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»Die Sonne«: Die Energiequelle unseres Lebens

Sibylle Anderl und Claus Leggewie schreiben kurzweilig zur Physik der Sonne und ihrer Geschichte. Sie plädieren für die Photovoltaik und beleuchten die Kernfusion.

Fast die Hälfte ihrer Lebenszeit hat sie schon hinter sich. Die Sonne hat 4,6 Milliarden Jahre auf dem Buckel und noch etwa 5 Milliarden vor sich – wobei bereits in einer Milliarde Jahre das Leben auf der Erde für komplexe Lebensformen schon nicht mehr möglich sein dürfte. Warum das so ist, wie die Sonne entstanden ist, woraus sie besteht und wie Menschen nach und nach das Wissen um diese Zusammenhänge erworben haben, erläutert dieses Sachbuch. Es behandelt nicht nur das astrophysikalische Grundlagenwissen, die Autoren schildern auch die historische Bedeutung der Sonne in Kunst, Mythologie, Politik und Religion. Im letzten Teil hinterfragen sie kritisch, wie die Sonnenenergie mit Hilfe von Photovoltaik, solarem Geoengineering oder gar bei der Kernfusion genutzt werden kann. Insgesamt wünschen sich die Autoren, dass die Sonne mehr Beachtung erfährt.

Diese Mischung aus Naturwissenschaft, Geschichte und Zukunftstechnologien entspricht dem Hintergrund des Autorenduos. Die Wissenschaftsjournalistin Sibylle Anderl ist Astrophysikerin und Philosophin und leitet das Ressort Wissen der ZEIT. Der Autor Claus Leggewie ist Politikwissenschaftler und war Direktor des Kulturwissenschaftlichen Instituts Essen. Den beiden ist ein kurzweiliges, lehrreiches und unterhaltsames Buch gelungen. Mit seinen rund 180 Seiten ist es erfrischend kompakt, gibt einen ersten Überblick zum Phänomen Sonne und motiviert gleichzeitig dazu, auch in den im Buch angegebenen Quellen weiter zu stöbern.

Lebensspenderin und Zerstörerin

Eher nüchtern ist der Stil von Anderl und Leggewie, fast wie der eines Wikipedia-Eintrags. Aber das ist kein Nachteil, liest sich ihr Werk so doch deutlich entspannter als viele andere Sachbücher, die im Reportagestil daherkommen und mit vielen eingebauten Szenen oft etwas überladen wirken. So bleibt hier auch Raum für die Erwähnung eher unbekannter Sonnenforscher und -forscherinnen. So stellen die Autoren Cecilia Payne-Gaposchkin vor, die in ihren Augen brillanteste Astrophysikerin des vergangenen Jahrhunderts. Payne erkannte immerhin als Erste, dass die Sonne tatsächlich zum größten Teil aus Wasserstoff besteht. Ihr Doktorvater verwarf ihre Auswertungen als »nahezu sicher nicht real«, bis er vier Jahre später selbst mit der Veröffentlichung dieser Erkenntnis berühmt wurde. Oder die zu Unrecht vergessene ungarisch-amerikanische Biophysikerin Mária Telkes: Sie hatte während des Zweiten Weltkriegs eine Methode erfunden, um mit Hilfe von Sonnenenergie Wasser zu entsalzen.

Einen relevanten Teil des Buchs nehmen die Erläuterungen zur Nutzung der Sonnenenergie qua Photovoltaik ein. Hier ändert sich der Stil ein wenig, die Passagen zur Bewertung der Förderung erneuerbarer Energien und zum Untergang der deutschen Solarindustrie geraten deutlich emotionaler. Aus Sicht der Autoren wurde die Solarindustrie in Deutschland, als sie schon kurz vor der Weltmarktführerschaft zu stehen schien, »in einer Mischung aus interner Missachtung und äußerem Konkurrenzdruck […] regelrecht an die Wand gefahren«. Eine Pleitewelle war die Folge. Ihr Urteil: »Die Demontage der deutschen Solarindustrie war ein teurer Irrweg, der von marktwirtschaftlicher Ideologie sowie geowirtschaftlicher und geopolitischer Naivität getrieben war«. Auch die Solarenergie sei nicht ohne Nachteile, schreiben sie; so ermögliche sie allein keine Loslösung vom Jahrhunderte währenden, auf fossilen Energieträgern fußenden Lebensstil. Hoffnung geben den Autoren zufolge die aktuellen Erfolge bei der Nutzung der Solarenergie, etwa mit Blick auf Tandem- oder Perowskit-Solarzellen, die immer neue Rekorde bei der Höhe des Wirkungsgrades ermöglichten.

Das Buch endet mit einer Übersicht zum Forschungsstand beim Geoengineering und der Kernfusion. Beiden Technologien stellen Anderl und Leggewie insgesamt kein positives Zeugnis aus. So ist es für die beiden schwer vorstellbar, dass ein großtechnisches Projekt wie die Kernfusion keine unerwünschten und schädlichen Nebenwirkungen habe – zumal es eine enorme Konzentration von Geldern erfordere und sich noch immer im Experimentierstadium befinde. Dennoch würdigen sie als Vorteil der Technologie, dass sie deutlich weniger radioaktiven Abfall erzeugt als die Kernspaltung. Und am Schluss des Buchs schimmert dann durch, dass die mögliche Zukunft dieser Technologie das Forscherherz der Autoren trotz all ihrer Nachteile höher schlagen lässt. Die Kernfusion zu ergründen, beflügele den Forschergeist, ermögliche internationale Kooperationen und vermittele ein optimistisches Zukunftsbild, schreiben sie. Vielleicht ist diese überraschend wohlwollende Passage auch damit zu erklären, dass derartige Forschungen unser Wissen über die Sterne vermehren könnten. Wirklich schlüssig ist sie mit Blick auf die das Buch ansonsten bestimmende, sachlich abwägende Argumentation allerdings nicht.

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