Lexikon der Biologie: Keimung
Keimung, 1) i.w.S. Bezeichnung für die Entwicklung neuer pflanzlicher Organismen durch Zellteilung und Differenzierung aus Sporen, Zygoten, Samen und vegetativen Zellkomplexen, wie Knollen, Zwiebeln, Brutknospen, häufig erst nach einer mehr oder weniger langen Ruhephase (Keimruhe). 2) i.e.S. Bezeichnung für die Samenkeimung (Germination) bei den Samenpflanzen, d.h. für die Wiederaufnahme der Entwicklung des Embryos der Sporophytengeneration (Embryonalentwicklung). Dazu muß die Anabiose (Zustand mit minimaler Stoffwechselaktivität bei sehr geringem Wassergehalt) des Samens beendet werden. So geht der Keimung zunächst eine Wasseraufnahme unter Quellung des Sameninhalts voraus ( vgl. Abb. 1 ). Mit der Quellung wird durch die Entwicklung hoher Drücke die Samenschale gesprengt. Häufig muß zur Samenquellung eine weitere Voraussetzung erfüllt werden, damit es zur Mobilisierung der im Nährgewebe bzw. in den Kotyledonen (Keimblättern) gelagerten Reservestoffe und zum Wachstum des Embryos kommt, z.B. Licht bei den Lichtkeimern, Kälte bei der Vernalisation (Frostkeimer, Keimungshemmstoffe). Die Mobilisierung der Reservestoffe wird häufig hormonell (z.B. über die Gibberellinsäure; Gibberelline) vom Embryo gesteuert. – Beim Wachstum des Embryos wird zunächst die Keimwurzel gestreckt. Sie wächst dann positiv geotrop (Gravitropismus) in den Boden ein, bildet Wurzelhaare (Wurzel) aus und verzweigt sich. Damit ist die Keimpflanze verankert, und die Aufnahme von Wasser und Mineralsalzen aus dem Boden ist gesichert. Nun folgt die Entwicklung des Sproßteils (Sproßachse). Bei der epigäischen Keimung ( vgl. Abb. 3a ) streckt sich das Hypokotyl und durchbricht bogenförmig abgebeugt und die Keimblätter zusammengelegt nachziehend das Erdreich. Dadurch wird der empfindliche Vegetationskegel geschützt, und die Keimblätter bieten den geringsten Widerstand. Mit dem Erreichen des Tageslichts stoppt das Hypokotyl-Streckungswachstum recht bald, und ihm folgt ein Erstarkungswachstum. Die Abbeugung (Plumulahaken; Plumula) wächst sich aus, und die ergrünenden Keimblätter werden dem Licht entgegengestreckt. Bei der hypogäischen Keimung ( vgl. Abb. 3b , vgl. Abb. 2 ) bleibt das Hypokotyl gestaucht, so daß die als Reservestoffspeicher dienenden oder zu Saugorganen umgewandelten Keimblätter mit der Samenschale im Boden verbleiben. Das Wachstum des Sproßteils erfolgt über eine starke Streckung des Epikotyls, das ebenfalls abgebeugt wird und die ersten Blätter nachziehend das Erdreich durchstößt, dann im Wachstum erstarkt und die Blätter aufrichtet. Die Keimung ist abgeschlossen, wenn die Reservestoffe verbraucht sind und die junge Pflanze mit ihrem Wurzelsystem und ihren ersten Blättern zur selbständigen autotrophen Lebensweise übergeht. Die Veränderungen im Wachstum des Sproßteils nach Erreichen des Lichts werden über das Phytochrom-System gesteuert. Cytokinine; Bedecktsamer I , Nacktsamer.
H.L.
Keimung
Abb. 1:
Stadien der Keimung
a ruhender Same: Für die Keimung ist eine Wasseraufnahme nötig. Durch die Quellung des Sameninhalts entsteht ein innerer Druck, der eine Öffnung der Samenschale (Testa) ermöglicht. b beginnende Keimung: Die geotrop wachsende Keimwurzel (Radicula) durchstößt die Samenschale. c Differenzierung im Wurzelbereich: die Rhizodermiszellen wachsen zu schlauchförmigen, dünnwandigen Ausstülpungen (Wurzelhaare) aus, über die vermehrt Wasser aufgenommen werden kann. Gleichzeitig bilden sich die ersten Seitenwurzeln. Das zwischen Wurzeln und den beiden Keimblättern liegende Hypokotyl beginnt bogenförmig zu wachsen. d Streckungswachstum des Hypokotyls: die Basis des Hypokotyls streckt sich, der Hypokotylhaken durchbricht das Erdreich und zieht in seinem Schutz die Keimblätter nach. Die Keimwurzel hat sich zur Hauptwurzel mit Nebenwurzeln weiterentwickelt. Am Wurzelhals sind noch die Reste der Samenschale zu erkennen.
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