»Auf den Spuren der Jenaer Astronomen«: Von Sonnenuhren bis zu Carl Zeiss Jena
Wer sich mit der Stadt Jena und ihrem Beitrag zur Geschichte der Astronomie befasst, kommt an Reinhard E. Schielicke als Autor einschlägiger Publikationen nicht vorbei. In seiner jüngsten Veröffentlichung lädt Schielicke seine Leser zu einem astronomiehistorischen Rundgang durch die thüringische Stadt ein. An sechs Stationen spürt er dem örtlichen Bezug zur Astronomie nach, die hier seit über 450 Jahren durchgehend präsent war.
An der ersten Station führt uns der Autor in die Stadtkirche St. Michael mit den beiden mittelalterlichen Sonnenuhren und der architektonischen Besonderheit des achtstrahligen »Jenaer Sterns«, der einst angeblich den Mittelpunkt der Welt symbolisieren sollte.
Das Hanfried-Denkmal erinnert als zweite Station auf dem Jenaer Markt an Johann Friedrich I. von Sachsen, der im Jahr 1548 die Jenaer Hochschule gründete. Hier wurde von Beginn an die Astronomie durch Lehrer wie Michael Neander und Georg Limnäus unterrichtet. Thematisch steht diese Örtlichkeit in enger Verbindung mit dem Collegium Jenense als Station 3, die im Wesentlichen dem erfolgreichen Wirken des Mathematikers und Astronomen Erhard Weigel gewidmet ist. Weigels Verdienste als akademischer Lehrer an der Jenaer Universität, sein Einsatz für die Kalenderreform und die von ihm perfektionierte Herstellung von Himmelsgloben werden ausführlich gewürdigt. Sein größter Globus hatte einen Durchmesser von etwa sechs Metern und konnte im Inneren mehrere Personen aufnehmen. Und für himmelskundliche Studien seiner Studenten errichtete Weigel im Jahr 1656 eine Beobachtungsplattform auf dem Torgebäude des Collegiums.
Wenn auch hier der astronomiegeschichtliche Zusammenhang für den heutigen Besucher eher schwer erkennbar ist, wird es ihm bei Station 4, wo es um die Astronomie im Schillergarten geht, erheblich leichter gemacht. Das entsprechende Kapitel ist mit rund 25 Seiten das umfangreichste im ganzen Buch und beschreibt in aller Ausführlichkeit den Werdegang der Jenaer Sternwarte.
Von Goethe bis zu Carl Zeiss Jena
Beginnend mit der Gründung der Sternwarte durch Herzog Carl August von Sachsen-Weimar unter der Aufsicht des Dichterfürsten Goethe spannt sich der Bogen über Schillers Gartenhaus bis hin zur Übernahme des Direktorats durch Ernst Abbe und zu dem von ihm initiierten Neubau der Sternwarte. In aller Ausführlichkeit berichtet der Autor über die Entwicklung der Universitäts-Sternwarte im 20. Jahrhundert, die durch solch renommierte Persönlichkeiten wie Otto Knopf, Heinrich Siedentopf, Hermann Lambrecht und Werner Pfau geprägt wurde.
Anhand vorzüglichen Bildmaterials erfährt der Leser Näheres über die einzelnen Bauabschnitte der Sternwarte sowie ihre instrumentelle Ausstattung. Für die zeitliche Einordnung sehr hilfreich ist eine tabellarische Zeittafel am Ende des Buchs mit einer Abbildung des Institutsgebäudes, in der die einzelnen Gebäudeteile mit den Jahreszahlen ihrer Errichtung versehen sind. Man merkt es dem Kapitel deutlich an, dass Schielicke als langjähriger Mitarbeiter der Universitäts-Sternwarte diesen Part mit viel Insiderwissen, aber auch mit einer Portion Herzblut geschrieben hat.
Am Ernst-Abbe-Platz erreicht man die Station 5, wo an den traditionsreichen Astrogerätebau bei Carl Zeiss Jena erinnert wird. Detailgenau wird hier die Entwicklung des optischen Gerätebaus nachgezeichnet, die unter Carl Zeiss und Ernst Abbe begonnen hatte und zur Fertigung hochwertiger Teleskope führte, mit denen viele bedeutende Sternwarten ausgestattet wurden. Allein von 1925 bis 1945 wurden beispielsweise neunzehn große Refraktoren mit Öffnungen bis zu 650 Millimeter und dreizehn Reflektoren mit Spiegeldurchmessern bis zu 1250 Millimeter ausgeliefert. Der Leser erfährt auch interessante Einzelheiten über die schicksalhafte Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, als ein Großteil der Zeiss-Mitarbeiter in die Sowjetunion zwangsverpflichtet wurde und das verbliebene Personal nach der Demontage des Werks dessen Neuaufbau unter schwierigsten Bedingungen meisterte. Das daraus hervorgegangene Kombinat VEB Carl Zeiss JENA fertigte unter anderem den Schmidt-Spiegel der Hamburger Sternwarte und das 2-m-Teleskop für das Karl-Schwarzschild-Observatorium in Tautenburg. Der industriemäßige Bau von astronomischen Instrumenten wurde in Jena um das Jahr 2007 eingestellt.
Der astronomiehistorische Stadtrundgang endet schließlich beim Zeiss-Planetarium, wo vor fast genau einhundert Jahren die Planetariumsidee ihren Siegeszug in die Welt angetreten hat.
Das mit exzellentem Bildmaterial üppig ausgestattete Buch wird sich nicht nur als astronomischer Stadtführer gut bewähren, sondern erweist sich auch als ergiebige Quelle, um die Bedeutung der Astronomie für die Optikmetropole Jena genauer zu verstehen.
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