Tropenfieber: Fünf Fragen zu Malaria
Kann man in Afrika oder Südostasien Urlaub machen, ohne Angst vor Malaria zu haben? Klar, es gibt doch Medikamente dagegen, denken viele. Doch die Erreger werden immer resistenter. Was bedeutet das für Menschen in Malariagebieten, für Urlauber – und auch für uns in Europa?
Warum gibt es immer mehr resistente Erreger?
Der einzellige Malariaerreger Plasmodium falciparum hat dazugelernt. In seinem Erbgut sammelt er Veränderungen, die ihn immer weniger anfällig für Medikamente gegen die Tropenkrankheit machen. So hat der Stamm KEL1/PLA1 beispielsweise mindestens zweierlei Mutationen im Repertoire, die ihn unempfindlich gegen die Stoffe Dihydroartemisinin und Piperaquin machen. Der resistente Keim tauchte erstmals im Westen Kambodschas auf, genau im selben Jahr, als die Kombination der beiden Wirkstoffe dort zum Mittel der Wahl gegen Malaria auserkoren wurde. Da ihm diese Medikamente nichts mehr anhaben konnten, breitete sich der Stamm rasch aus und verdrängte andere, nichtresistente Plasmodium falciparum-Stämme. Im Erbgut mancher KEL1/PLA1-Abkömmlinge setzten sich außerdem in einem dritten Gen weitere Mutationen durch. Sie machen den Parasiten offenbar noch widerstandsfähiger und erleichterten ihm die Ausbreitung in Nachbarländer.
In manchen Regionen Südostasiens sind heute über 80 Prozent der zirkulierenden Stämme resistent gegen Dihydroartemisinin und Piperaquin. Das ist das Resultat einer groß angelegten Studie, in der ein Forscherteam um Olivo Miotto von der Mahidol University in Bangkok Proben von Malariapatienten aus den Jahren 2007 bis 2018 untersuchte. Zwar sind das Extremwerte, aber auch das Gesamtbild ist erschreckend: In den letzten Jahren konnten herkömmliche Wirkstoffe fast die Hälfte aller Patienten in Kambodscha, Thailand und Vietnam nicht mehr heilen. Die Forscher befürchten, dass sich die resistenten Parasiten auch außerhalb von Südostasien verbreiten könnten – beispielsweise in Afrika, wo es weltweit die meisten Malariafälle gibt.
»Dihydroartemisinin und Piperaquin sind eigentlich eine unglückliche Kombination«, meint Benjamin Mordmüller von der Eberhard Karls Universität Tübingen. Denn habe der Erreger eine Resistenz gegen das schnell wirkende Artemisinin-Derivat entwickelt, erhöhe sich auch die Wahrscheinlichkeit einer Piperaquin-Resistenz. Während Dihydroartemisinin freie Radikale bildet und den Malariaerreger damit schnell, aber kurzfristig bekämpft, geht Piperaquin unspezifischer, dafür aber langfristiger vor. Das aus sechs Ringen bestehende Molekül »vergiftet« den Parasiten, indem es ihn daran hindert, schädliche Stoffwechselprodukte abzubauen. Gemeinsam zwingen die Medikamente den Parasiten rasch in die Knie.
»Dihydroartemisinin und Piperaquin sind eigentlich eine unglückliche Kombination«Benjamin Mordmüller, Tropenmediziner an der Eberhard Karls Universität Tübingen
Hat dieser seine Proteine – durch Veränderungen im genetischen Bauplan – allerdings so getarnt, dass der Wirkstoff Dihydroartemisinin sie nicht mehr erkennt, kann es ziemlich lange dauern, bis das Piperaquin allein ihm den Garaus macht. Erregern wie dem KEL1/PLA1-Stamm machen die giftigen Abbauprodukte, die anfallen, wenn der Parasit unsere Blutzellen befällt, sogar noch weniger aus. Denn dank bestimmter Mutationen verfügt er über einen besonders leistungsfähigen Stoffwechsel. Oder er befördert das hinderliche Piperaquin mit Hilfe eines speziellen Transporters einfach wieder nach draußen. Bei besonders hartnäckigen KEL1/PLA1-Abkömmlingen ist das Gen für dieses Transportprotein nämlich ebenfalls verändert – und funktioniert offenbar besser. Das sei aber kein Grund zur Panik, denn es gebe heutzutage bessere Alternativen und wirksamere Stoffkombinationen, meint Mordmüller.
Ist Malaria ein Armutsproblem?
