»Leben im All«: Ist da wer?
Es ist eine fantastische Frage und ebenso eine, die leicht zu Fantastereien führt: Sind wir allein im All? Und gleich stellen sich weitere Fragen: Hat sich jenseits der Erde anderswo unabhängig Leben entwickelt? Und, wenn ja, wie mag es wohl aussehen? Was hätten uns die Außerirdischen zu sagen, oder sollten wir sie gar fürchten? Sind sie womöglich schon hier? Oder beobachten sie uns, wie wir Tiere in einem Zoo bestaunen? – Auch wenn der Ufo-Hype des letzten Jahrhunderts inzwischen abgeebbt ist, ist die zugrunde liegende Frage vor allem durch die Entdeckung von tausenden Exoplaneten wieder aktuell geworden. Es ist also an der Zeit, das Thema wieder aufzugreifen.
Das hat der US-amerikanische Astrophysiker Adam Frank in seinem Buch getan. Mit NASA-Mitteln finanziert, leitet er eine Forschungsgruppe, die sich damit beschäftigt, wie Technosignaturen anderer Zivilisationen aussehen könnten und wie man sie entdecken könnte. In acht Kapitel gliedert der Autor sein Buch. Das erste ist eine kurze historische Einführung, die auch die berühmte Drake-Gleichung erläutert: Ein langes Produkt von Wahrscheinlichkeiten gibt formal die Zahl der Zivilisationen im All an – allerdings sind dabei die meisten Faktoren so unsicher, dass man je nach Annahmen folgern kann, dass in fast jedem Sternsystem Leben existiert; oder eben auch, dass wir allein sind. Es folgt ein Kapitel, das einige Grundbegriffe wie die »bewohnbare Zone« oder »Dyson-Sphären« erläutert. Kapitel drei kümmert sich dann um Ufo-Sichtungen und Kapitel vier darum, wie die kosmischen Distanzen zu bewältigen wären. Weiter geht es mit der Frage, wo wir denn nach fremdem Leben suchen sollten, und folgerichtig überlegt der Autor im sechsten Kapitel, wie wir woanders Leben entdecken könnten. Kapitel sieben wirft die Frage auf, ob denn Leben nicht auch ganz anders aussehen könnte. Und in Kapitel acht schließlich formuliert der Autor Hypothesen: »Was wäre, wenn?«
Tatsächlich hat sich in der Bewertung der einzelnen Faktoren der Drake-Gleichung viel getan, seit Frank Drake (1930–2022) sie 1961 vorgestellt hat. Insbesondere die Frage, wie viele Exoplaneten es gibt, scheint heute durch Beobachtungen geklärt: Vermutlich haben fast alle Sterne ganze Planetensysteme, so dass es wahrscheinlich ist, dass etwa ein Planet pro Stern tatsächlich in der bewohnbaren Zone sein Heimatgestirn umkreisen könnte. Und auch an der sich anschließenden Frage – ob Exoplaneten lebensfreundliche Atmosphären haben – wird aktiv geforscht.
Exoplaneten, künstliche Intelligenz und ein etwas zu lockerer Ton
Doch diese vor 20 Jahren kaum vorstellbaren Fortschritte kommen in Franks Buch nur ziemlich knapp vor. So fehlt zum Beispiel der Physik-Nobelpreis 2019 für Michel Mayor und Didier Queloz, die als Erste einen Exoplaneten um einen normalen Stern entdeckten. Stattdessen werden irgendwelche Ufo-Zeugen namentlich genannt und deren Geschichten erzählt. Das ist schade, und der Autor wird hier vermutlich seinem eigenen Anspruch nicht ganz gerecht.
Die größten Unsicherheiten bestehen damit in der Drake-Gleichung nunmehr für Faktoren, die irdischen Untersuchungen zugänglich sind: Wie wahrscheinlich ist es, dass sich eine fruchtbare Chemie entwickelt? Mit welcher Wahrscheinlichkeit bilden sich selbstreplizierende Moleküle? Aber auch: Was ist die typische Überlebensdauer einer technologischen Zivilisation? Auch diesen Punkt berührt Frank, bleibt dabei aber zu sehr an der Oberfläche.
Interessant und aktuell sind die Spekulationen, die Frank angesichts der künstlichen Intelligenz anstellt: Wäre es nicht viel wahrscheinlicher, dass eine künstliche Form der Intelligenz sich auf den Weg machen würde, um die Galaxie zu besiedeln? Unabhängig von biologischen Alterungsprozessen haben Silizium-basierte Halbleiterwesen keine Probleme, die enormen Zeiten, die man braucht, um von Stern zu Stern zu reisen, zu überwinden. Könnten »sie« also doch schon da sein?
Dankenswerterweise fehlen in diesem Buch Spekulationen à la Erich von Däniken, der sich mit seinen unseriösen Behauptungen, nach denen Außerirdische in der Prähistorie die Menschheit besucht und geprägt haben, ein komfortables Auskommen finanziert haben dürfte. Die Ufo-Geschichten, die sich alle in den USA abgespielt haben, hat Frank aber wohl ebenfalls aus Marketinggründen aufgenommen: Sie wecken einfach Interesse, vor allem in seinem Heimatmarkt, den USA.
Störend in Franks Buch ist der etwas erzwungene Plauderton. An vielen Stellen spricht er die Leser direkt an mit vermeintlich humorvollen Kommentaren. Das mag in Vorträgen zu einer lockeren Stimmung führen; in einem Buch, das man ja in der Regel allein liest, laufen diese Witzchen ins Leere, so dass man sich fast etwas fremdschämt.
Alles in allem also eine leichte – zum Teil aber auch seichte – Lektüre zu einem interessanten Thema, zu dem sich in den letzten 50 Jahren viel getan hat.
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