiment – vor allem, weil sich die Nanoröhrchen auf der vergleichsweise größeren Oberfläche der menschlichen Lungenbläschen stärker verteilen. Allerdings sei ein Arbeiter wohl auch länger als nur zwei Wochen exponiert.
Alison Elder von der University of Rochester wundert sich darüber, dass einerseits das biologische Detailwissen über die Nanoröhrchenwirkung auf Versuchstiere immer mehr wächst, auf der anderen Seite aber noch Ahnungslosigkeit darüber herrscht, wie viele Röhrchen Arbeiter wirklich am Arbeitsplatz einatmen. Letzteres zu erforschen, kommentiert der Experte, sei doch vergleichsweise einfach: "Es ist schwierig, die Ergebnisse der Arbeit von Mitchell in einen bedeutsamen Kontext zu bringen, wenn so wenig über die Konzentrationen von Nanoröhrchen in der wirklichen Welt bekannt ist." Dies müsse unbedingt überprüft werden, damit die von Kohlenstoff-Nanoröhrchen ausgehende Gefahr realistisch eingeschätzt werden kann.
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