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Bildung: Mit der Astronomie in der Schule durchstarten

»Die Bildungsrepublik Deutschland steckt in einer tiefen Krise.« Dieser Einschätzung der Bundesministerin für Bildung und Forschung, Bettina Stark-Watzinger, anlässlich des Bildungsgipfels im März 2023 in Berlin stimmen wir uneingeschränkt zu. Wie kommt man aus einer solchen Krise heraus? Bei der Beantwortung dieser Frage kann ein Unterrichtsfach Astronomie an Deutschlands Schulen eine wichtige Rolle spielen.
Das Very Large Telescope in Chile
Diese Aufnahme entstand auf dem Berg Paranal in Chile, wo sich das Very Large Telescope befindet. Links ist die Silhouette eines der 1,4-Meter-Hilfsteleskope erkennbar.

Der aktuelle Zustand unseres Bildungssystems entstand nicht unerwartet und nicht plötzlich, sondern war seit Jahren vorhersehbar. Die Liste der Symptome, die zum Teil durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie deutlicher sichtbar wurden, ist lang. Betrachtet man zum Beispiel den Fachkräftemangel, dann fällt auf, dass er im MINT-Bereich besonders akut ist. Nach dem MINT-Herbstreport 2023 des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln e. V. fehlten im September 2023 in Deutschland insgesamt 285 800 Arbeitskräfte im MINT-­Bereich. Dieser gegenwärtige Mangel an MINT-Fachkräften zeigt unmissverständlich auf, dass Deutschlands Bildungssystem derzeit nicht ausreichend in der Lage ist, diesen Fachkräftebedarf adäquat zu bedienen.

Der Mangel ist schwerwiegend, denn die Lösung wichtiger Kernaufgaben, die wir als Gesellschaft gegenwärtig und langfristig beispielsweise im Zusammenhang mit der Energiewende, dem Klimawandel und der digitalen Transformation lösen müssen, setzt Kompetenzen im MINT-Bereich voraus, genauer gesagt, Menschen, die diese Kompetenzen besitzen.

Auch an Lehrkräften gibt es einen Mangel, der Teil der Krise des Bildungssystems ist. Nach einer Forsa-Umfrage, durchgeführt im Herbst 2022, waren im Mittel in Deutschlands Schulen 1,6 Lehrkräftestellen pro Schule nicht besetzt. Das klingt nicht viel, bedeutet aber, dass bei 36 Unterrichtswochen und 28 Lehrer­wochenstunden in einem Schuljahr pro Schule durchschnittlich 1612 Unterrichtsstunden vertreten werden müssen. Oftmals erfolgt die Vertretung nicht fachgerecht; oder die Stunden fallen ganz aus. In den nächsten Jahren wird der Lehrkräftemangel im MINT-Bereich besonders schwerwiegend sein. Eine vom Verband Bildung und Erziehung in Auftrag gegebene Studie (Klemm, 2022) zeigt auf, dass nur für etwa ein Drittel der im Jahr 2030 neu zu besetzenden Stellen für MINT-Lehrkräfte neu ausgebildete Leh­rerinnen und Lehrer zur Verfügung stehen werden.

Ein weiteres Problem betrifft die astronomische Bildung der Schülerinnen und Schüler in Deutschland. Für die meisten von ihnen endet die mit Schulwissen erklärbare Welt 100 Kilometer über dem Meeresspiegel, das heißt an der Kármán-Linie, der (recht willkürlich gewählten) Grenze zwischen Erdatmosphäre und Weltraum. Über das Weltall und unsere Stellung als Menschen darin lernt man wenig an Deutschlands Schulen.

An deutschen Schulen erhalten nur etwa 6,5 Prozent aller Schülerinnen und Schüler einen verbindlichen Astronomieunterricht in ihrer Schulzeit, bezogen auf die Schülerzahlen des Schuljahres 2020/2021 (vergleiche Datenportal des Bundesministeriums für Bildung und Forschung). Außer in den drei Bundesländern Thüringen, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern hängt das Vorhandensein von Angeboten zur Astronomie immer davon ab, ob vom Gesetz­geber die Einrichtung entsprechender ­fakultativer Angebote ermöglicht wird, und insbesondere davon, ob die dafür erforderlichen Ressourcen in Form von ausgebildeten Lehrkräften und Stunden­reservoirs überhaupt zur Verfügung stehen (siehe »Deutschlandkarten der Astronomiebildung«). Aus unserer Sicht besteht dringender Handlungsbedarf.

