Quantenoptik: "Wir haben einen Tropfen aus Licht erzeugt"
Auch Lichtteilchen lassen sich wie Atome in einen mysteriösen Zustand überführen: Als Bose-Einstein-Kondensat verhalten sie sich wie ein einziges Photon. Der Physiker Jan Klaers von der Universität Bonn erklärte spektrumdirekt, wie seine Arbeitsgruppe das Licht abkühlte - und warum das Experiment auch praktischen Nutzen hat.
spektrumdirekt: Herr Klaers, Sie und Ihre Kollegen haben mit Licht etwas geschafft, was bisher nur mit Atomen gelang, nämlich die Erzeugung eines Bose-Einstein-Kondensats. Worum handelt es sich dabei?
Jan Klaers: Man kann sich das ganz bildlich vorstellen: Wenn man ein Gas hat und es immer weiter auf extreme Temperaturen herunterkühlt, bis es kondensiert, entsteht irgendwann eine Art Tropfen. Genau das haben wir nun mit Licht gemacht. Wir haben sozusagen einen Lichttropfen erzeugt. Die Photonen verhalten sich dann wie ein einziges großes Teilchen.
Ausgangspunkt ist auch hier ein "Gas", aber eben aus Photonen, die von zwei gegenüberliegenden Spiegeln hin- und herreflektiert werden. Aus physikalischer Sicht hat das Licht in diesem Resonator ebenfalls eine Temperatur. Kühlt man es stark ab, nimmt es unterhalb einer kritischen Grenze – in unserem Fall ist das etwa Raumtemperatur – seinen energetischen Grundzustand ein, seinen Zustand der niedrigsten Energie.
Und dieser Grundzustand entspräche dann dem Tropfen aus kondensiertem Licht-"Gas"?
Richtig. Der Grundzustand ist durch die Wellenlänge des Lichts definiert. Und die wiederum bestimmt in unserem Experiment der Abstand der beiden Spiegel. Dadurch geben wir dem Licht eine maximale Wellenlänge vor und halten es bei einer ganz bestimmten Dichte und Temperatur. Im Endeffekt erzeugen wir so hochgradig monochromatisches, also einfarbiges, Licht – ganz ähnlich wie bei einem Laser.
Das Licht zwischen den Spiegeln einzufangen, war aber nur die halbe Miete. Um es abzukühlen, mussten Sie zu einem entscheidenden, zweiten Trick greifen.
Würde man beispielsweise einfach bereits kaltes Licht nehmen, hätte es Wellenlängen im äußersten infraroten Bereich. Es gibt nämlich ein großes und schon lange bekanntes Problem beim Herunterkühlen: Temperatur und Wellenlänge sind eng aneinander gebunden. In der Physik reden wir bei solchen Systemen von Schwarzkörperstrahlung. Die Temperatur des Mediums gibt vor, in welchem Wellenlängenbereich es Strahlung aussendet. Beispielsweise hat die Sonne eine Oberflächentemperatur von 5800 Kelvin, deshalb strahlt sie im Bereich des sichtbaren Lichts. Gleichzeitig heißt das aber auch, dass die Anzahl der Lichtteilchen eng an die Temperatur gekoppelt ist. Je kälter, desto weniger Photonen gibt es auch.
Dieser Zusammenhang stand bisher der Erzeugung von Licht-Kondensaten entgegen?
Für die Bose-Einstein-Kondensation ist das höchst problematisch. Wenn beständig Photonen verloren gehen, können sie natürlich auch nicht kondensieren. Mit Atomen ist es einfacher, weil sie erhalten bleiben, auch wenn die Temperatur absinkt. Wir haben es nun geschafft, auch bei Licht Teilchenzahl und Temperatur voneinander zu entkoppeln, indem wir zwischen die beiden Spiegel spezielle Farbstoffmoleküle gegeben haben, die die Photonen permanent absorbieren und wieder emittieren. Allerdings geben wir den Photonen bei der Freisetzung immer ein bisschen weniger Energie mit auf den Weg, als sie vor der Absorption hatten. Dadurch kühlt sich das System ab, die Zahl der Photonen bleibt jedoch gleich. In Kombination mit der Maximalwellenlänge, die wir über den Spiegelabstand einstellen, haben wir so das Licht auf Raumtemperatur gebracht.
Wie lange bleibt dieser Zustand erhalten?
Im Prinzip würden die Photonen auf immer und ewig gefangen bleiben. In der Praxis sieht das jedoch anders aus. Auch wenn wir sehr, sehr hochreflektierende Spiegel verwenden, sind sie niemals perfekt. Ein kleiner Anteil wird immer ausgekoppelt und verschwindet aus dem Resonator. Das ist auch gut so, andernfalls wüssten wir nämlich nicht, was im Innern geschieht. Das ausgekoppelte Licht kann man dann nutzen.
