»Vulkanmenschen«: Leben im Schatten des Vulkans
Vulkane üben seit jeher eine große Faszination auf den Menschen aus. Der griechischen und römischen Mythologie zufolge befand sich die Schmiede des Gottes Hephaistos/Vulcanus in einem Vulkan, und auch der Eingang in die Unterwelt wurde dort verortet. In der heutigen Zeit glauben die Kongolesen, dass sich im Nyiragongo eine Art Hölle für sündige Seelen befindet. In anderen Teilen der Welt wurden und werden Vulkane als heiliger Ort oder Sitz von Göttern gesehen. Vulkane sind gleichzeitig todbringend – und müssen durch Rituale und Opfer besänftigt werden – und Lebensspender, etwa durch die Asche, die die umliegenden Felder fruchtbar macht. Schon immer haben deshalb Menschen im Schatten von aktiven Vulkanen gesiedelt und das Risiko eines Ausbruchs in Kauf genommen.
Diese »Vulkanmenschen« porträtiert die Fotografin und Filmemacherin Ulla Lohmann in ihrem gleichnamigen Bildband. Lohmann hat eine Leidenschaft für Vulkane und bereist dafür entlegene Gegenden und lebensgefährliche Orte. Dort lebt sie zum Teil über Monate mit den Einheimischen zusammen und lernt dadurch ihre Bräuche und Gepflogenheiten auf eine Weise kennen, wie es ein Tourist nie könnte. Folglich legt Lohmann in ihrem Buch den Schwerpunkt weniger auf die Vulkane selbst, sondern mehr auf die Menschen, die in ihrer Nähe und mit ihnen leben.
Dargestellt sind dabei neun geografische Regionen mit jeweils ein oder zwei aktiven Vulkanen. Mit Vanuatu, Papua-Neuguinea und Indonesien ist der pazifisch-asiatische Raum stark vertreten, aber auch afrikanische (Kongo), amerikanische (Chile, USA) und europäische Vulkane (Island, Spanien und Italien) werden vorgestellt. Dabei konzentriert sich Lohmann nicht unbedingt auf die landläufig bekanntesten Vulkane – so fehlen der Fuji, der Vesuv und der isländische Eyjafjallajökull –, sondern sie trifft die Auswahl nach ihren eigenen Erfahrungen und Interessen. Kurze Steckbriefe der behandelten Vulkane finden sich auf der letzten Doppelseite.
Das Buch lebt von den vielen, zum Teil eine Doppelseite füllenden Fotos, die manchmal spektakulär, ein anderes Mal aber auch schlicht daherkommen und gerade dadurch berühren. Passend zum Inhalt des Buches wechseln sich faszinierende Naturaufnahmen mit Porträts der Einheimischen und Szenen aus ihrem Alltag ab. Der begleitende Text erzählt eine Geschichte, die sehr persönlich gehalten ist; Fakten über Vulkane werden nur spärlich eingestreut. Dafür erzählt Lohmann auf lebendige und spannende Weise von den Gefahren und Entbehrungen, denen sie bei ihren Expeditionen begegnet. Zitate der Einheimischen und Auszüge aus Lohmanns Tagebuch lockern den Text auf.
An jeder Stelle spürt man Lohmanns Leidenschaft für Vulkane, aber auch den Respekt für die Menschen, die in ihrer Nähe und mit der von ihnen ausgehenden Bedrohung leben. Lohmann dokumentiert Rituale und magische Riten, mit denen die Menschen versuchen, den Vulkan zu besänftigen, wie sie drohende Ausbrüche erkennen und mit welcher Geduld und Hartnäckigkeit sie nach einem verheerenden Ausbruch ihre Dörfer und Städte wieder aufbauen. Das Buch ist eine wunderschöne Hommage an Menschen, die sich daran angepasst haben, mit dieser Naturgewalt zu leben. Und wer am Ende noch nicht genug von den Feuer speienden Bergen hat, kann sich die im Buch beschriebene Forschungsreise zum Mount St. Helens als Fernsehdokumentation anschauen.
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