Deutschlandkarten der Astronomiebildung | Wer in Deutschland eine astronomische Grundbildung erfährt, ist Zufall. Nicht jedes Bundesland bietet hier etwas in Sekundarschulen (links) und Gymnasien (rechts) an.

Ein möglicher Ausweg

Bildungsprozesse sind komplex, vielschichtig und langwierig. Eine Lösung der oben genannten Probleme ist daher nicht einfach. Ein Weg aus der Krise kann jedoch gefunden werden, wenn sich unsere Gesellschaft die folgenden Fragen stellt, diese ehrlich beantwortet, entsprechende Entscheidungen trifft und umsetzt.

Erstens geht es um die Frage, über welche Kompetenzen und grundlegenden ­Inhalte die jungen Menschen nach ihrer Schulzeit verfügen sollten, um ihren weiteren Lebensweg zu meistern und fit für die Arbeitswelt von morgen zu sein.

Zweitens ist die Frage entscheidend, wie viel uns die Bildung unserer Schülerinnen und Schüler wert ist? Konkret geht es darum, wie viel wir als Gesellschaft bereit sind, in angemessen ausgestattete Kindergärten, Schulen, Ausbildungsstätten und Universitäten sowie in gut ausgebildetes Lehrpersonal – vom Erzieher im Kindergarten bis zur Universitätsprofessorin zu investieren.

Drittens werden dringend Antworten auf die Frage benötigt, wie das Bildungssystem in der Bundesrepublik Deutschland effizienter werden kann. Hierbei geht es vor allem um eine Vereinfachung der infolge des Bildungsföderalismus bestehenden komplizierten Kompetenzverteilung auf mehrere Entscheidungsebenen der Bundesländer und des Bundes. Der lange und holprige Weg zu gemeinsamen Abituraufgaben der Bundesländer zeigt das Problem auf. Auch der »DigitalPakt Schule«, der zeitweise am Widerstand der Bundesländer zu scheitern drohte, verdeutlicht das Problem. In einem Interview stellt Prof. Dr. Christoph Meinel, Direktor des Hasso-Plattner-Instituts für Digital Engineering (HPI), in diesem Zusammenhang fest: »Der ›DigitalPakt Schule‹ führt mit länderübergreifenden Projekten ein Instrument ein, mit dem die Bundesländer angeregt werden, gemeinsam Maßnahmen für Investitionen in digitale Infrastruktur zu erarbeiten. Es fehlen aber funktionierende politische Strukturen, die sich aktiv und effizient darum kümmern könnten. Ja, es wird darüber diskutiert, solche Strukturen aufzubauen, aber da gibt es keine effizienten Entscheidungsmechanismen.«

Beim Beantworten der ersten Frage muss die gewachsene Bedeutung der naturwissenschaftlichen, aber auch der mathematischen und technischen Bildung für die Gestaltung der Zukunft unserer Gesellschaft beachtet werden. Eine Stärkung des MINT-Bereichs ist daher eine unverzichtbare Aufgabe bei der Umgestaltung unseres Bildungssystems.

Die Astronomie kann und sollte bei der Verbesserung der MINT-Bildung in Deutschland eine wichtige Rolle spielen. Einen Vorschlag, wie diese Rolle der Astro­nomie aussehen könnte, haben sich engagierte Lehrkräfte des Partnerschulnetzwerks des Hauses der Astronomie in Heidelberg überlegt.

Die Initiative »Astronomie ­als ­Kickstarter«

Lehrkräfte aus Schulen in ganz Deutschland, in denen es Bildungsangebote zur Astronomie gibt, treffen sich alljährlich im November zu der von der Wilhelm und Else Heraeus-Stiftung unterstützten bundesweiten Lehrerfortbildung zur Astro­nomie im Haus der Astronomie. Neben zahlreichen Vorträgen aus der aktuellen astronomischen Forschung gibt es während dieser Fortbildung einen regen ­Erfahrungsaustausch in verschiedenen ­Formaten zwischen den Lehrkräften. ­Thematisiert werden dabei gelungene ­Unterrichtsbeispiele, Materialien für den Unterricht oder für die Astronomie-Arbeitsgemeinschaft, Tipps für das Beobachten des Nachthimmels und Fragen der ­Didaktik und Methodik (siehe »Beobachten wie Galilei« und »Praktische Erfahrungen«). Ein Teil dieser Lehrkräfte ist ­zusätzlich im bundesweit gespannten Partnerschulnetzwerk des Hauses der ­Astronomie aktiv. In ihm sind Lehrkräfte vereint, die in ihrem Bundesland das Fach Astronomie unterrichten oder an ihren Schulen Astronomieprojekte realisieren. Der überwiegende Anteil der Lehrkräfte des Netzwerks unterrichtet mindestens ein naturwissenschaftliches Fach. Im Laufe der letzten zwei Jahre hat eine Arbeitsgruppe dieses Netzwerks zusammen mit Vertretern des Bildungsausschusses der Astronomischen Gesellschaft Ideen und Vorschläge mit dem Ziel entwickelt, die astronomische Bildung in Deutschland zu verbessern. Die Ergebnisse dieser Arbeit wurden im Positionspapier der ­Initiative »Weiterentwicklung des deutschen Bildungssystems – Astronomie als Kickstarter« zusammengefasst und auf der bundesweiten Lehrerfortbildung zur Astronomie im Haus der Astronomie im November 2023 vorgestellt.

