Artensterben: Wo Katz und Fuchs die Tiere ausrotten
Australien ist in vielerlei Hinsicht einzigartig: Die Tierwelt des fünften Kontinents besteht aus zahlreichen Arten, die nur hier vorkommen. Die Unterklasse der Beuteltiere hat in der Region zudem ihren absoluten Verbreitungsschwerpunkt; nur wenige Arten kommen auch in Nord- und Südamerika vor. Viele Beuteltierarten sind allerdings vom Aussterben bedroht beziehungsweise schon komplett verschwunden – kein anderer Kontinent hat annähernd so viele unterschiedliche Säugetiere verloren wie Australien. Zu diesem Schluss kommt eine Studie von John Woinarski von der Charles Darwin University in Darwin und seine Kollegen in den "Proceedings of the National Academy of Sciences".
Seit der Besiedlung durch Europäer 1788 starben mindestens zehn Prozent der 273 heimischen Beuteltierarten aus, weitere 21 Prozent gelten als stark bedroht. Zum Vergleich: Auf dem ähnlich großen nordamerikanischen Kontinent verschwand im gleichen Zeitraum nur der Seenerz (Neovison macrodon), der wegen seines Pelzes bejagt wurde. Und weltweit gelten "nur" 1,5 Prozent aller Säuger als gefährdet.
Verglichen mit anderen Regionen spielt der Mensch zudem in Australien nur eine indirekte Rolle, denn bedroht sind weniger große Arten wie andernorts, die schneller negativ auf Jagddruck oder Lebensraumveränderungen reagieren. Vielmehr leiden vor allem kleinere Vertreter wie Beutelmarder, Beutelratten oder Kurzschwanzkängurus – die perfekt ins Beuteschema von Füchsen und Katzen passen.
Beide Säugetiere wurden von den ersten Siedlern eingeführt: Die Katzen sollten die Ratten- und Mäuseplagen auf Schiffen und in den Siedlungen bekämpfen. Und mit den Füchsen wollten die britischen Kolonialherren ihre traditionelle Jagd Down Under ermöglichen beziehungsweise die Massenausbreitung der ebenfalls ausgesetzten Kaninchen eindämmen. Fuchs und Katze entwickelten jedoch schnell einen größeren Appetit auf die leichter zu erlegenden Beuteltiere, die während ihrer Evolution bis dahin keinen Kontakt zu derart effizienten Beutegreifern gehabt hatten.
Rasch breiteten sich Katzen und Füchse selbst noch in entlegene Regionen Australiens aus, in denen der Mensch sonst wenig verändert hatte – auch das ist im globalen Rahmen ein untypisches Muster. Erschwerend kommt hinzu, dass die beiden Beutegreifer selbst keine natürlichen Feinde haben außer dem Dingo (der selbst erst vor 3500 Jahren auf den Kontinent gelangte). Die Dingos wurden jedoch als vermeintliche Schafjäger vehement bejagt und damit drastisch reduziert; folglich fallen sie als Kontrollinstanz vielerorts aus. Dabei hatten frühere Studien ergeben, dass kleine Beuteltiere größere Überlebenschancen haben, wenn Dingos anwesend sind.
Neben den beiden Fressfeinden spielt allerdings auch das veränderte Feuerregime im australischen Buschland eine gewisse Rolle. Die gegenwärtige Politik setzt immer noch vor allem auf Feuerunterdrückung, während die australischen Aborigines vor der Kolonialisierung immer wieder kleine Feuer gelegt hatten, um sich beispielsweise die Jagd zu erleichtern. Dadurch reduzierte sich gleichzeitig das vorhandene Brennmaterial, so dass Buschbrände relativ schnell und leicht ausbrannten. Entflammt dagegen heute die Savanne, brennt sie sehr heiß und großflächig, da sich in der Zwischenzeit eine große Menge an trockenem Holz und Gras angesammelt hat. Dadurch verlieren die einheimischen Arten Nahrungsgründe und vor allem Verstecke vor Katzen und Füchsen.
Angesichts des unveränderten Drucks auf die heimische Fauna befürchten Woinarski und Co zukünftig weitere Verluste: "Wir wussten, dass es schlecht um unsere Fauna steht. Doch unsere neue Zusammenfassung übertrifft noch alle Befürchtungen." Wenn nicht bald gegengesteuert werde, dürften auch weiterhin pro Jahrzehnt mindestens ein bis zwei Arten aussterben. Um Druck von den kleinen Beuteltieren zu nehmen, setzen Ökologen unter anderem auf Vergiftungsaktionen gegen Katzen und Füchse. Alternativ könnten die auf dem Festland ausgestorbenen Beutelteufel aus Tasmanien gegen die Katzen zum Einsatz kommen – und die Jäger zu Gejagten machen.
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