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Quantenmechanik: Spukhafte Fernwirkung: Wie Einstein widerlegt wurde

Verschränkte Quantenteilchen scheinen voneinander zu "wissen", auch wenn sie weit voneinander entfernt sind. Diese spukhafte Fernwirkung ließ Albert Einstein einst von "verborgenen" Variablen ausgehen. Zu Unrecht: Der Gegenbeweis von John Bell ist kompliziert, doch ein Video macht ihn anschaulich.
Quantum Entanglement & Spooky Action at a Distance

Veröffentlicht am: 12.01.2015

Laufzeit: 0:09:15

Sprache: englisch

Untertitel: deutsch

Veritasium ist auf YouTube ein Wissenschaftskanal des australisch-kanadischen Filmemachers Derek Muller. Die Videos, die bei Kritikern oft positive Resonanz hervorgerufen haben, reichen von Experteninterviews über wissenschaftliche Experimente bis hin zu Songs.

Die Quantenmechanik ist eine der erfolgreichsten Theorien der Physik, so bizarr und schwer verständlich manche ihrer Konsequenzen auch sein mögen. Eine davon ist die so genannte Verschränkung: ein Phänomen, bei dem weit voneinander entfernte Teilchen wie zum Beispiel Photonen schneller als mit Lichtgeschwindigkeit zu kommunizieren scheinen.

Für Albert Einstein war eine solche "spukhafte Fernwirkung" undenkbar: Schließlich verbot seine Relativitätstheorie geradezu, dass Information mit Überlichtgeschwindigkeit reisen kann. Und er versuchte, das Problem mit der Annahme "verborgener Variablen" zu lösen. 1964 fand der nordirische Physiker und spätere Nobelpreisträger John Stewart Bell mit seiner berühmten bellschen Ungleichung jedoch einen klaren Beweis, dass Einstein auf der falschen Spur war.

Diese Entdeckung hat so große Auswirkungen auf unser Verständnis von der Wirklichkeit, dass es lohnt, sich näher mit ihr zu beschäftigen. Das Video bietet diese Chance. Bells zunächst kompliziert erscheinende Argumentation wird vom US-Wissenschafts-YouTube Derek Muller auf seinem populären YouTube-Kanal Veritasium anschaulich – und dennoch korrekt – erläutert.

Worin liegt also das Problem? Hat man zwei Teilchen durch experimentelle Tricks erst einmal miteinander verschränkt, sind ab sofort manche ihrer Eigenschaften voneinander abhängig, wie beispielsweise der Spin. Diese mit dem Drehimpuls verwandte Größe kann in der Quantenwelt nur zwei Werte annehmen: Misst man ihn, ist er entweder nach "oben" oder nach "unten" ausgerichtet, man misst also Spin "up" oder Spin "down". Erzeugen Forscher zwei verschränkte Teilchen auf eine Weise, dass ihr Gesamtspin Null beträgt, und lassen sie diese beliebig weit in unterschiedliche Richtung davonfliegen, wird bei einer Messung stets das eine up und das andere down zeigen, und niemals beispielsweise beide up – in anderen Worten: Die Summe ihrer Spins wird stets Null ergeben. Das wurde auch in der Realität nie anders beobachtet.

Das alles wäre an sich nicht weiter verwunderlich. Doch es kommt noch etwas hinzu: Quantenmechanische Teilchen besitzen gar keinen definierten Spin, solange man diesen nicht misst. Mathematisch werden sie so beschrieben, dass sie in gewisser Weise sowohl Spin "up" als auch "down" besitzen. Erst bei der Messung "entscheidet" sich der Spin – rein zufällig –, ob er entweder den Wert "up" oder den Wert "down" annimmt.

Und hier geschieht auch das, was Einstein so aufgebracht hatte: Misst man den Spin eines der zwei miteinander verschränkten Teilchen, dann nimmt der Spin seines beliebig weit entfernten Partners augenblicklich, instantan, die entgegengesetzte Ausrichtung an. Würden sie "nur" mit Lichtgeschwindigkeit kommunizieren, würde dieser Vorgang zwar ebenfalls sehr schnell ablaufen, aber eben doch eine (winzig) kleine Zeitspanne benötigen.

Das kann nicht sein, dachte der Erfinder der Relativitätstheorie. Einstein präferierte zunächst eine Theorie so genannter "verborgener Variablen", die im Teilchen selbst den Spin festlegen und die sich vor den Forschern gewissermaßen verstecken – dann wäre keine Überlichtkommunikation notwendig. Durchsetzen konnte er sich damit allerdings nicht, John Bells Ergebnis ist unumstößlich: Verschränkte Teilchen verhalten sich tatsächlich spukhaft, sie "kommunizieren" auf unerklärliche Weise!

Mathematisch kann man das Verhalten der Teilchen zwar erklären. Mit Formeln lässt sich das verschränkte System aus beiden Teilchen durch eine einzige gemeinsameWellenfunktion Ψ (Psi) beschreiben. Eine Messung erfolgt darum nicht an nur einem einzelnen Teilchen, sondern immer an der gemeinsamen Wellenfunktion. Und weil jede Messung eines quantenphysikalischen Systems dieses unweigerlich beeinflusst, bedeutet jede Messung auch eine Veränderung der gemeinsamen Wellenfunktion und damit beider Teilchen zugleich.

Viele Physiker sind mit dieser Antwort trotzdem nicht vollständig zufrieden. Denn in fast allen anderen Systemen, die räumlich ausgedehnt sind – wie etwa Wasseroberflächen oder elektrische Felder – breiten sich Veränderungen eben doch maximal mit Lichtgeschwindigkeit aus. Warum gilt dies dann nicht in der Quantenwelt?

Doch Alternativen gibt es bislang nicht. Wer weiter über die Frage nachdenken will, ob es in der Physik wirklich spukt, dem sei das Video wärmstens empfohlen. Zwar liefert es keine Antwort, dafür aber eine hervorragende und anschauliche Erklärung der Verschränkung und der bellschen Experimente.

Die Relativitätstheorie hat Bell übrigens trotzdem nicht widerlegt. Denn sie verbietet lediglich, dass Information mit Überlichtgeschwindigkeit ausgetauscht wird. Doch das geschieht auch bei verschränkten Teilchen nicht: Weil das Verhalten des einen völlig zufällig ist, ist es auch das des anderen. Gezielte Nachrichten lassen sich so nicht austauschen.

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