Schlichting!: Das Gegenteil einer Seifenblase
Wenn man jemanden fragt, was das Gegenteil einer Blase ist, so bekommt man oft zu hören, das sei ein Tropfen. Das klingt zunächst plausibel – ist es aber nicht. Denn eine Blase besteht aus einer Luftkugel mit einer Wasserhülle und befindet sich in der Luft. Das genaue Gegenteil wäre eine Wasserkugel mit einer Lufthülle unter Wasser. Solche »Antiblasen«, gelegentlich nach dem englischen Begriff als Antibubbles bezeichnet, gibt es tatsächlich. Manchmal werden sie sogar zufällig hervorgebracht, wenn Tropfen in eine Flüssigkeit fallen.
Um nicht auf sein Glück warten zu müssen, kann man Antiblasen gezielt herstellen. Ähnlich wie bei Seifenblasen gelingt das am leichtesten in Wasser, dem man einige Tropfen Spülmittel zugefügt hat. Allerdings ist ein wenig Übung erforderlich. Dazu braucht man einen Trinkhalm, den man ein paar Zentimeter tief in die Lösung (etwa ein Gramm Spülmittel pro Liter Leitungswasser) taucht. Dann verschließt man ihn oben mit einem Finger und hebt ihn einige Millimeter über die Oberfläche. Wenn man die Öffnung frei gibt, schießt die Füllung heraus und erzeugt nach etwas Ausprobieren eine zirka einen Zentimeter große Antibubble.
Der Prozess läuft prinzipiell ähnlich ab wie bei einer Seifenblase. Diese entsteht, indem eine dünne Seifenschicht von einem Luftstrom ausgebeult wird und das filigrane, schlauchförmige Gebilde sich bei einer kritischen Länge zu einer Kugel abschnürt. Zur Herstellung einer Antibubble reicht der kurze Fall eines Tropfens aus, die beim Aufprall auf der Flüssigkeitsoberfläche zusammengepresste Luftschicht beim Eintauchen ins Wasser gewissermaßen mitzunehmen. Dabei beult er sie ballonartig aus, bis es ebenfalls zu einer Abschnürung kommt – in diesem Fall des Luftfilms, der die eingetauchte Wasserportion umhüllt.
Um sich den Vorgang im Detail vorzustellen, hilft das Bild einer Wasserschicht, die unter dem Einfluss der Schwerkraft auf die Wasseroberfläche trifft. Zwischen den beiden befindet sich Luft, die zur Seite abgedrängt wird.
Das ist kein Problem, solange sie frei strömen kann. Sobald jedoch ein gewisser Abstand unterschritten wird, bestimmen immer mehr typische Grenzflächenkräfte das Fließverhalten der entweichenden Luft. Sie wird im zunehmend schmalen Spalt zugleich verdrängt und zusammengedrückt. Deswegen können sich die Gasteilchen nicht mehr frei und unabhängig voneinander im Raum bewegen. Vielmehr entsteht das Profil einer laminaren Strömung. Das heißt, die Luftmoleküle an der Grenze zum Wasser bleiben daran haften, während ihre Geschwindigkeit zur Mitte hin zunimmt. Hinzu kommt, dass mit geringerer Spaltbreite die Zähigkeit der Luft an Einfluss gewinnt. Das äußert sich in einer gesteigerten Reibungskraft, die den Luftstrom verlangsamt. Anschaulich gesprochen verfestigen sich dadurch die Verhältnisse in der Hülle und sie werden gegenüber störenden Einflüssen stabilisiert.
Die Begrenzungen der auf diese Weise gequetschten Luft sind jedoch nicht unbeweglich wie bei festen Wänden, sondern flüssig. Das umliegende Wasser könnte also infolge der Reibungskraft mitgeführt werden. Der Luftstrom würde dann nicht gebremst, sondern bliebe schnell, dünn und fragil. Das stünde der Entstehung einer Antibubble entgegen.
An der Stelle kommen die mit dem Spülmittel verabreichten Tenside ins Spiel. Das sind lang gestreckte Moleküle mit einem dem Wasser zugewandten (hydrophilen) und einem Wasser abweisenden (hydrophoben) Ende. Sie sammeln sich an der Grenzfläche zwischen Gas und Flüssigkeit. Das minimiert die dortige Energie und stabilisiert den Luftstrom: Ein Mitreißen der flüssigen Grenzschicht würde die Konzentration der dort versammelten Tensidmoleküle verringern und die Oberflächenspannung erhöhen. Dem wirkt das System entgegen, indem es eine Gegenströmung antreibt, welche die Tensidkonzentration in der Grenzschicht aufrechterhält. Die gegensätzlichen Tendenzen versteifen die Wände sozusagen.
»Wer fragt die These und die Antithese, ob sie eine Synthese werden wollen?«Stanisław Jerzy Lec
Antibubbles haben nicht nur eine physikalisch komplizierte Geburt, obendrein ist ihre Lebensdauer ebenso wie die von Seifenblasen begrenzt. Um die Grenzflächenenergie zu minimieren, streben beiderlei Gebilde eine Kugelgestalt an. Weiterhin wird dadurch Energie an die Umgebung abgegeben, dass der Schwerpunkt der Blasen sinkt.
Bei einer Seifenblase rinnt die Flüssigkeit in der Haut schwerkraftbedingt hinab, bis diese schließlich an der dünnsten Stelle reißt. Auch bei der Antibubble spielt die Gravitation eine Rolle. Hier drückt die innere Wasserkugel mit ihrem Gewicht auf die Lufthülle und presst allmählich Luft hoch. Dadurch wird die gasförmige Schicht unten irgendwann so fein, dass sie platzt. Das ganze Schauspiel endet bei der Seifenblase mit umherfliegenden Bruchstücken aus Lauge, die sich zu Tröpfchen zusammenziehen und zu Boden fallen. Bei der Antibubble ist es wieder umgekehrt: Die Fetzen der Lufthülle schrumpfen zu Bläschen im Wasser und steigen zu seiner Oberfläche auf.
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