Lexikon der Biologie: Süßgräser
Süßgräser, Echte Gräser, Gramineae, Poaceae, einzige Familie der Poales (Graminales) mit ca. 700 Gattungen und 8000 einjährigen und ausdauernden Arten. Sie sind weltweit verbreitet und durch ihre besondere Morphologie gut charakterisiert ( üßä vgl. Abb. 1 ). Der Stengel (Halm) ist rund, hohl (Ausnahme Mais mit Mark) und an den sog. Knoten verdickt. Die meist zweizeilig angeordneten, schmalen Blätter (Blatt) gliedern sich in stengelumfassende Blattscheide (Scheide) und abstehende Blattspreite. Am Ansatzpunkt der Blattspreite liegt der Blattgrund, der oft ein Blatthäutchen (Ligula), einen Haarkranz oder ein Öhrchen trägt. Nach der Wuchsform unterscheidet man Horstgräser, Gräser mit oberirdischen Ausläufern (Stolonen) und Gräser mit unterirdischen Ausläufern (Rhizomen). Die Grundeinheit des Blütenstands (Farbtafel) der Süßgräser ist das ein- oder mehrblütige Ährchen. Es besteht meist aus 2 sterilen Hüllspelzen und zweizeilig angeordneten, oft begrannten Deckspelzen, in deren Achseln die Blüten stehen. Die anemogame, meist staminokarpellate Blüte (Grasblüte [Abb.]) besteht aus 1 zweikieligen Vorspelze, 2 Schwellkörpern (Lodiculae), 3 Staubblättern und 1 Fruchtknoten mit 2 langen fedrigen Narben. Die Schwellkörper öffnen durch Anschwellen die Blüte. Die Blütenformel P[2] +2 A3 +0 G(2) läßt sich durch Reduktion der Blütenformel der Lilienartigen *P3 +3 A3 +3 G(3) und Ausfall eines Staubblattkreises deuten. So haben z.B. Reis und Bambus (Bambusgewächse) noch 6 Staubblätter (A3 +3), und beim Federgras findet man noch 3 Lodiculae. Der Pollen der Süßgräser ist dreikernig und hat einen Keimporus. Er kann bei empfindlichen Personen Heuschnupfen (Allergie; Blühen [Tab. 3]) hervorrufen. – Die Blütenstandsformen ( üßä vgl. Abb. 2/1 ) sind ein wichtiges Einteilungskriterium der Süßgräser. Die Ähre (Ährengräser; ü Blüte ) hat sitzende ein- oder zweiseitswendige Ährchen im Gegensatz zur Scheinähre (Ährenrispe; Ährenrispengräser) mit kurzgestielten (eventuell verzweigten) mehr- oder allseitswendigen Ährchen. Bei der Traube stehen mehrere langgestielte Ährchen auf einer Stufe der Spindelachse des Blütenstands. Rispen haben mehrfach verzweigte Stiele der Ährchen (Rispengras). Seltener sind Fingerähren (Fingergräser) mit mehreren Ähren, die von einem Punkt ausgehen, oder ein Kolben (Mais). – Die einsamige Frucht der Süßgräser ist eine Karyopse ( üßä vgl. Abb. 1/3 t), bei der Fruchtschale (Perikarp; Frucht) und Samenschale (Testa; Samen) miteinander verwachsen sind. Unterhalb der rudimentären Samenschale beginnt direkt die Aleuronschicht oder Kleberschicht (Proteine; Aleuron [Abb.], Gluten), die sehr unterschiedlich ausgebildet sein kann und beim Getreide die Backfähigkeit des Mehls bestimmt (Brotgetreide). Seitlich gegenüber dem Nabel (Hilum) liegt der Embryo. Sproß- und Wurzelanlage sind von geschlossenen Scheiden, Coleoptile (Sproß) und Coleorrhiza, umgeben. Das einzige Keimblatt ist zu einem schildförmigen Saugorgan, dem (Haustorial-)Scutellum, umgebildet. Es beutet bei der Keimung das stärkehaltige Endosperm aus. Nur bei den Bambusgewächsen kommen auch Steinfrüchte oder beerenartige Früchte (Beere) vor. – Die Süßgräser kommen in allen Erdteilen in Wäldern, Wüsten und auch im Hochgebirge bis ca. 3500 m Höhe vor. Sie treten vegetationsprägend in Savannen, Steppen, Wiesen und auf Dünen (Küstenvegetation) auf. Von großer Bedeutung sind die Getreide ( üßä vgl. Abb. 2/2 ) als Nahrungsmittel, die Wiesen- und Futtergräser für die Tier-Ernährung. Aus Süßgräsern werden u.a. Stärke, Zucker, Papier, Alkohol, Parfume und auch Bau- und Isolationsmaterial gewonnen (nachwachsende Rohstoffe). Süßgräser sind außerdem zur Stabilisierung von Sanddünen (Dünenbefestigung), Böschungen und Rohboden wichtige Hilfsmittel. – Die wichtigsten Unterfamilien der Süßgräser sind die Pooideae, Eragrostoideae, Oryzoideae, Panicoideae, Andropogonoideae und die Bambusgewächse(Bambusoideae), die gelegentlich als eine eigene Familie betrachtet werden. Biomechanik, Halophyten, Nutzpflanzen (Tab.), Oreophyten, Sauergräser; üßä Süßgräser .
A.S.
Lit.:Aichele, D., Schwegler, H.W.: Unsere Gräser. Süssgräser, Sauergräser, Binsen. Stuttgart 101991. Bartsch, N.:Waldgräser: Süssgräser, Riedgrasgewächse, Binsengewächse. Alfeld 21994. Chapman, G.P. (ed.): Grass evolution and domestication. Cambridge 1992. Hubbard, C.E.: Gräser. Beschreibung, Verbreitung, Verwendung. Stuttgart 21985. Klapp, E., Boberfeld, W.O. v.: Taschenbuch der Gräser. Berlin 121990. Soderstrom, T.R. et al. (eds.): Grass systematics and evolution. Washington 1988.
Süßgräser
Abb. 1:
1 Morphologie eines „Grashalms“. 2 Verschiedene Ausbildungsformen a des Blattgrunds und b der Deckspelzen, 3 Aufbau der Karyopse vom Mais (Zea mays).
Bg Blattgrund, Bl Blattscheide, Bs Blattspreite, Co Coleoptile, Cr Coleorrhiza, En Endosperm, Ke Blattanlagen des Keimlings, Kn Knoten, Li Ligula (Blatthäutchen), Ra Radicula (Keimlingswurzel), Sc Scutellum
Süßgräser
Abb. 2:
1 Nach der Gestalt des Blütenstands unterscheidet man 3 Hauptgruppen von Gräsern: die aÄhrengräser (Ähre oder Traube), bRispengräser (Rispe) und cÄhrenrispengräser (Rispe mit stark verkürzten Rispenästen). 2 Beispiele für Getreide: a Roggen (Secale cereale),b Dinkel oder Spelz (Triticum spelta),c Saatweizen (Triticum aestivum),d Gerste (Hordeum vulgare)
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