Die Bezeichnung der Malaria als Tropenkrankheit erweckt den Anschein, als müsse man schon in den Dschungel fahren, um sich anzustecken. Tatsächlich lebt aber die Hälfte der Weltbevölkerung in Malariagebieten. Über 100 Länder, vor allem bevölkerungsreiche Staaten in Afrika, Asien und Lateinamerika gehören dazu. Zwar sind die Zahlen der Infektionen und Todesfälle während der letzten Jahrzehnte deutlich zurückgegangen. In den vergangenen drei Jahren seien aber keine nennenswerten Fortschritte bei der Verringerung der weltweiten Malariafälle mehr erzielt worden, schreibt das Private Tropeninstitut Dr. Gontard und beruft sich dabei auf die Zahlen, die die Weltgesundheitsorganisation (WHO) in ihrem »World Malaria Report« für 2018 bekannt gab.
Der Grund: Erkrankte können sich die benötigten Medikamente oft nicht leisten. Gegen die günstigen, traditionellen Malariamittel wie Chloroquin sind die Erreger, beispielsweise in Afrika, schon seit den 1980er Jahren resistent. Die Entstehung von Resistenzen bedeute aber nicht, dass die Krankheit nicht geheilt werden könne, erklärt Tropenmediziner Mordmüller. »Wenn sie rechtzeitig erkannt wird, ist jede Malaria behandelbar – sie ist grundsätzlich mehr ein ökonomisches als ein biologisches Problem«, sagt er.
Im Jahr 2017 traten fast 90 Prozent der über 200 Millionen Malariafälle in afrikanischen Ländern auf. Die meisten Todesfälle gebe es in Gebieten, deren Bevölkerung keinen Zugang zu medizinischer Versorgung habe, sagt Mordmüller. Er ist Professor am Institut für Tropenmedizin und koordiniert Malariastudien, die mit Hilfe von Partnerinstitutionen in afrikanischen Ländern wie Gabun, aber auch in Südostasien vor Ort durchgeführt werden. »Malaria ist eine Krankheit, bei der das Gesundheitssystem und die Wirtschaftslage eines Landes eine große Rolle spielt«, so Mordmüller.
Die WHO versucht, betroffene Länder bei der Bekämpfung der Tropenkrankheit zu unterstützen. Bereits 2016 hat die Organisation 21 Länder identifiziert, die es ihrer Meinung nach schaffen können, die Krankheit bis 2020 auszurotten. Für 2018 haben immerhin schon sieben Länder keine Malariafälle mehr gemeldet, darunter beispielsweise der Iran, China und Malaysia.In ihrem aktuellen Statusreport berichtet die WHO von »guten Fortschritten«. Doch sie will noch mehr: Bis Ende 2030 sollen die weltweiten Malariafälle und Todesraten um mindestens 90 Prozent abnehmen.
»Malaria ist grundsätzlich mehr ein ökonomisches als ein biologisches Problem«Benjamin Mordmüller, Tropenmediziner an der Eberhard Karls Universität Tübingen
Die Strategien und Medikamente, die die Gesundheitsorganisation dafür bereitstellt, werden hauptsächlich von internationalen Fördermitteln und Regierungen bezahlt. Während die betroffenen Länder insgesamt weniger als ein Drittel der Gelder beitragen, liefert die USA allein einen Löwenanteil: Mehr als eine Milliarden Dollar waren es 2017. Doch selbst wenn das so bleibt, reichen die Gelder nicht aus, um die langfristigen Ziele der WHO zu erreichen. Ab 2020 bräuchte sie hierfür mindestens 6,6 Milliarden Dollar pro Jahr – das ist mehr als doppelt so viel, wie ihr momentan zur Verfügung steht. Um die Tropenkrankheit weitestgehend auszurotten, müssten also alle – zumindest die, die Geld haben – tiefer in die Tasche greifen.
Könnte sich die Krankheit auch in Deutschland ausbreiten?
Es gibt sie nicht nur in den Tropen und Subtropen – Malaria war bereits in Europa heimisch: Bis Anfang des 20. Jahrhunderts gab es immer wieder Ausbrüche der Fieberkrankheit. Küsten, Marsche und Moore waren beliebte Brutstätten für dieAnopheles-Mücke, die die Krankheit auf den Menschen überträgt. Trockenlegungen und Flussbegradigungen raubten den Insekten ihren Lebensraum und dämmten die Krankheit weitgehend ein. Nach dem Zweiten Weltkrieg rollte aber eine neue Malariawelle über Deutschland – ausgelöst durch infizierte Kriegsheimkehrer und zerstörte Gegenden, die den Mücken neuen Lebensraum boten. Erst 1974 wurde die Malaria in Europa offiziell für ausgerottet erklärt.
