Dokumentation: Escobars Hippos sind los
Hund, Katze, Kanarienvogel – dem kolumbianischen Drogenboss Pablo Escobar waren solche Haustiere offenbar zu langweilig. Stattdessen errichtete er auf seiner Ranch »Nápoles«) einen exotischen Zoo mit Straußen, Elefanten und seinen persönlichen Favoriten: vier Flusspferden. Als Escobar 1993 erschossen wurde, kamen die meisten seiner Tiere in andere Zoos. Nicht aber die Flusspferde, die in den Seen seines Anwesens verblieben und sich dort ungestört fortpflanzten. Zum Leidwesen der Tierwelt vor Ort.
»Man kann Flusspferden nicht trauen«, sagt Tierärztin Gina Paola Serna Trujillo zu Beginn der Sendung. Tatsächlich zählen die niedlich aussehenden Tiere mit den riesigen Elfenbeinzähnen zu den gefährlichsten Afrikas. Geschätzte 500 Menschen sterben dort jährlich durch die tonnenschweren Dickhäuter. Und eigentlich sollte sich ihr Lebensraum auch auf diesen Kontinent beschränken. Ihr natürliches Vorkommen liegt größtenteils unterhalb des afrikanischen Äquators. Doch auf Escobars ehemaligem Anwesen fühlen sich die exotischen Einwanderer wohl, denn in Kolumbien kämpfen sie weder gegen klimatische Widrigkeiten wie lange Trockenperioden an, noch treffen sie auf Fressfeinde oder für sie gefährliche Räuber. Nicht einmal der Mensch, der das Flusspferd in Afrika wegen seiner Zähne jagt, rückt ihm hier zu Leibe. Denn die kolumbianische Bevölkerung mag die Neozoen. Während also in Afrika der Bestand auf rund 130 000 Tiere gesunken ist, haben sich ihre kolumbianischen Cousins rasch vermehrt. Inzwischen schätzt man ihren Bestand auf 50 bis 60 Tiere.
Bald begannen die Happy Hippos, auch die Umgebung zu erobern. Flusspferd Pepe lief 2009 schließlich Amok und tötete Tiere der anliegenden Farmen. Als das Militär ihn erlegte, führte das zu großen Protesten in der Bevölkerung und einem anschließenden Gesetz, das die Flusspferde bis heute schützt. Immer noch gibt es daher frei umherstreifende Exemplare, die sich nicht einmal von dichtbesiedelten Städten fernhalten. Undenkbar, dass dort ein Löwe nachts durch die Straßen spaziert, die harmlos wirkenden Flusspferde aber überzeugen offenbar mit ihrem süßen Aussehen.
Die Doku folgt der kolumbianischen Tierärztin Serna Trujillo, die die beliebten Riesen an ihrer Verbreitung hindern möchte, ohne sie dabei zu töten. Zur Hilfe kommt ihr der südafrikanische Wildhüter Chris Hobkirk, der einige Erfahrung im Einfangen großer Tiere hat. Ihr Plan: eine großflächige Sterilisation der Weibchen. Dazu beobachten sie die Flusspferde, stellen innerhalb des Anwesens Kameras auf, um herauszufinden, wie viele Exemplare es überhaupt gibt und ob manche die Ranch auch verlassen. Außerdem begeben sie sich auf eine Fahrt über den Fluss Magdalena, wo sie einige der Nachkommen von Escobars speziellen Haustieren finden. Dies gibt besonderen Anlass zur Sorge, da es von der Quelle des Flusses nicht mehr weit zum Einzugsgebiet des Amazonas ist. Tierschützer befürchten desaströse Folgen, sollte Escobars Erbe je im Regenwald ankommen. Die südamerikanischen Ökosysteme sind auf die Riesen nicht eingestellt. Die Eigenart der Tiere, ihre Exkremente im Fluss weiträumig zu verteilen, kann zu Überdüngung führen. Örtliche Flussfische hätten dann womöglich das Nachsehen. Zudem verdrängen die Flusspferde offenbar auch andere Wasserbewohner, wie Otter und die Amazonas-Seekuh.
Umso wichtiger ist es, schnell zu handeln, wissen beide Experten. Ein ähnliches Vorhaben in den Jahren 2011 bis 2013 ist bereits gescheitert. Damals gab es ein staatlich finanziertes Projekt, die männlichen Hippopotami zu kastrieren. Es wurde nach nur fünf Eingriffen wegen hoher Kosten und der Schwierigkeit, die Tiere einzufangen, eingestellt. Und auch die Massensterilisation stellt eine Herausforderung dar: Die Operation muss vor Ort stattfinden, in einem eingegrenzten Bereich des Anwesens, wo die Tiere betäubt werden. Die Fahrt mit dem ersten operierten Flusspferd zum nächst gelegenen Zoo, wo es unter Beobachtung bleiben soll, ist ein weiteres Abenteuer: Schlecht ausgebaute Straßen, Blockaden und das Durchqueren gefährlicher Guerillagebiete machen die Reise zur Tortur.
Wie Serna Trujillo und Hobkirk sich diesen Herausforderungen stellen, zeigt die 50-minütige Sendung unter dem Namen »Die Hippos sind los« kurzweilig, dramatisch und mit einem augenzwinkernden Blick auf die absurde Geschichte der großen, grauen Riesen. Die Doku-Sendung ist eine Ko-Produktion von AGB Films, Smithsonian Networks, Terra Mater und Oak Island Films. Sie läuft am Mittwoch, 29.1. um 20.15 auf Servus TV und ist anschließend auch in der Mediathek zu sehen.
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