Inwiefern kann man es nutzen?
Nun, zunächst handelt es sich bei unserem Experiment ja um Grundlagenforschung. "Nutzen" heißt in diesem Sinn einfach, dass wir aus dem austretenden Licht Rückschlüsse über die Vorgänge im Innern ziehen. Wir sind dann aber immer mehr dahintergekommen, dass sich ein solches System auch praktisch verwerten lässt. Es bereitet beispielsweise immer noch große Schwierigkeiten, Laser herzustellen, die kohärentes Licht geringer Wellenlänge aussenden, etwa im Ultraviolett- oder Röntgenbereich. Da wir mit unserem System ebenfalls Licht genau definierter Wellenlänge erzeugen – die wir darüber hinaus relativ frei wählen können –, wäre es denkbar, damit einen solchen extrem feinen Hochfrequenz-Laser zu konstruieren.
Der Versuchsaufbau wirkt so komplex. Man kann sich nur schwer vorstellen, dass er eines Tages das Labor verlässt.
So komplex ist er gar nicht. Wir denken sogar an regelrecht alltagstaugliche Anwendungen. Momentan verwenden wir noch aus Gründen der Einfachheit einen externen Laser, um das Licht in den Resonator zu bekommen. Es könnte aber auch mit einfachem Sonnenlicht funktionieren. Dann kommt das System in einen Bereich, in dem es auch für die Fotovoltaik einen Beitrag leisten könnte.
Wie würde dieser Beitrag aussehen?
Der Vorteil ist, dass wir Licht, das sehr diffus auf den Resonator trifft, in einem Punkt bündeln können. Im Hintergrund steht auch hier der Grundzustand des Lichts, den wir einstellen. Er entspricht einem winzigen Raumpunkt, an dem das Licht konzentriert wird. Würde man genau hier eine Solarzelle platzieren, könnte sie Licht einer größeren Fläche in Strom umwandeln.
Von den praktischen Anwendungen noch einmal zurück zu Ihrem ursprünglichen Interesse: Hat die Erzeugung eines Bose-Einstein-Kondensats aus Photonen bereits neue Erkenntnisse über das Licht offenbart?
Wir haben zunächst einmal die Machbarkeit demonstriert. Mit weiteren Untersuchungen sind wir derzeit beschäftigt. Es könnte sein, dass sich das Licht im Innern wie Laserlicht verhält. Das ist die eine Möglichkeit. Es gibt aber auch guten Grund zur Annahme, dass da drinnen etwas völlig anderes passiert.
Herr Klaers, vielen Dank für das Gespräch!
Jan Klaers: Man kann sich das ganz bildlich vorstellen: Wenn man ein Gas hat und es immer weiter auf extreme Temperaturen herunterkühlt, bis es kondensiert, entsteht irgendwann eine Art Tropfen. Genau das haben wir nun mit Licht gemacht. Wir haben sozusagen einen Lichttropfen erzeugt. Die Photonen verhalten sich dann wie ein einziges großes Teilchen.
Wie haben Sie dieses "Super-Photon" erzeugt?
Ausgangspunkt ist auch hier ein "Gas", aber eben aus Photonen, die von zwei gegenüberliegenden Spiegeln hin- und herreflektiert werden. Aus physikalischer Sicht hat das Licht in diesem Resonator ebenfalls eine Temperatur. Kühlt man es stark ab, nimmt es unterhalb einer kritischen Grenze – in unserem Fall ist das etwa Raumtemperatur – seinen energetischen Grundzustand ein, seinen Zustand der niedrigsten Energie.
Und dieser Grundzustand entspräche dann dem Tropfen aus kondensiertem Licht-"Gas"?
Richtig. Der Grundzustand ist durch die Wellenlänge des Lichts definiert. Und die wiederum bestimmt in unserem Experiment der Abstand der beiden Spiegel. Dadurch geben wir dem Licht eine maximale Wellenlänge vor und halten es bei einer ganz bestimmten Dichte und Temperatur. Im Endeffekt erzeugen wir so hochgradig monochromatisches, also einfarbiges, Licht – ganz ähnlich wie bei einem Laser.
Das Licht zwischen den Spiegeln einzufangen, war aber nur die halbe Miete. Um es abzukühlen, mussten Sie zu einem entscheidenden, zweiten Trick greifen.
