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Außerirdisches Leben: Planlos durchs Weltall

36 außerirdische Zivilisationen gebe es in der Milchstraße. Das wollen zwei Forscher berechnet haben. Sie betreiben vor allem Kaffeesatzleserei, kommentiert Robert Gast.
Außerirdische Welten

Wenn es nach zahlreichen aktuellen Medienberichte geht, ist eine der größten Fragen der Menschheit beantwortet: 36 außerirdische Zivilisationen gibt es in unserer Galaxie. Wegen der gigantischen Distanzen ist die nächste allerdings bis zu 17 000 Lichtjahre von uns entfernt. So steht es zumindest in einer Pressemitteilung der University of Nottingham – deren Inhalt Nachrichtenagenturen und Medien derzeit auf der ganzen Welt verbreiten.

Kein Wunder: Die Frage nach außerirdischem Leben ist faszinierend. Sie zwingt uns, den Blick von der Erde zu lösen und uns mit den unendlichen Möglichkeiten des Weltalls auseinanderzusetzen. Das kann eine Lehre in Demut sein, uns etwas über uns selbst als Spezies verraten oder auch einfach nur kurzweilige Ablenkung bringen. Das Tolle daran: Egal wie lange man Argumente wälzt, nie wird man auf eine abschließende Antwort stoßen.

Denn mit dem heutigen Wissensstand der Menschheit lässt sich die Frage nach außerirdischem Leben schlicht nicht beantworten. Daran ändert auch der Fachaufsatz nichts, der die Basis der Nottinghamer Pressemitteilung bildete. Darin nehmen sich zwei Forscher die bald 60 Jahre alte Drake-Gleichung vor, seit Langem das Standardwerkzeug für die gedankliche Suche nach E.T.s Verwandten.

Alter Wein in alten Schläuchen

Für die beiden Wissenschaftler dürfte es eine Art Spaßprojekt gewesen sein: Sie forschen normalerweise zu ganz anderen Fragen, der eine in der Astrophysik, der andere in der Ingenieurwissenschaft. Das erklärt vielleicht auch, weshalb ihr Ansatz nicht gerade der originellste ist: Die Drake-Formel war noch nie zu mehr gut als zu einer gehobenen Form der Kaffeesatzleserei.

Statt um Wissenschaft geht es hier eher um eine blühende Fantasie. Schließlich gilt es eine ganze Reihe von hochspekulativen Fragen zu beantworten: Auf wie vielen Planeten bildet sich Leben? Welcher Prozentsatz dieser Organismen sendet irgendwann Funksprüche ins All? Und wie lange überdauert solch eine hoch entwickelte Spezies dann im Durchschnitt? Da wir bisher nur eine einzige Zivilisation kennen, sind hier beliebige Antworten möglich. Entweder sind die Aliens so wie wir – oder eben völlig anders.

So überrascht es wenig, dass auch die Nottinghamer Studie geprägt ist vom Geist der Beliebigkeit. Die beiden Forscher haben darin den Schwerpunkt auf die Frage gelegt, wie häufig Planeten mit lebensfreundlichen Bedingungen in unserer Galaxie sind. Unter der Annahme, dass Felskugeln in der habitablen Zone eines Sterns nach 4,5 bis 5,5 Milliarden Jahren stets intelligente Wesen hervorbringen, kommen sie auf die medienwirksame Zahl der 36. Genauso plausibel wären aber auch nur 4 oder 211 derzeit aktive Zivilisationen, räumen die Forscher ein.

Geprägt vom Geist der Beliebigkeit

Insgesamt machen sie einen bequemen Bogen um die eigentliche Kernfrage der Astrobiologie: Ist Intelligenz eine zwingende Folge lang anhaltender biologischer Aktivität, wie man sie zu Recht auf vielen bekannten Exoplaneten vermuten kann? Oder vielleicht doch nur ein seltener Unfall? Je nach Antwort kann man sich leicht ein Weltall ausmalen, in dem an unzähligen Orten bloß Würmer durch den Schlamm kriechen. Oder eben eine Milchstraße voller Zivilisationen, die fröhlich Jazzmusik und die Reden ihrer Anführer ins All funken.

In beiden Fällen könnte die Menschheit dazu verdammt sein, nie Gewissheit zu erlangen: Die mehr als 100 Milliarden Sterne unserer Galaxie sind über ein solch unvorstellbar großes Volumen verteilt, dass wir mit hoher Wahrscheinlichkeit schlicht zu weit weg sind, um je außerirdische Botschaften oder gar Besucher zu empfangen.

Einen erheblichen Beitrag dazu leistet der Faktor Zeit, wie die beiden Nottinghamer Forscher auch in ihrer Publikation anmerken. Bereits vor rund zehn Milliarden Jahren haben sich Planeten gebildet, eine gigantische Zeitspanne, die sich Menschen kaum vorstellen können – und leicht unterschätzen.

In den Äonen der kosmischen Geschichte sind sogar langlebige Zivilisationen kaum mehr als ein kurzes Aufblinken. Selbst wenn regelmäßig irgendwo da draußen Alien-Imperien erblüht sein sollten, waren sie womöglich längst schon wieder verschwunden, als woanders Gehirne und Teleskope in Mode gekommen sind.

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