Elektronische Haut: Zarter zupacken dank Nanotechnologie
Mit sensorbestückten Folien könnte man Robotern oder Prothesenträgern Fingerspitzengefühl beibringen. Gleich zwei amerikanische Forschergruppen entwickelten nun erstmals Kunsthäute - so sensibel wie Menschenhaut.
Trotz aller künstlichen Intelligenz haftet heutigen Robotern immer noch etwas Tumbes an: viel Kraft, wenig Kontrolle darüber. Das führt zu Problemen. Denn sollen Menschen eines Tages routinemäßig mit Robotern zusammenarbeiten, darf nicht jede Begrüßung per Handschlag zur Mutprobe ausarten. Hochsensible Sensorik, vergleichbar der menschlichen Haut, soll nach dem Willen der Forscher den Maschinen künftig zur Hand gehen und beispielsweise den Greifapparaten Feedback für die Feindosierung liefern. Von der Technologie würden Menschen aber auch unmittelbar profitieren: In Zukunft könnte sie Patienten mit künstlichen Gliedmaßen das nötige Fingerspitzengefühl vermitteln.
Ein funktionierender Tastsinn erlaubt Mensch und Maschine überdies nicht nur ein sanfteres Zupacken. Bei einem ausreichend dichten Netz von Sensoren verrät das Abtasten, wie glatt oder rau eine Oberfläche ist, dass ein Objekt aus der Hand zu gleiten droht oder ob die Hand an einen Gegenstand stößt. All dies sollen eines Tages künstliche Häute mit Hilfe ihrer Elektronik bewerkstelligen. Dann könnten sich Chirurgen bei minimalinvasiven Eingriffen über taktile Rückmeldung freuen, und möglicherweise fällt für die Elektronikindustrie eine Innovation in der Touchscreen-Technologie ab.
Gleich zwei Forschergruppen präsentieren nun in aktuellen Studien ihre Prototypen für eine Sensorhaut, deren Tastempfindlichkeit es mit dem natürlichen Vorbild aufnehmen kann. Beides seien "Meilensteine der Entwicklung ultraberührungssensitiver Technologien", urteilt John Boland vom Trinity College in Dublin in einem begleitenden Kommentar [1].
Auf Biegen und Brechen
Die Leistung der Forscherteams besteht darin, zwei Probleme wenigstens im Prinzip zu lösen, an denen andere gescheitert waren. Soll die Technologie anwendbar sein, muss sie zum einen auf großen Maßstab skalierbar sein und trotzdem bezahlbar bleiben. Viel wichtiger aber noch: Sie muss zum anderen auf biegsamer Elektronik basieren. Ohne diese Anforderung ließen sich bereits heute hochempfindliche Sensoren auf Basis des weit verbreiteten Siliziums bauen; die aber würden schlicht zerbrechen, wenn man sie in die Form einer Hand böge.
Präzise Massenproduktion
Nanodrähte etwa taugen nur dann als Siliziumersatz, wenn sie in präziser paralleler Ausrichtung auf das Trägermaterial gelangen. Das funktionierte zuvor bestenfalls in Größenordnungen von maximal einem Quadratzentimeter. Die Entwicklung eines speziellen Druckverfahrens erlaubte den Forschern um Javey jetzt, einen sieben mal sieben Zentimeter großen Prototyp mit den nur einige millionstel Millimeter großen Bauteilen zu bestücken: Die Wissenschaftler ließen dazu die Nanodrähte auf einer Rolle wachsen und streiften sie anschließend auf einem Trägermaterial ab – exakt an den Kreuzungspunkten eines Gitters. Dessen Spalten und Zeilen bildeten Leiterbahnen, die sie über mehrere Schichten verteilten. Eine äußere Lage aus Spezialgummi, das seinen elektrischen Widerstand unter Druck verändert, komplettierte als eigentlicher Sensor die Anordnung. Jeder Kreuzungspunkt bildete nun einen Transistor.
Schon bei einem Druck von unter einem Kilopascal – also deutlich weniger als bei einer leichten Berührung mit dem Finger – reagierten die Transistoren und veränderten den Stromfluss im Gitter innerhalb von Millisekunden. Aus der jeweils betroffenen Spalte und Zeile ergaben sich dann die Koordinaten des Punkts, den der Finger streifte.
Der Vorteil sei, dass dieses Verfahren verhältnismäßig leicht standardisierbar und damit tauglich für die Massenproduktion sei, so die Entwickler aus Berkeley. Der Beweis steht freilich noch aus, dass sie auch unter diesen Bedingungen die Nanodrähte hinreichend präzise auftragen können. Kleine Qualitätsschwankungen bei der Herstellung im Großmaßstab würden womöglich die Berührungsempfindlichkeit drastisch reduzieren. Auch bei ihrem Prototyp waren etwas mehr als 50 der 342 "Sensorpixel" defekt.