Durch das warme Klima breitet sich die Anopheles-Mücke allerdings wieder aus. Theoretisch könnte sie nicht nur die mildere Malaria tertiana, die früher hier zu Lande grassierte, sondern auch die schwere Malaria tropica übertragen. In den Tropen übernehmen Anopheles gambiae und ähnliche Mückenarten sowie Anopheles funestus diesen Job. Ihnen ist es in unseren Breiten (noch) zu kalt – genau wie dem Erreger Plasmodium falciparum.
Doch Reisende und Einwanderer können die tropischen Keime – und auch die Mücke – mitbringen. Laut Zahlen des Robert Koch-Instituts erkrankten hier zu Lande in den letzten Jahren jährlich etwa 500 bis 600 Menschen an Malaria. Der Großteil davon steckte sich in Afrika, Asien oder Südamerika mit der Tropenkrankheit an. Selten infizieren sich Menschen aber auch erst im Flugzeug, auf einem Flughafen oder in dessen näherer Umgebung durch importierte, infektiöse Mücken – man spricht dann von »Flughafenmalaria«. Solche Fälle treten aber meist eher in südeuropäischen Ländern wie Griechenland und Italien auf.
Stäche nun eine in Deutschland heimische Anopheles-Mücke einen infizierten Urlauber könnte sie den Keim dann auch auf weitere Menschen und Mücken übertragen? »Das kann schon passieren«, meint Mordmüller. Allerdings seien unsere Mücken keine effizienten Überträger für den Parasiten Plasmodium falciparum. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Krankheit in Europa und Deutschland ausbreitet, hält er für extrem gering. Dazu bräuchte es sehr viele infizierte Menschen. »Malaria lässt sich sehr einfach diagnostizieren und therapieren«, erklärt er. In Deutschland ist die Krankheit meldepflichtig. Infizierte werden sofort stationär behandelt – damit ist der Übertragungsweg unterbrochen.
Außerdem benötigen die Erreger bei Temperaturen unter 28 Grad Celsius in der Mücke 12 bis 18 Tage, um überhaupt infektiös zu werden. Bei 18 Grad Celsius dauert es nach bisherigen Berechnungen sogar 56 Tage. So lange leben unsere Anopheles-Mücken gar nicht – sie sterben in der Regel nach zwei bis drei Wochen. Doch der Klimawandel kommt der Tropenkrankheit zugute. Bei höheren Temperaturen können sich Parasit und Mücke besser vermehren.
Erst kürzlich kam ein Forscherteam um Jessica Waite von der Pennsylvania State University zu dem Ergebnis, dass bereits niedrigere Temperaturen und subtilere Veränderungen als gedacht die Entwicklung des Parasiten Plasmodium falciparum erheblich beschleunigen. In der Fachzeitschrift »Biology Letters« berichteten die Forscher, dass der tropischen Anopheles-Mücke möglicherweise bereits 31 Tage genügen, um bei einer Temperatur von 18 Grad Celsius infektiös zu werden. Wird es fünf Grad wärmer oder schwankt die Temperatur um diesen Wert herum – durchaus üblich im Verlauf von Tag und Nacht – dauert es laut ihren Ergebnissen sogar nur etwa 26 Tage. Das Team um Waite sieht Millionen von Menschen in Gefahr. »Im Zuge des Klimawandels könnten infektiöse Moskitos den Parasiten auch in höher liegende Regionen übertragen als bisher.«
Eine Verbreitung des tropischen Erregers in Deutschland halten Mordmüller und auch der Zellbiologe Tobias Spielmann vom Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin dennoch für gering.
Wirken unsere Reisemedikamente bald nicht mehr?
Mit der Malariaprophylaxe im Gepäck oder gar im Blut kann die Tropenkrankheit einem nichts anhaben, denken manche Reiselustige. Doch können die Erreger nicht auch gegen diese Medikamente resistent werden? Ja – und viele sind es bereits.
Malarone, die erste Wahl für unsere Reiseapotheke, enthält die Wirkstoffe Atovaquon und Proguanil. Seit sein Patentschutz abgelaufen ist, ist das Medikament zwar nicht mehr ganz so teuer – vermutlich aber immer noch nicht erschwinglich für die am stärksten betroffenen Länder. Die beiden Stoffe wirken über andere Mechanismen als die Medikamente, die in Südostasien meist verwendet werden. Doch eine einzelne Punktmutation genügt, um den Parasiten unempfindlich gegenüber Atovaquon zu machen.
Das klingt schlimmer, als es ist, denn es gibt auch eine gute Nachricht: Die Erbgutveränderung führe gleichzeitig dazu, dass der Keim nicht mehr von Mücken übertragen werden kann, so Mordmüller. Eine Metastudie kam 2017 zu dem Ergebnis, dass eine Kombinationstherapie aus Atovaquon und Proguanil in 89 bis 98 Prozent der Malariafälle anschlug. Also offenbar doch eine relativ sichere Sache.
