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Varignon

Treitz-Rätsel

Ein sehr einfacher Satz der elementaren Geometrie wurde erst im 18. Jahrhundert gefunden: Was für ein Viereck entsteht, wenn man die Mittelpunkte der Seiten eines beliebigen Vierecks (das nicht einmal eben sein muss) reihum miteinander verbindet? Ist das leicht zu beweisen?

Was ist zu den Diagonalen parallel?

Jede der beiden (hellblauen) Diagonalen teilt das (schwarze) Viereck in zwei Dreiecke. Betrachten Sie in jedem dieser Dreiecke die Mittelparallele zur Diagonale des Vierecks. Die gesuchte Figur ist also ein (rot gezeichnetes) Parallelogramm.

Bemerkenswerterweise ist dieser einfache und extrem einfach zu beweisende Satz erst von Pierre Varignon (1654-1722) gefunden und 1731 veröffentlicht worden. In der Antike war er also möglicherweise unbekannt.

Der Mittelpunkt des Parallelogramms ist übrigens auch der Schwerpunkt der vier (als gleich schwer angenommenen) Ecken des vorgegebenen Vierecks (dessen Kanten und Fläche natürlich masselos gedacht werden).

Zusatzfrage: Wie viele Vierecke gibt es zu einem gegebenen Parallelogramm, wenn eine Vierecksecke beliebig in der Ebene des Parallelogramms (aber nicht auf seinen Seiten oder Ecken) vorgegeben ist?

Man kann der Reihe nach die Strecken zu den Parallelogramm-Ecken verdoppeln und kommt damit von der gegebenen Ecke zu drei weiteren. Auch die 4. Seite des so gefundenen Vierecks muss wegen des Satzes von Varignon als Mitte die 4. Ecke des Parallelogramms haben, die 5. Ecke des Vierecks ist also wieder die 1.

Man kann das Verfahren mit jeder der 4 Ecken des Parallelogramms beginnen und dann links oder rechts herum weitermachen. Da ein Viereck sich aber nicht dadurch ändert, dass man es rückwärts durchläuft, gibt es vier (im Allgemeinen) verschiedene Vierecke.

Für jedes dieser Vierecke gilt: Zwei (violett gemalte) seiner Ecken sind Ecken des (hellrosa) Parallelogramms, das sich durch zentrische Streckung 2:1 (mit Zentrum in dem gegebenen Punkt) aus dem gegebenen ergibt, die vierte Ecke ist eine der grün gemalten.

Nun noch eine ganz andere Frage: Muss das Viereck überhaupt eben sein, oder können seine Ecken auch die eines (allgemeinen) Tetraeders sein?

Von den 6 Kanten des (im Allgemeinen unregelmäßigen) Tetraeders ernennt man zwei, die keine Ecke gemeinsam haben, zu den Diagonalen und die übrigen 4 zu Seiten eines nicht-ebenen Vierecks. Jede Diagonale bildet mit den Seiten zwei Dreiecke, und parallel zu den Diagonalen findet man je zwei Mittelparallelen zu den Dreiecken. Der Beweis des Varignon-Satzes erfordert nicht, dass die Dreiecke in ein und derselben Ebene liegen.

Nun können wir von den 6 Seiten des Tetraeders auf drei verschiedene Weisen zwei zu Diagonalen ernennen (nämlich zu jedem Paar von zwei Ecken). Wir finden daher drei Parallelogramme mit insgesamt 6 verschiedenen Ecken auf den Kantenmittelpunkten des Tetraeders. Sie bilden ein – im Allgemeinen unregelmäßiges, aber punktsymmetrisches – Oktaeder, in dem je zwei der 12 Kanten parallel zu einander und zu einer Kante des Tetraeders sind.

© mit frdl. Gen. von Norbert Treitz
© mit frdl. Gen. von Norbert Treitz

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