Würde man beispielsweise einfach bereits kaltes Licht nehmen, hätte es Wellenlängen im äußersten infraroten Bereich. Es gibt nämlich ein großes und schon lange bekanntes Problem beim Herunterkühlen: Temperatur und Wellenlänge sind eng aneinander gebunden. In der Physik reden wir bei solchen Systemen von Schwarzkörperstrahlung. Die Temperatur des Mediums gibt vor, in welchem Wellenlängenbereich es Strahlung aussendet. Beispielsweise hat die Sonne eine Oberflächentemperatur von 5800 Kelvin, deshalb strahlt sie im Bereich des sichtbaren Lichts. Gleichzeitig heißt das aber auch, dass die Anzahl der Lichtteilchen eng an die Temperatur gekoppelt ist. Je kälter, desto weniger Photonen gibt es auch.
Dieser Zusammenhang stand bisher der Erzeugung von Licht-Kondensaten entgegen?
Für die Bose-Einstein-Kondensation ist das höchst problematisch. Wenn beständig Photonen verloren gehen, können sie natürlich auch nicht kondensieren. Mit Atomen ist es einfacher, weil sie erhalten bleiben, auch wenn die Temperatur absinkt. Wir haben es nun geschafft, auch bei Licht Teilchenzahl und Temperatur voneinander zu entkoppeln, indem wir zwischen die beiden Spiegel spezielle Farbstoffmoleküle gegeben haben, die die Photonen permanent absorbieren und wieder emittieren. Allerdings geben wir den Photonen bei der Freisetzung immer ein bisschen weniger Energie mit auf den Weg, als sie vor der Absorption hatten. Dadurch kühlt sich das System ab, die Zahl der Photonen bleibt jedoch gleich. In Kombination mit der Maximalwellenlänge, die wir über den Spiegelabstand einstellen, haben wir so das Licht auf Raumtemperatur gebracht.
Wie lange bleibt dieser Zustand erhalten?
Im Prinzip würden die Photonen auf immer und ewig gefangen bleiben. In der Praxis sieht das jedoch anders aus. Auch wenn wir sehr, sehr hochreflektierende Spiegel verwenden, sind sie niemals perfekt. Ein kleiner Anteil wird immer ausgekoppelt und verschwindet aus dem Resonator. Das ist auch gut so, andernfalls wüssten wir nämlich nicht, was im Innern geschieht. Das ausgekoppelte Licht kann man dann nutzen.
Inwiefern kann man es nutzen?
Nun, zunächst handelt es sich bei unserem Experiment ja um Grundlagenforschung. "Nutzen" heißt in diesem Sinn einfach, dass wir aus dem austretenden Licht Rückschlüsse über die Vorgänge im Innern ziehen. Wir sind dann aber immer mehr dahintergekommen, dass sich ein solches System auch praktisch verwerten lässt. Es bereitet beispielsweise immer noch große Schwierigkeiten, Laser herzustellen, die kohärentes Licht geringer Wellenlänge aussenden, etwa im Ultraviolett- oder Röntgenbereich. Da wir mit unserem System ebenfalls Licht genau definierter Wellenlänge erzeugen – die wir darüber hinaus relativ frei wählen können –, wäre es denkbar, damit einen solchen extrem feinen Hochfrequenz-Laser zu konstruieren.
Der Versuchsaufbau wirkt so komplex. Man kann sich nur schwer vorstellen, dass er eines Tages das Labor verlässt.
So komplex ist er gar nicht. Wir denken sogar an regelrecht alltagstaugliche Anwendungen. Momentan verwenden wir noch aus Gründen der Einfachheit einen externen Laser, um das Licht in den Resonator zu bekommen. Es könnte aber auch mit einfachem Sonnenlicht funktionieren. Dann kommt das System in einen Bereich, in dem es auch für die Fotovoltaik einen Beitrag leisten könnte.
Wie würde dieser Beitrag aussehen?
Der Vorteil ist, dass wir Licht, das sehr diffus auf den Resonator trifft, in einem Punkt bündeln können. Im Hintergrund steht auch hier der Grundzustand des Lichts, den wir einstellen. Er entspricht einem winzigen Raumpunkt, an dem das Licht konzentriert wird. Würde man genau hier eine Solarzelle platzieren, könnte sie Licht einer größeren Fläche in Strom umwandeln.
Von den praktischen Anwendungen noch einmal zurück zu Ihrem ursprünglichen Interesse: Hat die Erzeugung eines Bose-Einstein-Kondensats aus Photonen bereits neue Erkenntnisse über das Licht offenbart?
Wir haben zunächst einmal die Machbarkeit demonstriert. Mit weiteren Untersuchungen sind wir derzeit beschäftigt. Es könnte sein, dass sich das Licht im Innern wie Laserlicht verhält. Das ist die eine Möglichkeit. Es gibt aber auch guten Grund zur Annahme, dass da drinnen etwas völlig anderes passiert.
Herr Klaers, vielen Dank für das Gespräch!
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