Organische Transistoren mit Clou
Dem Team um Zhenan Bao diente hingegen ein winziger Kristall aus dem organischen Farbstoff Rubren als halbleitendes Herzstück ihres Transistorelements. Der Clou lag allerdings auch bei ihnen eher in der flexiblen Deckschicht, deren Eindellung die Elektronik registrieren kann – und zwar mit einer fantastischen Empfindlichkeit: Durch Optimierung werde ihr System noch Berührungen vermelden, die einem Tausendstel dessen entsprechen, was Javey und Kollegen messen können, versprechen die Wissenschaftler.
Die Sensitivität hat jedoch ihren Preis: Organische Feldeffekttransistoren (OFETs), wie Bao sie verwendete, verlangen nach einer vergleichsweise hohen Spannung. Während der Prototyp von Javeys Gruppe mit nicht einmal fünf Volt auskommt, benötigt der Aufbau von Bao und Kollegen 20 Volt. Dies könnte sich bei einer praktischen Anwendung als Nachteil herausstellen.
Dünn gesäte Pixel
Auch wenn die beiden Prototypen, was die Empfindlichkeit angeht, mit der menschlichen Haut mithalten können, in einer entscheidenden Hinsicht würden sie ihr Vorbild nicht zu fassen kriegen, meint Kommentator Boland: Die Dichte der Tastsinneszellen auf unserer Haut erlaube es, eine Oberflächenstruktur noch zu erkennen, wenn sie aus 50 Mikrometer großen Unebenheiten besteht. "Das verdeutlicht, wie enorm die Herausforderung bei der Entwicklung von berührungsempfindlicher Technologie ist, die mit der menschlichen Leistung konkurrieren kann."
Mit mehreren Millimetern Abstand lägen die einzelnen Pixel beider Prototypen viel zu weit auseinander, um auch nur in die Nähe dieses Auflösungsvermögens zu kommen, bemängelt Boland daher. Ob einer weiteren Verdichtung nichts im Weg stehen wird, wie beide Teams versprechen, und ab welcher Pixelzahl ihre Kunsthäute sinnvoll eingesetzt werden können, wird allerdings erst die Praxis zeigen.
Ein funktionierender Tastsinn erlaubt Mensch und Maschine überdies nicht nur ein sanfteres Zupacken. Bei einem ausreichend dichten Netz von Sensoren verrät das Abtasten, wie glatt oder rau eine Oberfläche ist, dass ein Objekt aus der Hand zu gleiten droht oder ob die Hand an einen Gegenstand stößt. All dies sollen eines Tages künstliche Häute mit Hilfe ihrer Elektronik bewerkstelligen. Dann könnten sich Chirurgen bei minimalinvasiven Eingriffen über taktile Rückmeldung freuen, und möglicherweise fällt für die Elektronikindustrie eine Innovation in der Touchscreen-Technologie ab.
Gleich zwei Forschergruppen präsentieren nun in aktuellen Studien ihre Prototypen für eine Sensorhaut, deren Tastempfindlichkeit es mit dem natürlichen Vorbild aufnehmen kann. Beides seien "Meilensteine der Entwicklung ultraberührungssensitiver Technologien", urteilt John Boland vom Trinity College in Dublin in einem begleitenden Kommentar [1].
Auf Biegen und Brechen
Die Leistung der Forscherteams besteht darin, zwei Probleme wenigstens im Prinzip zu lösen, an denen andere gescheitert waren. Soll die Technologie anwendbar sein, muss sie zum einen auf großen Maßstab skalierbar sein und trotzdem bezahlbar bleiben. Viel wichtiger aber noch: Sie muss zum anderen auf biegsamer Elektronik basieren. Ohne diese Anforderung ließen sich bereits heute hochempfindliche Sensoren auf Basis des weit verbreiteten Siliziums bauen; die aber würden schlicht zerbrechen, wenn man sie in die Form einer Hand böge.
Ersatz für den spröden Halbleiter suchten beide Teams in gänzlich unterschiedlichen Verfahren, die jeweils ihre eigenen Vor- und Nachteile mit sich bringen: Ali Javey von der University of California in Berkeley und Kollegen verwendeten Nanodrähte aus Germanium und Silizium [2]; in der Gruppe um den Stanford-Forscher Zhenan Bao kamen organische Transistoren zum Einsatz [3]. Dass bei beiden Techniken biegsame Elektronik am Ende des Weges winkt, wussten Forscher seit Langem. Erst jetzt gelang allerdings der Sprung über wichtige Hürden, die einer praktischen Umsetzung im Weg standen.