Beobachten wie Galilei | Mit einem selbst hergestellten galileischen Fernrohr (unter Verwendung eines entsprechenden Bausatzes von Astromedia) können die historischen Beobachtungen von Galileo Galilei nachvollzogen werden.
Praktische Erfahrungen | Teilnehmende eines Astronomiekurses bei der Deutschen SchülerAkademie identifizieren die ersten sichtbaren Sternhimmelsobjekte am Abendhimmel.

Ein wichtiges Kernziel sehen die Unterzeichnenden des Positionspapiers darin, allen Schülerinnen und Schülern in Deutschland den Zugang zu einer astronomischen Grundbildung durch die Einführung eines obligatorischen Unterrichtsfachs Astronomie in der Jahrgangsstufe 9 oder 10 in allen Bundesländern, in denen es dieses Fach noch nicht gibt, zu ermöglichen.

Das Positionspapier enthält neben einer Begründung dieses Kernziels einen Vorschlag für Bildungsstandards im Fach Astronomie für den Mittleren Schulabschluss, der als Grundlage für ein bundesweites Fach Astronomie fungieren könnte.

Dieser Vorschlag beschreibt den Bildungsbeitrag des Fachs Astronomie, das zu Grunde liegende Kompetenzmodell, die eigentlichen Bildungsstandards und die Inhaltsbereiche des Fachs. Alle Materialien zu diesem Entwurf und weitere Beiträge zur Rolle der Astronomie in der Schule sind im WIS-Beitrag »Zum Wert der Astronomie für die Schule« zusammengefasst (siehe Weblinks).

Bereits im Mai 2023 hat sich die Arbeitsgruppe der Initiative mit dem Posi­tionspapier »Weiterentwicklung des deutschen Bildungssystems – Astronomie als Kickstarter« an die folgenden Politi­kerinnen gewandt: die Präsidentin der Kultusministerkonferenz, Frau Günther-Wünsch, die Bundesministerin für Bildung und Forschung, Frau Stark-­Watzinger, und die Ministerin für Kultus, Jugend und Sport des Landes Baden-Württemberg, Frau Schopper.

Die Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK) hat in ihrem Antwortschreiben darauf verwiesen, dass die Einführung von Unterrichtsfächern und die Lehrplangestaltung den einzelnen Bundesländern obliegen. Sie hat die Weiterleitung unseres Positionspapiers an die Bundesländer und an den Vorsitzenden der MINT-AG der Kultusministerkonferenz veranlasst, um das Thema dort gegebenenfalls aufzugreifen.

Die Antwort aus dem baden-württembergischen Ministerium für Kultur, Jugend und Sport enthält viele gelungene Beispiele, astronomische Inhalte in die Bildungspläne zu integrieren. Einzelne Angebote in den MINT-Fächern oder Wahlangebote erreichen aber bei Weitem nicht alle Schülerinnen und Schüler.

Die nächsten Schritte

Für den Erfolg der Initiative sind Aktivi­täten auf Bundesebene und auf Länderebene erforderlich. Auf Bundesebene plant die Arbeitsgruppe der Initiative eine Kontaktaufnahme mit der MINT-AG der Kultusministerkonferenz, wie es von der KMK-Präsidentin Frau Günther-Wünsch angeregt wurde. Dabei geht es darum, dass die Astronomie ein vollwertiger Bestandteil der MINT-Fächer wird und nicht nur ein Anhängsel der Physik bleibt.

Auch mit dem Deutschen Verein zur Förderung des mathematischen und naturwissenschaftlichen Unterrichts (MNU) soll diesbezüglich Kontakt aufgenommen werden, denn dort ist die Astronomie bisher ebenfalls unterrepräsentiert.

Für die Arbeit auf der Ebene der Länder gibt es für jedes Bundesland eine Ansprechpartnerin oder einen Ansprechpartner der Initiative, die oder der sich beratend und unterstützend im Sinne der Initiative einbringen kann, zum Beispiel bei anstehenden Lehrplanentwicklungen auf Länderebene.

