News: Winziger Säugetierschädel enthüllt Evolutionsgeheimnisse
Überrascht erkannten die Wissenschaftler, dass sich dessen Anatomie völlig von der anderer Säugetier-Verwandter aus dem besagten Erdzeitalter unterschied, da sie bereits Merkmale aufweist, die bisher in fossilen Überlieferungen erst 40 Millionen Jahre später auftraten. So deuten die anatomischen Eigenschaften des versteinerten Schädels darauf hin, dass sich seine Mittelohrknochen vom Unterkiefer getrennt hatten – ein entscheidender Evolutionsschritt. Denn seit langem ist bekannt, dass mit der Entwicklung von säugetierähnlichen Reptilien zu den Säugetieren Veränderungen in dem Kiefer, den Zähnen, den Strukturen der Gehörorgane und der Gehirngröße einhergingen. So setzt sich beispielsweise der Unterkiefer von Reptilien aus mehreren Knochen zusammmen, und die dem Mittelohr der Säugetiere entsprechenden drei Knochen sind sowohl am Kiefer als auch am Schädel befestigt. Im Gegensatz dazu besteht der Unterkiefer der Säugetiere jedoch nur aus einem einzigen Knochen. Weiterhin verlieren hier die drei "Reptilien"-Kieferelemente ihre ursprüngliche Verbindung zum Kiefer und werden zu den Mittelohrknochen. All diese Eigenschaften laufen auf ein Tier mit einem empfindlichen Gehör und starken Kiefergelenk zum kraftvollen Kauen hinaus.
Doch entwickelten sich diese Funktionen auf einmal oder langsam nacheinander? Wahrscheinlich kristallisierten sich die einzigartigen Skelett-Eigenschaften der heutigen Säugetiere Schritt für Schritt heraus und waren offenbar schon lange Zeit vorhanden, bevor die ersten Vertreter der Säugetiere erschienen, wie der Schädel von Hadrocodium belegt. Einige von seinen Zeitgenossen – frühe säugetierähnliche Wesen wie Sinoconodon und Morganucodon – weisen zwar bereits das charakteristische einzelne Kiefergelenk der heutigen Säugetiere auf, doch im Gegensatz zu Hadrocodium zeigen diese Tiere noch keine komplette Abtrennung der Mittelohrknochen vom Kiefer.
Was aber hat bei Hadrocodium dazu geführt? Ein Hinweis findet sich in dem Namen, den die Forscher dem Fossil verliehen und der auf seine große Gehirnhöhlung anspielt. So vermuten sie, dass das größere Gehirn dafür verantwortlich ist: Es benötigt mehr Platz, schob daher womöglich die Ohrknochen vom Kiefer weg und trug damit zu deren endgültigen Abtrennung bei. "Es scheint, dass einige Veränderungen im Kiefer und im Ohr der Säugetiere bereits abgeschlossen waren, bevor Hadrocodium auftauchte, und dass dieser den letzten Schritt in der Separation zwischen Mittelohr und Kiefer darstellt", hebt Zhe-Xi Luo vom Carnegie Museum of Natural History hervor.
Die Wissenschaftler verglichen ebenfalls 90 Skelett-Eigenschaften von Hadrocodium mit denen früher Säugetierfossilien und jetzt lebenden Verwandten. Ihre Ergebnisse deuten darauf hin, dass der pelzige Winzling der nächste Verwandte der heutigen Säugetiere ist. "Hadrocodium könnte ein entfernter Cousin von uns sein, der als früher Vertreter neben den Vorfahren der heutigen Säugetiere existierte. Denkbar wäre auch, dass er unser ferner Großonkel ist, der eng mit den heute lebenden Säugetieren verwandt ist, sich jedoch nicht in unsere Abstammungslinie reiht. Hadrocodium könnte aber durchaus auch der direkte Urahn der heutigen Säugetiere sein", spekuliert Luo. Die fossilen Nachweise können diese Einordnung jedoch nicht endgültig klären.
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