Präzise Massenproduktion
Nanodrähte etwa taugen nur dann als Siliziumersatz, wenn sie in präziser paralleler Ausrichtung auf das Trägermaterial gelangen. Das funktionierte zuvor bestenfalls in Größenordnungen von maximal einem Quadratzentimeter. Die Entwicklung eines speziellen Druckverfahrens erlaubte den Forschern um Javey jetzt, einen sieben mal sieben Zentimeter großen Prototyp mit den nur einige millionstel Millimeter großen Bauteilen zu bestücken: Die Wissenschaftler ließen dazu die Nanodrähte auf einer Rolle wachsen und streiften sie anschließend auf einem Trägermaterial ab – exakt an den Kreuzungspunkten eines Gitters. Dessen Spalten und Zeilen bildeten Leiterbahnen, die sie über mehrere Schichten verteilten. Eine äußere Lage aus Spezialgummi, das seinen elektrischen Widerstand unter Druck verändert, komplettierte als eigentlicher Sensor die Anordnung. Jeder Kreuzungspunkt bildete nun einen Transistor.
Schon bei einem Druck von unter einem Kilopascal – also deutlich weniger als bei einer leichten Berührung mit dem Finger – reagierten die Transistoren und veränderten den Stromfluss im Gitter innerhalb von Millisekunden. Aus der jeweils betroffenen Spalte und Zeile ergaben sich dann die Koordinaten des Punkts, den der Finger streifte.
Der Vorteil sei, dass dieses Verfahren verhältnismäßig leicht standardisierbar und damit tauglich für die Massenproduktion sei, so die Entwickler aus Berkeley. Der Beweis steht freilich noch aus, dass sie auch unter diesen Bedingungen die Nanodrähte hinreichend präzise auftragen können. Kleine Qualitätsschwankungen bei der Herstellung im Großmaßstab würden womöglich die Berührungsempfindlichkeit drastisch reduzieren. Auch bei ihrem Prototyp waren etwas mehr als 50 der 342 "Sensorpixel" defekt.
Organische Transistoren mit Clou
Dem Team um Zhenan Bao diente hingegen ein winziger Kristall aus dem organischen Farbstoff Rubren als halbleitendes Herzstück ihres Transistorelements. Der Clou lag allerdings auch bei ihnen eher in der flexiblen Deckschicht, deren Eindellung die Elektronik registrieren kann – und zwar mit einer fantastischen Empfindlichkeit: Durch Optimierung werde ihr System noch Berührungen vermelden, die einem Tausendstel dessen entsprechen, was Javey und Kollegen messen können, versprechen die Wissenschaftler.
Die aus dem Polymer Polydimethylsiloxan (PDMS) bestehende Deckschicht kann als Kondensator elektrische Ladungen speichern. Gibt sie diese unter Druck wieder ab, schaltet das einen der organischen Transistoren in der Folie. Damit das in einer Geschwindigkeit und Wiederholbarkeit geschieht, die dem Reaktionsvermögen der menschlichen Haut vergleichbar ist, musste Bao zu einem Trick greifen. Durch Gießen des Kunststoffs erzeugten die Wissenschaftler eine Mikrostruktur aus Abertausenden kleiner Noppen. Sie sorgt unter anderem dafür, dass das Material schneller wieder zurückfedert, so dass auch Baos System im Bereich von Millisekunden auf eine Berührung anspricht.
Die Sensitivität hat jedoch ihren Preis: Organische Feldeffekttransistoren (OFETs), wie Bao sie verwendete, verlangen nach einer vergleichsweise hohen Spannung. Während der Prototyp von Javeys Gruppe mit nicht einmal fünf Volt auskommt, benötigt der Aufbau von Bao und Kollegen 20 Volt. Dies könnte sich bei einer praktischen Anwendung als Nachteil herausstellen.
Dünn gesäte Pixel
Auch wenn die beiden Prototypen, was die Empfindlichkeit angeht, mit der menschlichen Haut mithalten können, in einer entscheidenden Hinsicht würden sie ihr Vorbild nicht zu fassen kriegen, meint Kommentator Boland: Die Dichte der Tastsinneszellen auf unserer Haut erlaube es, eine Oberflächenstruktur noch zu erkennen, wenn sie aus 50 Mikrometer großen Unebenheiten besteht. "Das verdeutlicht, wie enorm die Herausforderung bei der Entwicklung von berührungsempfindlicher Technologie ist, die mit der menschlichen Leistung konkurrieren kann."
Mit mehreren Millimetern Abstand lägen die einzelnen Pixel beider Prototypen viel zu weit auseinander, um auch nur in die Nähe dieses Auflösungsvermögens zu kommen, bemängelt Boland daher. Ob einer weiteren Verdichtung nichts im Weg stehen wird, wie beide Teams versprechen, und ab welcher Pixelzahl ihre Kunsthäute sinnvoll eingesetzt werden können, wird allerdings erst die Praxis zeigen.
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