Folgende inhaltlichen Ziele werden langfristig verfolgt:

1.) Das wichtigste Ziel ist die Einführung eines Unterrichtsfachs Astronomie am Ende der Mittelstufe. Damit erreicht man alle Lernenden

2.) Zusätzlich ist die Implementierung von Wahl- und Wahlpflichtangeboten zur Astronomie in den Bildungsplänen der Länder von Bedeutung. Wie das funktionieren kann, zeigen unter anderem die Beispiele aus Baden-Württemberg, aber auch die Lehrplanalternative Astrophysik in der bayrischen gymnasialen Oberstufe und die Wahlgrundkurse Astronomie in der gymnasialen Oberstufe in Brandenburg. Mit dieser Maßnahme erreicht man einen Teil der an Astronomie Interessierten – aber tatsächlich nur dann, wenn es entsprechende Angebote an der jeweiligen Schule gibt (was vom Vorhandensein entsprechend aus- oder fortgebildeter Lehrkräfte abhängt; siehe unten).

3.) Ein nächstes Ziel besteht darin, be­sonders tragfähige astronomische In­halte in den Rahmenlehrplänen der MINT-Fächer zu verankern. Das ist nicht einfach, denn betrachtet man die MINT-Rahmenlehrpläne der Bundesländer insgesamt genauer, dann stellt man fest, dass sie oftmals bereits sehr stark inhaltlich verdichtet sind.

Damit bietet man zwar allen Schülerinnen und Schülern in einem Bundesland einige Bruchstücke astrono­mischer Bildung an, der oben beschriebene Bildungsbeitrag eines Fachs Astronomie lässt sich damit jedoch nicht umsetzen.

4.) Schließlich besteht ein weiteres Ziel darin, das Angebot an Arbeitsgemeinschaften und Projekten mit Astronomiebezug zu erweitern.

Astronomie als Unterrichtsfach

Gute Gründe für Astronomie als Bestandteil der Allgemeinbildung

Die astronomische Grundbildung, die allen Lernenden angeboten werden soll, bezieht sich auf die folgenden drei Schwerpunkte:

1. Das zielgerichtete Beobachten und Beschreiben grundlegender Phänomene des Tag- und Nachthimmels mit bloßem Auge und das Erläutern der Zusammenhänge zwischen diesen Phänomenen und unserem Alltag.

2. Das Aneignen grundlegender Vorstellungen über den Aufbau und die Entwicklung des Universums, der Sterne und des Sonnensystems sowie über die Bedingungen der Entstehung und der Existenz von Leben.

3. Einblicke in die Stellung des Menschen in Zeit und Raum und damit eine naturwissenschaftliche Sichtweise auf Grundfragen des menschlichen Seins.

Es gibt gute Gründe für die Einführung eines obligatorischen Unterrichtsfachs Astronomie:
■ Die genannten drei Schwerpunkte astronomischer Grundbildung und die damit verbundenen Aspekte des Weltverständnisses sind unverzichtbar für eine Allgemeinbildung und werden durch kein anderes Unterrichtsfach thematisiert.
■ Kontexte aus der Astronomie greifen vielfältige Interessen der Schülerinnen und Schüler auf. Sie tragen somit zu Motivationen im Unterricht bei und bieten einen direkten Zugang zu den Naturwissenschaften aus der eigenen Erlebniswelt heraus.
■ In der Auseinandersetzung mit Astronomie zeigt sich das Zusammenspiel aller Naturwissenschaften in einer Weise, die andere MINT-Fächer nicht abdecken können.
■ Das Fach Astronomie baut Brücken zu den Geisteswissenschaften, vielen technischen Disziplinen, zur Kunst und Literatur. Dadurch werden auch die einbezogenen Fächer bereichert.
■ Die synthetisierende Funktion des Fachs Astronomie im Fächerkanon ermöglicht Einblicke in die ganz großen Zusammenhänge unserer Existenz, was das naturwissenschaftliche Weltbild der Lernenden erheblich qualifiziert.
■ Astronomieunterricht bietet den Lernenden durch die Auseinandersetzung mit beobachtbaren und messbaren astronomischen Phänomenen vielfältige Einblicke in wissenschaftliche Methoden und Verfahren und befähigt sie, diese wissenschaftspropädeutisch anzuwenden (siehe »Arbeiten wie in der Forschung«).