Das findet auch Mordmüller. Mit seinem Team arbeitet er an einem menschlichen Infektionsmodell für Malaria. Er will Methoden entwickeln, um die Fieberkrankheit in einem möglichst frühen Stadium zu besiegen oder sie sogar im Voraus zu verhindern. In seinem Labor in Tübingen infiziert er freiwillige gesunde Menschen mit abgeschwächten Malariaerregern. Parallel dazu verabreicht er ihnen Medikamente wie Malarone, die es ermöglichen, eine Immunität zu entwickeln, ohne dass die Krankheit ausbricht. Eine erste Studie habe bereits viel versprechende Ergebnisse geliefert, berichtet Mordmüller. In Zukunft wollen die Forscher das Behandlungsschema optimieren und eine Art Impfung entwickeln.
Was kann man tun, um sich auf Auslandsreisen vor der Krankheit zu schützen?
Wie auch gegen andere Reisekrankheiten gibt es kein Rundum-sorglos-Paket gegen Malaria. Trotzdem erarbeiten Experten jedes Jahr detaillierte Empfehlungen zur Malariaprophylaxe in beliebten Reiseländern. Diese veröffentlichten sie dieses Jahr erstmals auch in der Fachzeitschrift »Flugmedizin Tropenmedizin Reisemedizin«. Für Reisen in Gebiete mit hohem Übertragungsrisiko (insbesondere Subsahara-Afrika) empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Tropenmedizin und Internationale Gesundheit grundsätzlich eine Vorbeugung durch Malariamedikamente. Ob diese bereits vor Reiseantritt eingenommen oder nur vorsichtshalber mitgeführt und bei verdächtigen Symptomen eingenommen werden sollen, hängt von Reisegebiet und individuellen Faktoren ab. Um sich bestmöglich gegen das Tropenfieber zu wappnen, sollte man in jedem Fall den Rat eines Arztes einholen.
Im Wesentlichen gibt es zwei Möglichkeiten, der Krankheit vorzubeugen: 1. Insektenstiche vermeiden und 2. Malariamedikamente einnehmen. Denn eine Schutzimpfung gegen Malaria gibt es bislang nicht. Zwar arbeiten Forscherteams seit drei Jahrzehnten an einem Kandidaten namens RTS,S. Seine Entwicklung ist allerdings noch immer nicht abgeschlossen. Bis 2022 sollen im Rahmen eines Pilotversuchs jedes Jahr rund 360 000 Kleinkinder in Malawi, Ghana und Kenia mit dem Stoff geimpft werden. In einer klinischen Studie mit rund 15 000 Kleinkindern konnte der Impfstoff nur rund 30 Prozent der schweren Malariafälle verhindern. Außerdem muss er den Kindern insgesamt viermal gespritzt werden, um seine volle Wirkung zu entfalten – eine logistische und finanzielle Herausforderung für Entwicklungsländer. Und selbst wenn der Impfstoff wirkt, muss er, um Menschen zuverlässig vor Malaria zu schützen, mit anderen Maßnahmen kombiniert werden.
Am besten ist, man lässt sich gar nicht erst stechen. Da die Anopheles-Mücke nachtaktiv ist, empfiehlt es sich, unter einem – möglichst imprägnierten – Mückennetz zu schlafen. Um den Plagegeistern möglichst wenig Angriffsfläche zu bieten, sollte man am besten immer lange Kleidung tragen. Diese sollte möglichst stichfest sein, denn dünne Baumwollstoffe können die Mücken beispielsweise durchstechen. Dicht gewebte oder imprägnierte Kleidung hält sie ab. Für das Imprägnieren von Moskitonetzen und Kleidung kann man zum Beispiel Cyfluthrin verwenden. Es handelt sich dabei um ein Gemisch aus Pyrethroiden, das sind Stoffe, die das Nervensystem von Insekten schädigen. Dieses Mittel sollte man allerdings nicht direkt auf die Haut sprühen. Für diesen Zweck empfiehlt die WHO den Stoff DEET, der als weltweit wirksamstes Insektenabwehrmittel für die Haut gilt. Lediglich schwangere Frauen und Kindern unter zwei Jahren sollten die Finger davon lassen. Tropenforscher tragen zudem möglichst helle Farben, denn die Moskitos haben eine Vorliebe für Dunkles. Außerdem stehen sie auf Käsefüße: Bakterien in unseren Socken produzieren Fettsäuren, der die Stechmücken anlockt. Also lieber öfter mal die Socken wechseln.
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