Wie wir alle Geschichte schreiben können
Das Buch »Gemeinsam für die Zukunft« spricht, um nur wenige Beispiele zu nennen, vom ersten globalen Streik, von zivilem Ungehorsam, von Klimagerechtigkeit und davon, »wie wir alle Geschichte schreiben können«. Welch ein hohes Ziel! Doch es ist eines, das zu erreichen nicht nur lohnend erscheint, sondern entscheidend für die Zukunft dieser Erde sein wird.
Vom Schulstreik zum Massenprotest
Der promovierte Philosoph David Fopp, der gegenwärtig an der Stockholmer Universität lehrt und früher in Berlin, Basel und Paris arbeitete, verfasste das Buch zusammen mit den Studentinnen und Klimaaktivistinnen Isabelle Axelsson (Stockholm) und Loukina Tille (Zürich).
In der Einleitung schildert Popp seine Begegnung mit Greta Thunberg im August 2018. Die damals 15-Jährige hatte vor dem Stockholmer Parlament ihren fast schüchternen Schulstreik begonnen – was dennoch zu weltweiten Massenprotesten führte. Grundlage dafür war die Gründung von »Fridays for Future« am 7. September 2018.
Im Mittelpunkt des Werks steht das Phänomen, wie ein Funke – durch jugendliche Gruppen entzündet – auf zahlreiche Erwachsene überspringt und schließlich auch Wissenschaftler weltweit einnimmt. In diesem Sinn entstand im März 2019 der Verbund »Scientists for Future«, den der Botaniker Gregor Hagedorn angestoßen hat. Aktiv betätigten sich daran nicht nur bekannte deutsche Forscher wie Maja Göpel, Volker Quaschnigg, Stefan Rahmstorf und Detlev Ganten – rund um den Globus fanden sich rund 26 800 Unterstützer. Die Website scientists4future.org gibt einen guten Überblick über ihre Arbeit, die nicht nur die Klimaforschung betrifft. Inzwischen gibt es unter dem Namen »Parents for Future« ein weiteres Bündnis mit ähnlicher Stoßrichtung.
Tatsächlich ist das ein recht ungewöhnliches Ereignis: Aus den Impulsen einer jungen Generation entstand eine Bewegung von Fachleuten. Dabei sind die jungen Aktivisten meist Laien, sie mussten sich erst mit der komplexen Materie vertraut machen und solide einarbeiten. Anders hätte man sie nicht ernst genommen, denn Appelle und Forderungen allein genügen nicht; Fakten und Beweise müssen die Grundlage sein.
Fopp legt das im Musterbeispiel eines Treffens in Lausanne zwischen den zwei so unterschiedlichen Gruppen so dar: »Der Kontrast könnte im Gestus nicht größer sein zu den gepflegten Konversationen, die die ›Scientists for Future‹ in den E-Mail-Listen führen. (…) Die Wissenschaftler_innen kommen auf die Idee, den Jugendlichen während des Kongresses anzubieten, mehr Fragen an uns zu stellen – und sie dann an ›Scientists for Future‹ weiterzuleiten. Daraus entsteht ein Fragenkatalog und ein Dokument, das schnell 80 Seiten lang ist.«
So wichtig solche Aktionen sind, aus denen akademische Studien entstehen, ist es andererseits auch von Bedeutung, praktische Fragen zu beantworten, die etwa den Haushalt, das Einkaufen, den Verkehr, das Bauen und die Ernährung betreffen. Das kommt hier zu kurz. Unter dem Stichwort »ökologischer Fußabdruck« wäre darauf einzugehen: Wohin mit gebrauchten Taschentüchern? Wie heizt man am schonendsten? Was ist von Fleischersatz zu halten? Warum sind viele Geräte so anfällig? Lassen sich Flüge tatsächlich ausgleichen?
Das Buch schließt mit einem Überblick, der drei Pfeiler und zwei Prinzipien benennt. Im Zentrum stehen – der Ruf ist nicht neu – die Minderung der Treibhausgasemissionen und die Förderung erneuerbarer Energien. Grundlegend sollen dabei soziale Gerechtigkeit und das Demokratisierungsprinzip sein. Schluss also mit den bisherigen Macht- und Klassenstrukturen, der alten Dominanz in Politik und Wirtschaft.
Der oft erzählerische Ton des informativen Buchs erleichtert die Lektüre. Erschwert wird sie aber dadurch, dass die meisten Absätze sehr lang ausfallen und die Autoren manches allzu ausufernd schildern. Leider gibt es zu den häufig dunkel geratenen Fotos keine Bildtexte. Einzelne Belege fehlen im Text komplett, doch endet das Buch mit einem siebenseitigen Literaturverzeichnis.
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