Arbeiten wie in der Forschung | Ein Schüler des Theodor-Fontane-Gymnasiums in Strausberg steuert via Internet ein Sonnenteleskop. Die entstandenen Aufnahmen der Sonne wurden für Sonnenfleckenzählungen und zur Untersuchung der Randverdunklung der Sonne verwendet. Die Aktivitäten fanden im Dezember 2023 im Rahmen eines Projekts des DLR_School_Lab Berlin statt.

Eine wichtige Voraussetzung für die ­Einführung eines Unterrichtsfachs ­Astronomie ist die ausreichende Zahl an Lehrkräften. Die Anzahl der ausge­bildeten Astronomielehrkräfte reicht derzeit bei Weitem nicht aus, um einen obligatorischen Astronomieunterricht an allen Schulen abzusichern. Zu den Universitäten, die bereits als Ausbildungsstätte für das Lehramt Astronomie fungieren, könnten weitere Universitäten mit astronomischen Instituten das An­gebot erweitern. Das in Deutschland weit verzweigte Netz an Astronomie­instituten mit vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die den Bildungswert der Astronomie für die Schule anerkennen, bietet dazu vielfältige Möglichkeiten. Neben der direkten Ausbildung sollte vor allem auch die Variante des postgradualen Studiums in Betracht gezogen werden.

Fazit

Astronomie gehört auf die Stundentafel, weil astronomisches Grundwissen ein unverzichtbarer Bestandteil der Welt­betrachtung und damit Teil einer grundlegenden Allgemeinbildung junger Menschen ist. Zudem stellt ein verbindliches Fach Astronomie einen wertvollen Baustein zur nachhaltigen Verbesserung der Situation im Bereich der MINT-Fächer dar. Die Astronomie schafft für die Lernenden neue Zugänge zu den MINT-­Fächern und führt diese zusammen. Hierdurch lassen sich zukünftig mehr Schülerinnen und Schüler für die Naturwissenschaften begeistern. Das ist eine notwendige Voraussetzung dafür, dass junge Menschen im MINT-Bereich eine Karriere anstreben. Hierdurch würde langfristig ein wichtiger Beitrag zur Lösung des Fachkräftemangels im MINT-Bereich geleistet werden.

Es geht nicht darum, dass durch ein zusätzliches Unterrichtsfach Lernprozesse weiter verdichtet und beschleunigt werden, sondern darum, dass die Astronomie angemessen in den Bildungsplänen der Bundesländer berücksichtigt wird und damit alle Schülerinnen und Schüler einen Zugang zu astronomischem Grundwissen erhalten. Das Ziel besteht darin, die Lernenden einzuladen, unsere kosmische Heimat zu entdecken und zu verstehen sowie Neugier und Begeisterung für damit zusammenhängende naturwissenschaftliche Fragen zu entfachen. Für die Gestaltung unserer zukünftigen Gesellschaft ist dieses Wissen unverzichtbar.

Falls Sie unserer Argumentation für mehr Astronomie in Deutschlands Schulen folgen, bitten wir Sie, die Initiative zu unterstützen. Ob als Wissenschaftlerin oder Wissenschaftler, als Medien­schaffende, als astronomieinteressierter Mensch, als Lehrerin oder Lehrer, als Unternehmerin oder Unternehmer: Tragen Sie bitte das Thema in die Öffentlichkeit. Die Astronomie ist viel mehr als ein hervorragendes Hobby.

Unsere Initiative hat bereits viele ­Unterstützerinnen und Unterstützer aus allen Bereichen der Gesellschaft. Viele von ihnen haben kurz und treffend ihren Standpunkt zur Astronomie in der Schule dargestellt. Diese Aussagen können ebenfalls in einer Anlage unseres Posi­tionspapiers nachgelesen werden. Eine dieser Aussagen bringt das Anliegen auf den Punkt. Sie stammt vom Soziologen Prof. Dr. Dr. Hartmut Rosa aus Jena. Er schrieb:
Spätestens mit Beginn des Anthropozäns, mit der Erkenntnis, dass menschliches Handeln planetare Grenzen berührt, gewinnt die Einsicht, dass die Erde eingebettet ist in ein komplexes, umgreifendes kosmisches System, unmittelbare Handlungsrelevanz. Astronomie ist dann kein Luxus mehr, sondern stiftet essenzielles Orientierungswissen. Astronomie muss Schulfach werden; jetzt!«

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  • Quellen
Clausnitzer, L.: Ist die Astronomie ein Spezialgebiet? Sterne und Weltraum 10/2021, S. 38 – 44
Müller, A.: Interview mit Lutz Clausnitzer. Astronomie für die Mehrheit der Schüler. Sterne und Weltraum 1/2021, S. 26 – 27

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