»Entdecke den Weltraum«: Auch im All kommt es auf die Details an
Astronomie begeistert Jung und Alt gleichermaßen. Und wie schön ist es, auf den Buchmessen in Frankfurt und Leipzig regelmäßig neue astronomische Titel zu entdecken, die das Interesse von Kindern an MINT-Themen fördern – ob durch Sachbücher, Abenteuergeschichten, Bilderbücher, Comics oder Mischungen verschiedener Genres!
Auch dieses Buch ist kein Sachbuch im klassischen Sinn. In ihm nehmen die beiden kleinen Charaktere Emma und Louis ihre Leserinnen und Leser mit zu den Wundern des Weltalls. Beide sind erfrischenderweise nicht die allwissenden Protagonisten des Buches, sie bestaunen vielmehr gemeinsam mit ihrer jungen Leserschaft das Universum mit all seinen besonderen Objekten, Orten und Funfacts. Wir lernen wichtige Persönlichkeiten aus Astronomie und Raumfahrt kennen und tauchen sogar in die astronomische Film- und Kunstszene ein – ein gelungenes Beispiel für eine vielperspektivische Sicht auf eine Naturwissenschaft.
Diese schönen Eindrücke verdanken wir zum einen dem Illustrator Anton Hallmann, der seine Protagonisten gekonnt und unaufdringlich in Szene setzt. Die gewählte Farbpalette und der Stil der Illustrationen sind modern und wertig. Beide haben jedoch zur Konsequenz, dass manche Abbildungen so stark von ihren natürlichen Vorbildern abweichen, dass sie nur mit Vorwissen als das erkennbar sind, was sie darstellen sollen, etwa die Planeten Venus und Saturn. Auch die Mondphasen sowie die Nachtseiten der Planeten und Monde entsprechen in der dargestellten Form nicht einer von der Sonne angestrahlten Kugel, die aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet wird. Sie erinnern eher an Bilder von Finsternissen, bei denen sich eine runde Fläche über eine andere runde Fläche schiebt – also astronomisch ein ganz anderes Phänomen. So ergibt sich die Frage, inwieweit es vertretbar ist, die Sachbuchebene zugunsten der künstlerischen Freiheit zu verlassen und so in Kauf zu nehmen, dass Darstellungen naturwissenschaftlich nicht mehr korrekt sind, aber von Kindern als Realität angenommen werden.
Sachliche Ungenauigkeiten
In astronomischer Hinsicht nimmt uns die Autorin Anne Ameri-Siemens mit auf eine Reise durch unser Sonnensystem, zu den Planeten, unserem Mond, zu Sternen und Galaxien. Es gibt einen Abschnitt über Raumfahrt, Exoplaneten und den Weltraum in Film und Kunst. Besonders gelungen finde ich die zwei Doppelseiten über Forschende von der Antike bis ins 20. Jahrhundert sowie über Astronautinnen und Astronauten. Generell ist die Auswahl der Informationen eine gute Mischung aus Basiswissen zu Themen wie Abständen oder Größen und spannenden Details. Man merkt dem Stil der Autorin an, dass sie Spaß daran hatte, die Informationen für ihre junge Zielgruppe aufzubereiten.
Was die sachliche Richtigkeit besagter Informationen angeht, reiht sich leider auch dieses Buch in die Publikationen ein, denen eine fachliche Beratung im Vorfeld gutgetan hätte. Die Palette der Ungenauigkeiten umfasst Flüchtigkeitsfehler wie zum Beispiel die Aussagen, dass Saturn von allen Planeten für einen Umlauf um die Sonne am längsten brauche oder es Billionen von Sternen gebe (diese Zahl ist um den Faktor 10 Milliarden zu klein). Hinzu kommen aus naturwissenschaftlicher Sicht falsche Annahmen wie die, dass die Umlaufbahnen der Planeten um die Sonne die Form von Hühnereiern haben oder dass die Sonne 60 Mal heißer sei als kochendes Wasser, nur weil 100 Grad Celsius, mal 60 genommen, 6000 Grad Celsius ergibt (in den USA läge unter Anwendung der Temperaturskala Fahrenheit der Faktor übrigens nur bei 51). Wärme und Temperatur sind nun einmal nicht das Gleiche. Auch bei der Angabe der Tageslängen der Planeten hat die Autorin nicht beachtet, dass die Rotationsdauer eines Planeten nicht seiner Tageslänge entspricht. Mit Blick auf die Erde ergibt sich so eine Differenz von nur vier Minuten, aber bei Venus und Merkur liegen die Unterschiede im mehrstelligen Tagesbereich! Unklar bleibt auch, warum die Planeten im Buch »durcheinander« und nicht in ihrer »natürlichen« Reihenfolge präsentiert werden. Merkur und Venus hätten wunderbar auf eine Doppelseite vor der Doppelseite zur Erde gepasst, so wie Uranus und Neptun nach der Doppelseite zum Saturn hätten platziert werden können. Leider ließe sich die Liste mit derartigen Kritikpunkten noch weiter fortführen.
Fazit: In der jetzigen Fassung kann ich aufgrund der doch zahlreichen Unstimmigkeiten keine uneingeschränkte Kaufempfehlung geben, auch wenn der größte Teil des Buchs wirklich sehr gelungen ist. Ich hoffe, dass es eine korrigierte zweite Auflage geben wird, dann würde das Buch tatsächlich zu den besten Büchern im Segment »Astronomie für Kinder« gehören, die ich 2024 gelesen habe.
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